Versmold/Bielefeld. Während das EM-Finale zwischen Deutschland und Spanien am 29. Juni 2008 Millionen Menschen vor die Bildschirme lockt, kommt es in einer Wohnung in Bielefeld-Babenhausen zu einer tödlichen Bluttat. In Vorfreude auf das sportliche Großereignis treffen Werner B., seine Frau Anna B. und ihre Freundin Rebecca W. (alle Namen geändert) zusammen, um das Fußballendspiel live zu verfolgen. Doch der Abend, der zunächst friedlich in Rebeccas Wohnung beginnt, mündet in ein Szenario des Schreckens.
Als Anna B. den Raum kurz verlässt, erreichen sie schmerzerfüllte Schreie. Bei ihrer Rückkehr findet sie ihre Freundin blutüberströmt und schwer verletzt vor. Ihr Mann Werner B. steht mit einem Messer bewaffnet da – er hat mehrmals auf die 65-Jährige eingestochen. Unter der Drohung ihres Ehemannes hilft die 33-Jährige widerwillig, die Spuren des Gewaltakts zu beseitigen, und wickelt die Leiche in eine Decke ein. Werner B. zwingt sie, in seinen Lkw einzusteigen. Mit dem Säugling im Maxi-Cosi fahren sie nach Hause nach Versmold.

Dort angekommen, verschärft sich die Lage weiter. Der 37-Jährige bedroht seine Frau mit dem Fleischermesser und zwingt sie, Tabletten einzunehmen. Anna B. wird später berichten, dass er sie zum Geschlechtsverkehr gezwungen und versucht hat, ihr die Pulsadern aufzuschneiden. Eine Wende tritt ein, als plötzlich seine Schwester an der Tür erscheint. Sie erkennt die Gefahr, alarmiert umgehend die Polizei, Werner B. flüchtet über das Dach in ein angrenzendes Waldstück. Eine Großfahndung wird ausgelöst.
Fieberhaft sucht die Polizei nach dem Familienvater. Über die Mittel, die bei der Suche nach ihm eingesetzt werden und wie er schließlich ins Netz der Polizei gerät, sprechen Birgitt Gottwald und Marc Uthmann, stellvertretender Redaktionsleiter des Haller Kreisblatts, in der aktuellen Folge von „OstwestFälle“, dem True-Crime-Podcast der „Neuen Westfälischen“. Darüber hinaus thematisieren sie, dass es bereits ein Verbrechen vor dem Verbrechen gab.

Doppeltes Blutverbrechen – der Fall im Überblick:
- Während das EM-Finale zwischen Deutschland und Spanien Millionen fesselt, ereignet sich in Bielefeld ein tragisches Verbrechen. Werner B. tötet mit Messerstichen die Freundin seiner Frau in ihrer Wohnung.
- Nach dem Angriff auf Rebecca W. zwingt Werner B. seine Frau zur Flucht und setzt seine gewalttätigen Übergriffe in ihrer Versmolder Wohnung fort.
- Eine umfangreiche Fahndung führt zur Festnahme des Familienvaters. Die Polizei wird in einem Wald nahe Bad Laer fündig, nachdem sie von zwei Frauen alarmiert worden ist.
- Die Beziehung zwischen Werner B. und Anna B. ist schon vor der Tat von Gewalt geprägt. Ein früherer Gerichtsprozess endet mit einem Freispruch für Werner B.
- Das Landgericht Bielefeld verurteilt den Täter wegen Mordes und versuchten Totschlags zu einer lebenslangen Haftstrafe. Eine vorzeitige Entlassung scheint unwahrscheinlich, da das Gericht eine besondere Schwere der Schuld feststellt.
Eine intensive Fahndung über sechzig Stunden beginnt
Die Polizei startet eine groß angelegte Suche, die sich über mehrere Tage erstreckt. Mit einer gewaltigen Mobilisierung von Ressourcen – unter Einsatz von Hubschraubern und Spürhunden sowie der Einbeziehung der Bevölkerung sucht die Polizei nach Werner B. Die Öffentlichkeit wird durch die Medien auf dem Laufenden gehalten und ist aufgerufen, Hinweise zu geben. Trotz der intensiven Suchmaßnahmen bleibt Werner B. zunächst verschwunden.
Erst nach zwei Tagen, in denen die Spannung in der Region spürbar ansteigt, wird B. von zwei Frauen in einem Wald nahe Bad Laer gesehen. Sie erkennen ihn dank der Fahndungsbilder und informieren die Polizei. Die Beamten treffen ein und können Werner B. ohne Widerstand festnehmen. Er macht keine Aussagen zur Tat - sein Anwalt Peter Wüller führt die psychische Labilität seines Mandanten als Grund dafür an, hervorgerufen durch tagelanges Überleben im Wald und zahlreiche Zeckenbisse.
Verbrechen vor dem Verbrechen
Die Beziehung zwischen Werner B. und Anna B. ist von Beginn an von Konflikten und Versöhnungen geprägt. Ein Muster, das sich über die Jahre fortsetzt. Gewalterfahrungen und wiederholte Trennungen prägen ihren Alltag. Die junge Frau flieht immer wieder vor ihrem Ehemann, schließlich auch ins Frauenhaus, wo sie das spätere Opfer Rebecca W. trifft und mit ihr Freundschaft schließt.
Das toxische Verhalten von B. – verstärkt durch die Sorge um ihre drei älteren Kinder, die bereits in der Obhut des Jugendamtes sind, sowie finanzielle Probleme – schafft einen gefährlichen Nährboden für die spätere Gewalttat.
Schon zwei Jahre zuvor saß Werner B. bereits wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung seiner Frau vor Gericht. Sein Verhalten im Prozess erscheint unauffällig und schüchtern, und trotz der Versöhnung mit seiner Frau während des Verfahrens zeichnet sich das Bild eines gewalttätigen Mannes ab. Der gerichtspsychologische Dienst stellt bei dem Paar eine gegenseitige Abhängigkeit fest, durchsetzt mit sadomasochistischen Zügen. Der Prozess endet mit einem Freispruch für Werner B. Das ist 2008 anders.
Werner B. unter Anklage: Mordprozess in Bielefeld
Zwei Monate nach seiner Festnahme erhebt die Staatsanwaltschaft Bielefeld Anklage gegen Werner B. wegen Mordes und versuchten Totschlags. Anna B. reicht kurz vor Prozessauftakt die Scheidung ein. Dieses Mal wird es keine Versöhnung mehr geben.

Vor dem Schwurgericht am Landgericht Bielefeld bleibt Werner B. stumm. Und so entsteht ein Schlagabtausch zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft, angefacht durch Spekulationen über einen möglichen Suizidplan des Paares und eine unterstellte Beteiligung von Anna B. an der Tat. Staatsanwalt Christoph Mackel weist die These wegen fehlender Beweise entschieden zurück. Letztendlich spricht das Gericht eine lebenslange Haftstrafe für Werner B. wegen Mordes aus. Eine gegen das Urteil eingelegte Revision hat keinen Erfolg.