Versmolds Zentrum auf dem Prüfstand: Experten-Fazit überrascht

Versmold. Für Boris Hedde sind Innenstädte ein Herzensthema. So sehr, dass der Kölner sogar an Weiberfastnacht in die vermeintliche Anti-Karnevalsregion Versmold reist. Der Geschäftsführer der Datenanalytiker IFH Köln hat mit seinem Team Deutschlands Innenstädte genau unter die Lupe genommen. Statt Enthusiasmus erntete die rheinländische Frohnatur von seinem Publikum erwartungsgemäß eher Zurückhaltung. &bdquo;Was macht Ihre Innenstadt so einzigartig?“, fragte er die 50 Gäste im großen Sitzungssaal des Rathauses. Schweigen. Der Versmolder tut sich eben schwer, seine Schätze und Alleinstellungsmerkmale zu benennen. &bdquo;Das Café Picco“, rief dessen Inhaberin Sandra Jäger dann doch nach einer kurzen Pause ein. Statt purem Optimismus überwogen aber scheinbar die Zweifler an einer lebenswerten Innenstadt. So wie Anwohner Rainer Knaeblein zum Beispiel: &bdquo;Die Innenstadt ist zunehmend unsicherer geworden.“ Dem konterte Bürgermeister Michael Meyer-Hermann zwar mit vermehrten Kontrollen und Maßnahmen, doch damit konnte er den Innenstadtbewohner kaum besänftigen. Versmolds Zentrum hat Luft nach oben Aber zurück zum Vortrag von Boris Hedde. Der ging – zunächst ohne konkret zu werden – auf die allgemeine Situation deutscher Innenstädte und deren Besucher ein. &bdquo;Den klassischen Innenstadt-Besucher gibt es nicht mehr“, sagte er. Stattdessen seien Zentren eine Art Spiegel der Gesellschaft. Alle Generationen würden sich dort hinbegeben – und das trotz Onlinehandels. Aber die Bedürfnisse der Menschen änderten sich. Zwar sei der Hauptgrund für einen Innenstadtbesuch nach wie vor das Shopping-Erlebnis, aber andere Faktoren spielen laut dem Experten immer größere Rollen. Das Gastro-Erlebnis werde immer wichtiger. &bdquo;Menschen verbinden oft Dinge miteinander“, so Hedde. Auch Parkplätze riss Borris Hedde an. Diese würden zwar wenig zur Aufenthaltsqualität beitragen, seien aber notwendig. &bdquo;Denn gerade auf dem Land sind die Wege weit“, so der Kölner. &bdquo;Parkplätze sind hier in Versmold ein wichtiges Thema“, kommentierte Rosi Dieckmann-Rose, Vorsitzende der Versmolder Kaufleute-Vereinigung IGEV. Probleme am Bau: Versmolds Innenstadt verändert sich Hauptproblem, weiß Hedde aus zahlreichen Befragungen, sei aber der Leerstand. &bdquo;Mehr als 50 Prozent der Innenstadtbesucher ärgern sich über leere Immobilien“, so der Kölner. Versmolds Bauamtsleiter Dirk Niggemann konnte das speziell für Versmold mit konkreten Zahlen untermauern. &bdquo;Aktuell haben wir 14 Leerstände in der Innenstadt“, so Niggemann. Allerdings sei für fünf Läden in der nahen Zukunft eine Nachnutzung vorgesehen. Damit läge Versmold bei einer Quote von acht bis neun Prozent leeren Immobilien – und damit aus Sicht sogar besser als im Bundesschnitt. Versmold steht im OWL-Vergleich gut da &bdquo;In vielen Städten ist die Situation deutlich schlimmer“, ordnete Jörg Baier vom Handelsverband OWL ein, der ebenfalls zu der Podiumsdiskussion gekommen war. &bdquo;Versmold stand auch in der Vergangenheit immer gut da.“ Marco Rieso, Experte von der Industrie- und Handelskammer Bielefeld, konnte diese Einschätzung teilen – appellierte aber zeitgleich: &bdquo;Die leer stehenden Immobilien müssen den Anforderungen potenzieller Mieter entsprechen und in einem guten Zustand gehalten werden.“ Rieso versprach, bestehende Geschäfte vor allem in Sachen Digitalisierung unterstützen zu wollen. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Stadt Versmold (@stadtversmold) In ein ähnliches Horn blies Rosi Dieckmann-Rose. Sie bemängelte, dass in der Vergangenheit vor allem Frequenzbringer in der Innenstadt die Segel gestrichen hätten. &bdquo;Wir als Kaufleute leben im Moment vor allem von unseren Stammkunden.“ Die seien zwar treu und gut, aber Laufkundschaft fehle. Der Weggang des Sportfachhändlers Sport Total, der Rückzug von Rewe und andere Schließungen hätten der Innenstadt deutlich zugesetzt. Gleichzeitig lobte sie die Zusammenarbeit mit der Stadt und versprach, dass sich die Einzelhändler vor Ort weiterhin engagieren wollen. Weitere Experten-Meinung: Versmolds Perspektiven im Einzelhandel Und immerhin: Am Ende der Podiumsdiskussion kamen noch viele Interessengruppen zu einem regen Austausch zusammen. Etwas Enthusiasmus hatten die Versmolder nach einem kurzweiligen Abend – auch dank der Moderation von Christian Ludewig – dann also doch noch.

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