Werther hat seit 300 Jahren eine Schule an einem Ort, den es nicht gibt

Werther. Bielefeld gibt es nicht - Bielefelder verdrehen bei diesem Spruch inzwischen mehrheitlich die Augen, denn der Witz hat bereits einen ziemlichen Bart. Dabei ist die Bielefeld-Verschwörung mit ihren 30 Jahren noch vergleichsweise jung, zu dem, was Werther zu bieten hat. Denn Langenheide ist schon ein paar Hundert Jahre alt. Es gibt den TuS Langenheide, den CVJM Langenheide und sogar den Löschzug Langenheide. Nur den Ort Langenheide, den gibt es nicht und gab es nie. Dass der Name aber bis heute so geläufig ist und dass die drei genannten Vereine sich genau dort angesiedelt haben, wo sie noch heute sind, mag zu einem großen Teil an der Schule Langenheide liegen. Und die wurde vor genau 300 Jahren, am 4. Juli 1724, gegründet. &bdquo;Es ist vielleicht nicht die älteste Schule im Umkreis, aber noch lange nicht alle Orte verfügten damals über eine“, sagt Ulrich Maaß. Isingdorf und Schröttinghausen zum Beispiel seien damals noch ohne eigenen Schulstandort gewesen. Ein Dorf, eine Schule. So war es auf dem Land damals aber normalerweise üblich. Vorausgesetzt, das Dorf war groß genug. Das traf in der Zeit ab 1700 aber weder auf Theenhausen noch auf Rotingdorf oder Rotenhagen zu. Die drei Dörfer waren schlicht zu klein, um eine eigene Schule zu bekommen. In Winkelschulen wurde Lesen gelehrt Doch da die Kinderzahl in den drei Dörfern zu dieser Zeit beachtlich war, schlossen sie sich kurzerhand zu einer Schulgemeinschaft zusammen - und deren geografischer Mittelpunkt lag genau in der Nähe des gemeinschaftlich genutzten Wald- und Weidelandes, das den Namen Langenheide trug und eigentlich zur Gemarkung Rotingdorf zählte. Der Name der Schule zur damaligen Zeit lautete aber Theenhauser Schule in der Langenheide. Schulunterricht hatte es auch schon zuvor in Werthers Hinterland gegeben, sagt Hobbyhistoriker Ulrich Maaß. Wer lesen konnte, unterrichtete gegen ein kleines Schulgeld in einem Kotten die Nachbarskinder. Winkelschulen nannte man diese kleinen Unterrichtsstätten, deren Lehrer aber nicht vom Schulgeld leben konnten und nebenbei meist noch einem Handwerk nachgingen. Doch mit der Gründung der Schule Langenheide wurde der Unterricht auf professionellere Füße gestellt. Lehrer Meyer war der erste Lehrer, der als solcher auch ausgebildet war. Der Schulchronik nach soll er 350 bis 400 Kinder unterrichtet haben, schreibt Helge Jung im Heimatjahrbuch 2018. Christliche Texte hatten Vorrang Der Unterricht bezog sich zunächst vor allem aufs Lesen und Rechnen sowie die Vermittlung des Katechismus. &bdquo;Die Schulen waren sehr christlich geprägt, das Singen von Chorälen war fester Bestandteil des Unterrichts“, so Maaß. Schreiben hingegen war zunächst nicht gefragt. Es sei zeitraubend und &bdquo;für die geringen Leute und die Mädchen von wenig Nutzen“, zitiert Margit Brand im Heimatjahrbuch 2024 einen Pfarrer in der Kirchenchronik. Erst ab 1806 rückte Lesen auf den Lehrplan in Langenheide. 1828 dann wich das erste inzwischen baufällige Schulhaus einem Neubau, der schon über zwei Klassenzimmer verfügte. Kurz darauf wurde ein zweiter Lehrer für die Kinder eingestellt, der wie auch schon der erste Lehrer eine Wohnung am Schulgebäude bezog. 