
Kreis Gütersloh. "Keine Sorge, sie sind informiert und sie wissen, dass GT Gütersloh ist. Ich bin gestern noch durchgekommen. Das war Glück. Sie stecken dich 14 Tage in Quarantäne." Gemeint sind die Grenzposten in Rumänien. Die rumänischen Behörden sind aktiv geworden und haben ebenfalls eine Verfügung erlassen, die Fleischarbeiter aus Gütersloh für 14 Tage in Quarantäne zu nehmen, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen.
Wer wissen will, wie die Werkvertragsarbeiter selbst über den Corona-Ausbruch und das ganze Drama rund um Tönnies kommunizieren, wird im Internet auf der Plattform Facebook fündig. Die Gruppe "Rumänen in Rheda" hat mehr als 10.000 Mitglieder, zahlreiche weitere Gruppen für die umliegenden Kommunen Gütersloh, Verl, Bielefeld reihen sich aneinander. Vieles ist öffentlich einsehbar und mit der Übersetzungsoption gut nachvollziehbar - wenn auch nicht immer in korrektem Deutsch.

Ziel ist die Vermittlung von Fahrten nach Rumänien
Es wird viel über die tatsächliche Arbeit geplaudert, über faules Fleisch und andere Aspekte. Oberstes Ziel der Gruppen ist die Vermittlung von Fahrdiensten in die Heimat. Auch am Donnerstag, nachdem die Kreisverwaltung die Arbeitsquarantäne verhängt hatte, waren zahlreiche Rumänen auf der Suche nach Mitfahrgelegenheiten Richtung Rumänien. "Wer hat noch Plätze frei?" Auf diese Frage hagelt es Antworten mit Bildern von Bullis, Telefonnummern und dem Stichwort PN als Aufforderung für eine weiterführende private Kommunikation.

Von der Absperrung der Häuserblocks in Verl-Sürenheide wurden zahlreiche Videos gedreht und ins Netz gestellt. Ebenso von tumultartigen Szenen aus einem Hinterhof in Rumänien. Es sind die Heimkehrer, die von ihren eigenen Landsleuten nicht wirklich willkommen geheißen werden. "Du bist selber Schuld. Gehörst du auch zu denen, die sich vor der Quarantäne aus dem Staub gemacht haben?" Kommentiert ein Facebook-User. Kommt man noch über die Grenze, ja oder nein? Auch diese Frage wird eifrig diskutiert. "Mein Cousin ist am Samstag aus Rheda los gefahren. Niemand hat ihn an den Grenzen angehalten."
In Rumänien hilft Geld - auch bei Polizisten
Aus der anderen Richtung scheint es ebenfalls gut zu klappen, glaubt man den Einträgen. Die Einreise nach Deutschland läuft weiter. Die Arbeiter werden weiter benötigt. "So ein Zaun wäre in Rumänien lächerlich", sagt Robert (25), der selbst unter häuslicher Quarantäne am Zollhausweg in Verl-Sürenheide steht und durch einen Bauzaun vom Rest der Bevölkerung abgetrennt ist. "Gegen Zahlung von Geld würde man immer einen Polizisten finden, der einen ziehen lässt."
Einer, der kräftig wirbt und kommuniziert ist Besselmann. Die GmbH mit Sitz in Beelen wirbt auf den einschlägigen Plattformen mit freien Arbeitsplätzen, die "garantiert kein Schlachthof sind", der Einsatzort aber ist Weißenfels - ein Schlachtstandort von Tönnies. Auch gelobt man Besserung, wenn die Bedingungen der Unterbringung nicht immer so optimal sind und versucht den Medienberichten entgegenzuwirken.
Die aktuelle Nachrichtenlage verdirbt das Geschäft. Die Besselmann GmbH erledigt im Ursprung für den Tönnies-Konzern Reinigungsarbeiten in den Schlachtbetrieben. Weil der Einsatz der Werkvertragsarbeiter austauschbar ist, werden die Menschen untereinander ausgetauscht.
Geschäftemacher treiben ihr Unwesen
"Wir werden die Versuchskaninchen zur Corona-Impfung sein", schreibt eine rumänische Userin, die sich Sorgen wegen der vielen Corona-Ausbrüche macht. "Wer wird uns verteidigen, wenn andere damit reich werden?" Andere Frauen berichten davon, dass sie bereits bei Ärzten abgewiesen wurden. Man wollte sie nicht behandeln aus Angst vor Corona-Infektion. Patrick E. und andere Herren mischen in den Unterhaltungen immerzu mit und bieten "schnellen Kredit in 48 Stunden - für Details kontaktieren sie mich privat."
Die Unterhaltungen der Frauen und Männer aus Rumänien offenbart, dass es Unterschiede in der Betreuung der jeweiligen Subunternehmer gibt, bei denen man angestellt ist. Die einen kümmern sich, die anderen nicht. "Wir bekommen jeden Tag einen Anruf wegen Verpflegung." "Wir nicht. Keiner kommt. Bei den Telefonnummern meldet sich niemand mehr." Die Kommunikation scheint derweil überwacht zu werden - Kommentar sind innerhalb kürzester Zeit nicht mehr sichtbar. Rückzug in die geschlossenen Gruppen - wo zumindest kein Deutscher mitliest.
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