Tierschützerin befürchtet: „Es wird sehr viel Tierleid in Versmold geben“

Versmold. Die Gefühlslage von Martina Auhage schwankt zwischen Frust, Unverständnis und Unmut. Sie ärgert sich über die neue Regelung, die man im Rathaus für die Versorgung von Fundkatzen getroffen hat. Spätestens in drei oder vier Jahren werde man merken, welche Konsequenzen die Entscheidung nach sich ziehe. &bdquo;Es wird in Zukunft sehr viel Tierleid in Versmold geben“, prognostiziert die erfahrene Tierschützerin. Seit Jahren ist die Stadt Versmold Partner des Bielefelder Tierschutzvereins. Zuletzt zahlte man jährlich einen pauschalen Betrag (ein Euro pro Einwohner). Das Tierheim hat den Vertrag zum Jahresende gekündigt und wollte neue Konditionen verhandeln. Das Angebot über etwa die doppelte Summe war der Stadt zu hoch. Fundkatzen werden ab 2024 von der Tierarztpraxis Meyer-Wilmes in Harsewinkel aufgenommen - und pro Fall abgerechnet. Andere Kommunen im Umkreis greifen auf diese Leistung ebenso zurück. &bdquo;Es geht doch nicht um ein paar zahme Fundkatzen“, sagt Martina Auhage und ist von der Haltung der Stadt enttäuscht. Die Zusammenarbeit mit dem Tierschutzverein ging über die reine Versorgung von Fundkatzen hinaus. Vielmehr ist Martina Auhage über Jahrzehnte erste Ansprechpartnerin, wenn irgendwo in der Stadt herrenlos Katzen auftauchen. Oder wenn mehr oder weniger wildlebende Tiere auffallen. Der Klassiker: Unkastrierte Hofkatzen vermehren sich unkontrolliert, obwohl Kastrationspflicht für Freigänger besteht. Wer kümmert sich um Kastration der Streunerkatzen? Im Juni zum Beispiel hatte Martina Auhage eine größere Fang-und Kastrationsaktion im Peckeloher Außenbereich organisiert. Mehrere Katzenkinder fanden die Tierschützer bereits tot vor, anderen waren schwer krank und völlig verwahrlost. Martina Auhage holt einen Ordner hervor und zeigt Fotos. Sie hat über die Jahre viele Dokumente gesammelt - als Beleg dafür, dass es in der Stadt viel Katzenelend gibt. Wo einzelne Streuner auffallen, finden sich meistens weitere scheue Tiere. Mit Unterstützung des Tierheims fängt Martina Auhage diese dann, lässt sie kastrieren, versorgt die Babys. Die Muttertiere werden erst dann wieder in Freiheit gelassen, wenn die Kleinen groß genug sind und über die Tierheime vermittelt werden können. Arbeit, die manchmal über mehrere Wochen dauern kann. &bdquo;Wer ist in der Pflicht, wenn der Tierschutzverein ausgeschieden ist?“, fragt Martina Auhage deshalb. &bdquo;Wer fängt in Zukunft die scheuen Katzen?“, möchte sie wissen und verweist auf das Durchsetzen der Kastrationspflicht. &bdquo;Wer ist zuständig für eine scheue Katze, die zum Beispiel angefahren wurde?“ Für die Versmolderin selbst steht fest: Ohne das Tierheim an der Seite wird sie all diese ehrenamtliche Arbeit nicht mehr leisten. Ab kommendem Jahr werde sie jedem, der sie kontaktiere, sagen: &bdquo;Bitte bei der Stadt anrufen.“ Katzenpopulation nimmt ohne Eingreifen rasant zu Allein in fünf Jahren habe sie 358 scheue Katzen in Versmold gefangen, sie kastrieren oder wieder laufen lassen, gibt Martina Auhage an. Wäre dies nicht geschehen, hätten sie sich weiterhin vermehrt. Vom Deutschen Tierschutzbund gibt es eine Beispielrechnung, wie sich eine Katzenpopulation basierend auf einem Katzenpaar entwickeln kann. Die Berechnung geht davon aus, dass eine Katze zwei Würfe pro Jahr mit je drei Welpen hat. Theoretisch ergeben sich demnach nach drei Jahren bereits 500 Tiere. Die Tierschützerin geht davon aus, dass Versmold ohne die Kastrationsaktionen des Tierschutzvereins ein Problem mit wildlebenden Katzen bekommen wird. Auffallen werde das, &bdquo;wenn die Tiere in den Siedlungsgebieten auftauchen“. Sie sorgt sich ebenso um das große Katzenelend, wenn sich niemand zuständig fühle. Auf Anfrage des &bdquo;Haller Kreisblatts“, wer sich ab 2024 um solche Aktionen kümmert, heißt es aus dem Rathaus: &bdquo;Bei Erforderlichkeit wird es durch städtisches Personal erledigt.“ Mit der Harsewinkeler Praxis sei nur eine Regelung zur Versorgung von Fundkatzen getroffen worden. Verwaltungsseitig war im Oktober gegenüber eine Zahl von 20 bis 40 freilaufender Tieren genannt worden, die jährlich kastriert werde. Fachwissen und Zeit für Fangaktionen Einer, der sich mit dem Thema befasst, ist Dirk Heidotting vom Nestwerk Münsterland e. V. &bdquo;Es ist kommunale Aufgabe, sich um Fundtiere zu kümmern“, sagt er. In den meisten Fällen werde dies an Tierschutzvereine übertragen. Wildlebende Katzen seien vielerorts zum Problem geworden, das Leid oft riesig. &bdquo;Es ufert aus, das kann fast jede Stadt bestätigen“, schildert der Vorstand. Der Verein setzt sich deshalb für die Kastrationspflicht und dessen Einhaltung ein. Für Fang- und Kastrationsaktionen brauche es &bdquo;viel Fachwissen“, so Dirk Heidotting. Und Zeit. Manchmal dauere es mehrere Tage. &bdquo;Wenn eine Stadt meint, sie könnte das selbst organisieren, dann habe ich daran zumindest erhebliche Zweifel“, lautet seine Einschätzung. Das Argument der Kosten könne er aus Stadtsicht durchaus nachvollziehen. Er befürchtet aber - ohne den Tierschutz im Rücken - &bdquo;ein Zuschieben von Zuständigkeiten“. Mit dem Ergebnis, dass &bdquo;es in der Praxis daraus hinauflaufen wird, dass sich niemand kümmert“. Im Versmolder Fall hofft Dirk Heidotting noch auf einen Kompromiss &bdquo;im Sinne der Tiere“. Was Martina Auhage freut: Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen war neulich zum Besuch im Tierheim, hat sich selbst ein Bild gemacht und bei der Gelegenheit eine Spende über 400 Euro mitgebracht. Von der Stadt wünscht sich die Versmolderin an der Stelle mehr Weitsicht. Sie betont: &bdquo;Das Tierheim ist auch in Zukunft zu einem Gespräch bereit.“

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