1856 stand das gesamte Gebäude in Flammen, und der Lehrer im Obergeschoss konnte sich nur noch durch einen Sprung aus dem Fenster aufs Stalldach retten. Stalldach an einer Schule? Architekt Ulrich Maaß hat Baupläne für den 1857 errichteten Schulneubau gefunden. Die Lehrerwohnungen machten einen Großteil des Schulgebäudes aus und beinhalteten, wie auf einem kleinen Hof, eine Deele und Stallungen. Landwirtschaft gehörte auch für die Lehrer zwingend dazu, um sich zu versorgen. 1898 wurde dann sogar noch eine dritte Klasse angebaut. Jeder hoffte, dass der Frieden erhalten bliebe Ab 1903 ist die Schulchronik dann sehr ausführlich und lückenlos gefüllt. Lehrer Karl Schwabedissen berichtete nicht nur über die Schule, sondern auch über die Ereignisse im Dorf und das Weltgeschehen. Genau vor 110 Jahren stand der Erste Weltkrieg kurz bevor: &bdquo;Was waren das für schwüle Tage in der letzten Juliwoche, der ersten Woche der Sommerferien 1914. Mit Spannung erwartete man die Post, aber enttäuscht legte man die Zeitungen wieder zusammen, denn diese gaben uns auf die brennende Frage: gibt’s Krieg? nur unbestimmte Antworten. Jeder hoffte, daß der Friede erhalten bliebe“, schrieb Schwabedissen in der Schulchronik. Der Ausgang dieser Geschichte ist leider nur allzu bekannt. Lehrer Schwabedissen führte die Schule ab 1903 durch zwei Weltkriege. Erst 1946 - ein halbes Jahr vor seinem Tod - ging er in den Ruhestand. Drei Jahre später folgte der nächste große Umbau des Schulgebäudes unter der Leitung von Lehrer Kipp. Und bei dem ließ man sich nicht lumpen. Fünf Klassenräume entstanden durch Aus- und Umbauten am alten Kotten. Ein Lehrerzimmer und wie gehabt Wohnräume für die Lehrer über der Schule. Ab den 1960er-Jahren standen dann noch einmal große Neuerungen für die Schule an, die bis dahin als Volksschule bis zur achten Klasse gedient hatte. Die älteren Jahrgänge wurden fortan in Werther unterrichtet, und in Langenheide war nach dem vierten Schuljahr Schluss für die Kinder. Und auch ihre Eigenständigkeit musste die Schule 2010 aufgeben und gemeinsam mit Werther einen Schulverbund bilden. Ulrich Maaß sucht alte Klassenfotos So konnte der Grundschulstandort Langenheide erhalten werden und nun den 300. Geburtstag feiern. Offiziell gefeiert wird das Jubiläum am 7. September. Ein Tag, auf den sich auch Hobbyhistoriker Ulrich Maaß schon seit Langem vorbereitet. Aus den alten Unterlagen hat er eine 260 Seiten dicke Chronik der Schule in der Langenheide erstellt. Doch nicht nur die Historie ist in dem Werk nachzulesen. Auch die Schülerinnen und Schüler, die in Langenheide lesen und schreiben lernten, sollen in dem Werk zu sehen sein. Dafür hat Ulrich Maaß schon vor langer Zeit angefangen, Klassenfotos zu sammeln. Das Älteste ist von 1888. Auch von der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg hat er - bis auf einige Lücken - 40 Bilder. Trotzdem hofft er auf die Hilfe der Wertheranerinnen und Wertheraner. Denn er möchte auch die Nachkriegsklassen bis zum Ende der 1960er-Jahre abbilden. &bdquo;Ich habe zwar schon viele Jahrgänge, aber ich hoffe, dass ich noch einige Klassenfotos bekommen kann, um die Schülergenerationen lückenlos abzubilden“, sagt er. Deshalb bittet er alle, die noch alte Klassenfotos aus Langenheide haben, sich bei ihm unter 0175 /4037542 zu melden. Unter derselben Nummer nimmt er auch schon Vorbestellungen für die Chronik entgegen.

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