Nach holprigem Start: Im Versmolder Combi-Markt steht ein Großprojekt bevor

Versmold. Beim Pressegespräch vor ziemlich genau einem Jahr sieht man Kevin Rädel Stress und Abgeschlagenheit an. Da hat der Versmolder gerade den Combi-Markt als Inhaber übernommen, um sich nach dem Rewe-Aus am Marktplatz eine neue berufliche Existenz aufzubauen. Doch der Beginn verläuft anders, als es der erfahrene Unternehmer erwartet hatte. "Der Start war schwierig", sagt er rückblickend. Diesmal wirkt Kevin Rädel gelassener und motivierter, als er das "Haller Kreisblatt" zum Gespräch empfängt. Es ist Rushhour nach dem Wochenende und zum Start in eine kurze Woche mit Feiertag. An den drei Kassen bilden sich am Montagvormittag lange Schlangen, eine vierte Kasse muss gerade geöffnet werden. Das Kommando im Laden überlässt der 43-Jährige ruhigen Gewissens seinem Team. "Ich schaffe es besser, Arbeit zu verteilen und Verantwortung abzugeben", sagt Kevin Rädel. Und kann sich deshalb auch beim Trubel im Markt die nötige Zeit zum Gespräch nehmen. In aller Ruhe bei einer Tasse Kaffee im Mitarbeiterraum. Das Wichtigste schickt er gleich vorneweg. "Als Erstes, das ist mir sehr, sehr wichtig, ein großes Dankeschön an mein Team", sagt der Combi-Markt-Chef. "Ohne die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wäre ich heute nicht mehr hier, dann hätte ich hingeschmissen." Die Übernahme, die neuen Strukturen, dazu gleichzeitig die Abwicklung des früheren Marktes an der Wiesenstraße - all das hätten ihn derart gefordert, dass er zwischenzeitlich ans Aufgeben gedacht habe. "Meine Mitarbeiter haben immer gesagt: Chef, das schaffen wir zusammen. Und wir haben es geschafft." Zusammenarbeit mit Bünting hat sich eingespielt Bei diesen Worten klingen Stolz und Dankbarkeit mit. Etwa 50 Köpfe gehören zum Combi-Rädel-Team, deutlich mehr als zu alten Rewe-Zeiten. In schwierigen Momenten hätten die Mitarbeitenden ihn aufgebaut - nicht zuletzt seine Ehefrau Yvonne, die ihn immer unterstützt habe. "So emotional habe ich noch nie gearbeitet", räumt der Kaufmann ein und muss einmal kurz durchatmen. Zusammen hätte man manchmal geweint, sich dann aber auch wieder gefreut. "So langsam kommt die Normalität", schildert Kevin Rädel. Und mit ihr ist die alte Energie zurück. "Ich bin Kaufmann mit Leib und Seele - daran hat sich nichts geändert. Es wäre mir nur fast zum Verhängnis geworden", sagt der Familienvater offen und ehrlich. Durch die mitunter schwere Anfangszeit hätten ihn neben der Familie und den Mitarbeitern auch viele Kunden begleitet. Das positive Feedback und die Gesten hätten ihm geholfen. Auch wenn es mal Kritik gab. "Manche haben mir einfach auf die Schulte geklopft und sich bedankt." Mittlerweile sieht der Chef einiges gelassener und hat, so schildert er, einen Gang zurückgeschaltet, nimmt sich kleine Auszeiten und setzt andere Prioritäten. "Damit fahre ich gut", sagt Kevin Rädel. Vieles hat sich inzwischen eingespielt. Die Zusammenarbeit mit der Bünting-Gruppe, die 2021 den Markt nach Abriss und Neubau eröffnet hatte, funktioniert aus seiner Sicht besser. "Wir haben uns ganz gut aneinander gewöhnt." Es habe für ihn und die früheren Rewe-Mitarbeiter einige Monate gebraucht, mit dem neuen System der Warenbestellung und den internen Strukturen umzugehen. Schon allein die neue Marktgröße - 1.550 Quadratmeter Verkaufsfläche sind deutlich mehr als am Marktplatz - brachten ungeahnte Herausforderungen für den Kaufmann. Dazu kam die neue Situation im Wettbewerb mit einem Markt weniger in der Stadt. "Das elektronische System war überfordert. Es hatte ihm niemand gesagt, dass ein anderer Supermarkt geschlossen hat", erklärt Rädel das Problem. Die Folge: Es fehlte immer mal wieder Ware. Photovoltaik-Anlage für das Combi-Dach Das Jahr der Umgewöhnung auf der einen und die veränderte eigene Haltung auf der anderen Seite geben dem Combi-Markt-Inhaber nun Rückenwind für neue Ideen. "Wir haben schon viel umgesetzt", sagt Kevin Rädel. Er nennt - für alle sichtbar - das große Gemälde auf der Fassade und das Tor zur Anlieferung. Zudem seien Arbeitsabläufe erleichtert und vereinfacht worden. Dazu kommen Kundenwünsche, die Familie Rädel und ihr Team, wenn möglich, aufgreifen und umsetzen. Beispiel dafür sind die Glascontainer, die aufgestellt wurden. Zusätzliche Stellmöglichkeiten für Fahrräder sollen ebenso angegangen werden. Nächstes großes Projekt ist zunächst eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach - zur Eigenstromerzeugung und zur Einspeisung ins öffentliche Netz. Zurzeit befindet sich Kevin Rädel mit einer Bielefelder Firma in der Planungsphase, erzählt er. Er als Geschäftsmann wird die Investition tragen und mit Bünting eine vertragliche Vereinbarung abschließen. Lesen Sie auch: Gegen Parksünder: Am Versmolder Combi-Markt gelten jetzt strenge Regeln Geplant ist eine Anlage mit 220 Kilowatt-Peak Leistung - nur gut die Hälfte wäre erforderlich, um den Strombedarf des Marktes zu decken. "Wir haben ein großes Dach", sagt Kevin Rädel und hält es für sinnvoll, dieses im Sinne von Nachhaltigkeit mit PV-Modulen zu belegen. "Das zeigt auch unsere Verbundenheit zum Ort", findet der 43-Jährige. Läuft alles nach Plan, sollen die Arbeiten im Januar erfolgen. Mit Ausbildung gegen Fachkräftemangel In der Ausbildung junger Menschen sieht der Unternehmer ebenso eine gute Investition in die Zukunft. Zwei Neue haben in diesem Jahr angefangen. Ziel sei es immer, die Azubis anschließend zu übernehmen."Wenn ich in Azubis viel Zeit investiere, möchte ich sie auch behalten", sagt Kevin Rädel. Das Konzept geht offenbar auf. "Wir haben kein Problem mit Fachkräftemangel", sagt Rädel und freut sich, dass frühere Azubis heute Führungsaufgaben im Combi-Team übernommen haben. Eine Erleichterung für den Chef. Mindestens genauso froh ist Kevin Rädel, dass mit Tochter Vanessa - Sohn Jonas besucht noch die Schule - die nächste Generation den Weg in den Lebensmitteleinzelhandel eingeschlagen hat. Trotz aller Widrigkeiten, mit der die Branche zu kämpfen hat. Vor zwölf Monaten, da lehnte Kevin Rädel dankend ab, selbst mit aufs Foto zu gehen. Die Stimmung war getrübt. Diesmal lässt er es sich nicht nehmen, zieht schnell noch das Combi-Shirt über und nimmt Ehefrau Yvonne und Tochter Vanessa mit vor die Ladentür. Im Eiltempo, wie man es von ihm kennt.

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