Historisches Ereignis

Diese Wetter-Katastrophe schockierte Werther und richtete große Schäden an

Heute werden aus kleinen oft große Nachrichten gemacht. Doch wenn in Zeiten, in denen wenige schreiben können, jemand 40 Strophen über etwas dichtet, muss es ein einschlagendes Ereignis gewesen sein.

So könnte der Himmel über Werther auch damals ausgesehen haben. | © Symbolbild: Pixabay

Silke Derkum-Homburg
22.06.2024 | 04.07.2024, 14:51

Werther. Was sind wir alle unzufrieden mit dem bisherigen Sommer. Regen, Regen und Regen. Okay, jetzt soll es ja schöner werden. Aber so eine Hitze, wie in den vergangenen Jahren wollen wir dann wiederum bitte auf keinen Fall. Es ist ein Kreuz mit dem Klima. Früher war es viel besser. Da waren die Winter schön kalt und im Sommer schien die Sonne - ohne Extremwetter. Wirklich?

Mitnichten! Genau heute vor 300 Jahren wurden Werther und Borgholzhausen von solch einem furchtbaren Wetterereignis heimgesucht, dass es den Menschen damals - trotz Zeitalter der Aufklärung, wie diese Epoche rückblickend genannt wird - wie eine Strafe Gottes vorkam.

Es muss eine gespenstische Szene gewesen sein, die sich am Nachmittag des 22. Juni 1724 in Werther abgespielt hat. Innerhalb weniger Sekunden verdunkelte sich der Himmel und es fielen Hagelkörner auf die Erde, die - so beschreibt es die historische Quelle - die Größe von Steinen hatten. Sie seien „von ungemeiner Größe“ gewesen, heißt es.

Alle Fensterscheiben eingeschlagen

Innerhalb kürzester Zeit zerstörte der Hagel nicht nur die Felder und Bäume, sondern selbst die Häuser. Keine Fensterscheibe habe vor diesen Steinen bestehen können. Zahlreiche Fenster seien eingeschlagen und kein einziges Haus in der Stadt verschont worden, heißt es.

Woher wir das heute noch wissen? Möglicherweise sind diese Geschichten in einigen Bauernfamilien noch lange weitergegeben worden. Bekannt ist dies aber nicht. Doch das Ereignis muss so eindrucksvoll gewesen sein, dass sich damals ein Zeitzeuge hingesetzt und ein Klagelied auf die Hagelkatastrophe gedichtet hat.

Wahrscheinlich sogar ein Pfarrer, denn das Gedicht hat Eingang in die historischen Dokumente der Kirchengemeinde Werther gefunden und ist mit diesen im Landeskirchlichen Archiv der evangelischen Kirche von Westfalen gelandet, wo es wiederum vor einigen Jahren von dem Wertheraner Historiker Fabian Hartl entdeckt, transkribiert und ins digitale Geschichtsportal der Stadt Werther eingestellt wurde.

Bereits die fünfte Katastrophe in der Gegend

Und so kann jeder nachlesen, dass es für die damaligen Zeitzeugen im Juni und Juli bereits die fünfte Hagelkatastrophe war: 1715, 1716, 1720 und 1723 wurde Borgholzhausen heimgesucht. Nun kam das Unheil über Werther, dessen Herannahen mit viel Lärm schon von Weitem zu hören gewesen sein soll und die Landbewohner aufscheuchte. „Ein jeder lieff und ächzend rieff: Das korn ist weggenommen“, heißt es in dem Gedicht.

Sowohl Roggen als auch Weizen seien zu der Zeit schon sehr weit gereift gewesen und durch das Unwetter „bis in den Grund verletzet“. Auch Flachs, Erbsen und Bohnen seien vernichtet, klagt der Verfasser und berichtet auch von den Schäden im Wald. „Der bäume laub fiel in den staub“ und „Der hagel lag von diesem schlagRecht dicke auf den feldern / Geschweige dann / wie jedermann / Kan schließen in den wäldern“, heißt es.

Doch während heute wahrscheinlich der Klimawandel schnell als Ursache für Extremwetterlagen herangezogen würde, war es den Ostwestfalen vor 300 Jahren ganz klar, womit die Katastrophe zusammenhing. Nichts anderes als eine Strafe Gottes könne es sein, schlussfolgert der Verfasser und glaubt, dass wie ein Vater seine Kinder zu derem Besten züchtigt, auch die Wertheraner und Borgholzhausener es durchaus herausgefordert hätten und diese Strafen zu Recht über sie gekommen seien.

Lyrischer Trost aus Borgholzhausen

Zurecht oder nicht sei dahingestellt. Mitgefühl gab es hingegen aus Borgholzhausen. Dort dichtete jemand angesichts der furchtbaren Schäden in Werther ein Sonnet, das zumindest von einem guten Verhältnis der beiden zueinander zeugt: „Betrübte Nachbar-Stadt / dein schönes Feld verfällt / Das sonsten anders nichts als Segen ins sich hält.“