Wertheranerin gibt äthiopischen Frauen Tipps für deren eigene Gemüsegärten

Werther. Es sind die Bilder von verdorrten Feldern und hungernden Kindern, die sich im kollektiven Gedächtnis eingebrannt haben, genauso, wie das Stichwort Äthiopien, wenn es um Hungersnöte geht. Das was Karin Gaesing von dem ostafrikanischen Land erzählt, das mit rund 125 Millionen Einwohnern zu den bevölkerungsreichsten Ländern der Erde gehört, klingt anders. Die Wissenschaftlerin, die an der Universität Duisburg am Institut für Entwicklung und Frieden arbeitet, ist Afrika-Expertin und eine exzellente Kennerin Äthiopiens. Sieben Jahre hat sie für die Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) dort in einem Projekt zur Erosionsbekämpfung gearbeitet. Und gemeinsam mit ihrem Mann, einem Äthiopier, reist sie seit 20 Jahren jedes Jahr von Werther in dessen Heimatland, um die Familie zu besuchen "und um einfach Urlaub zu machen", wie ihr Sohn beim Pressetermin grinsend im Vorbeigehen einwirft. Ihre Liebe zum afrikanischen Kontinent hat sie schon Anfang der 1980er-Jahren entdeckt auf einer Rucksackreise durch Tansania, wo die Tierwelt sie faszinierte. "Wir sind doch alle mit Professor Grizmek aufgewachsen", sagt die 65-Jährige lachend über den Tierfilmer und dessen Dokus, die in den 60er- und 70er-Jahren TV-Highlights waren. Doch schnell waren es auch die Menschen, die sie faszinierten. Viele Jahre schlug ihr Herz für Westafrika Mali, Benin, Togo, Ghana, Elfenbeinküste, Liberia - im Rahmen ihres Geographie-Studiums, der späteren Promotion im Fachbereich Raumplanung und einiger beruflicher Stationen hat sie vor allem Westafrika intensiv studiert und dort immer wieder über längere Zeit gelebt. Daher war sie gespannt, als sie 1996 erstmals in die ostafrikanische Heimat ihres Mannes reiste. Sie hatte Tamene Hailegiorgis Gutema im Studium an der Uni Dortmund kennengelernt. Nun ergab sich ein Job in dessen Heimatland. Für die GTZ sollte die Wertheraner Landwirtstochter Teil des Projekts "Landnutzungsplanung und Ressourcenmanagement" werden. Was zunächst trocken klingt, beinhaltet aber viel Begegnung mit den Menschen vor Ort. "Wir haben in den Dörfern Versammlungen abgehalten und mit den Bewohnern diskutiert, wie man der Erosion entgegen wirken könnte", sagt sie. Dabei diskutierten Männer und Frauen getrennt voneinander. Aus gutem Grund, erklärt die Wissenschaftlerin, die sich immer besonders mit der Situation der Frauen beschäftigt hat. "Die Frauen machen im Alltag die meiste Arbeit und kennen sich am Besten aus. Gleichzeitig gehört es sich nicht für eine Frau, in der Öffentlichkeit das Wort zu ergreifen", erklärt sie. In reinen Frauengruppen hingegen sieht das ganz anders aus. Landkarten aus Steinen und Blättern Um genaue Pläne zu erstellen, was verändert werden könnte, haben die GTZ-Mitarbeiter Karten mit den Dörflern erstellt. Nicht auf Papier, sondern im Sand. "Mit Blättern, Steinen und Holz haben die Leute dann genau markiert, wo Wasser, Felder oder die Gebäude sind", berichtet Karin Gaesing aus der Praxis einer Entwicklungshelferin. Um die Bodenerosion in dem zerklüfteten Hochland letztlich zu stoppen, wurden an den Hängen kleine Wälle angelegt, durch die sich im Laufe der Zeit Terrassen bildeten. Aber wie und wo hat sie gelebt? "Mein Mann und ich haben in der Hauptstadt Addis Abeba in einem einstöckigen kleinen Haus gewohnt", sagt Karin Gaesing. Und erzählt dann von dem Äthiopien, das so ganz anders ist als die Bilder in den Fernsehnachrichten. Natürlich gibt es in der Fünf-Millionenstadt fließend Wasser und Strom. "Aber mal wird es mit, mal ohne Vorwarnung abgestellt, weil nicht genug da ist. Das ist dann vor allem schlecht für die vielen Fabriken, die sich eigene Generatoren anschaffen müssen." Vor allem die Lebensmittel- und Lederindustrie sei in Addis Abeba stark vertreten. Neben den vielen kleinen Straßengeschäften und Kiosken in den Wohnhäusern gebe es inzwischen auch ganz normale Supermärkte. "Das ist wirklich genauso wie bei uns, da bekommt man alles", sagt sie. In den 90er-Jahren, war diese Vielfalt nicht gegeben. "Da gab es nur eine einzige griechische Supermarktkette, den Bambis. Wann immer man da einkaufen ging, traf man europäische Bekannte", erzählt sie lachend aus dem Alltag der ausländischen Community. In Addis Abeba gibt es eigens Parks für Hochzeiten Zu den Anekdoten gehört auch die ihrer Hochzeit. Nach dem Verwaltungsakt im Standesamt gab es noch eine Trauung in einem der extra dafür angelegten zahlreichen Hochzeits- und Festparks in der Stadt. "Dort sind mit Mäuerchen kleine Bereiche abgetrennt, in denen man feiern kann", sagt sie und erinnert sich noch gut an die gemauerten Sitze für das Brautpaar. Kurz danach hat ihr Mann bereits die Nicht-Regierungs-Organisation (NGO) Akam gegründet, die bis heute im Auftrag des deutschen Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung die Menschen in der Oromia-Region unterstützt. Zur Zeit geht es besonders um die Förderung von Bäuerinnen und deren Familien. "Wir haben zusammen runde Terrassenbeete angelegt und zeigen, wie man die durch ein Loch in der Mitte mit Brauchwasser und Küchenabfällen wässern und düngen kann", erklärt Karin Gaesing, die früher auf dem Hof ihrer Eltern selbst mit angepackt hat. "Neben der lokalen Kohlsorte, Zwiebeln und Chili, die die Frauen schon kannten, haben wir auch Karotten, Rote Beete und Mangold eingeführt", sagt die Expertin. So könnten die Frauen ihre Familie versorgen und sogar noch Handel treiben. Am Freitag, 24. November, um 19 Uhr wird Karin Gaesing im Haus Werther, Schloßstraße 36, über ihre Projekte, Äthiopien als Reiseland und die politische Situation im Bildervortrag "Äthiopien - Ein Land vor großen Herausforderungen" berichten und eine äthiopische Kaffeezeremonie demonstrieren. Der Eintritt ist frei, Spenden willkommen.

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