Telefon ohne Hörer sorgt im Versmolder Rathaus für Gesprächsbedarf

Auf dem neuen Rathausplatz wirkt es wie ein Relikt alter Zeiten: das öffentliche Telefon der Telekom. Nur funktioniert es nicht. Die Kommunikation hakt auch an anderer Stelle.

Am Rathaus steht das Basismodell eines öffentlichen Telefons. Es kann nur mit Telefonkarte bedient werden; Notrufe funktionieren auch so. Seit einiger Zeit allerdings ist der Apparat defekt. Hat er noch eine Zukunft? | © Tasja Klusmeyer, HK

Tasja Klusmeyer
28.11.2020 | 28.11.2020, 05:10

Versmold. Die Anfrage von CDU-Fraktionschef Ulrich Wesolowski im Hauptausschuss sorgte für Schmunzeln am Sitzungstisch. „Soll es Mahnmal oder Denkmal sein? Vielleicht ein Kunstobjekt? Oder wurde vergessen, es zu entfernen?“, erkundigte er sich nach dem öffentlichen Telefon der Telekom an der Münsterstraße unweit vom Rathaus.

Wann der Apparat das letzte Mal benutzt wurde, ist nicht bekannt. Denn seit geraumer Zeit fehlt ein nicht ganz unwichtiges Element zum Telefonieren: der Hörer. Offenbar ein Opfer von Vandalismus. Die Stadt forderte nach eigenem Bekunden von der Telekom die Instandsetzung – mehrfach. „Wir rufen wöchentlich an. Man lässt uns aber hängen“, informierte Fachbereichsleiter Dirk Niggemann die Politik. Der Telekommunikationsriese, so der Eindruck der Stadt, würde den Standort lieber aufgeben. Das Argument sei, dass das Telefon nicht benutzt werde, so Niggemann. Was angesichts des fehlenden Hörers kein Wunder sein dürfte.

Stadt und Telekom mit unterschiedlichen Positionen

Die Telekom selbst schildert die Angelegenheit auf Nachfrage des Haller Kreisblattes jedoch anders. „Die Störung an diesem Standort war uns bisher nicht bekannt“, lässt die Pressestelle wissen. Die HK-Anfrage bringt offenbar Bewegung in die Sache: Die zuständige Fachabteilung sei informiert und noch am selben Tag habe sie die Instandsetzung in Auftrag gegeben. So schreibt es die Abteilung Unternehmenskommunikation der Redaktion.

Im Versmolder Rathaus freut man sich über den plötzlichen Fortschritt, zeigt sich aber verwundert angesichts der Aussage, man habe nichts von der defekten Säule gewusst. Nun wartet man gespannt, ob die gegenüber dem HK angekündigte Reparatur tatsächlich erfolgen wird.

Abbau nicht ohne Weiteres möglich

Bürgermeister Michael Meyer-Hermann hatte am Dienstag im Hauptausschuss betont, dass die Stadt einer Aufgabe des Standortes nicht zustimmen würde. Es gebe eine – zwar kleiner werdende – Gruppe an Menschen ohne Handy, denen ein Angebot in der Öffentlichkeit vorgehalten werden solle. Den zentralen Platz erachtet die Stadt als passend.

Für diese Forderung gibt es eine gesetzliche Grundlage, das Telekommunikationsgesetz, wonach eine Grundversorgung durch die Telekom zu gewährleisten ist. Eine Aufgabe eines öffentlichen Telefons ist nicht ohne Weiteres möglich. „Dafür ist grundsätzlich das Einverständnis der jeweiligen Kommune und der Bundesnetzagentur nötig“, erklärt die Telekom dazu.

So viele öffentliche Telefone gibt es noch

Einzelne Zahlen zu Standorten und Umsätzen nennt das Unternehmen nicht. Bundesweit sind noch rund 17.000 öffentliche Telefone in Betrieb. Durch die verstärkte Nutzung der Mobiltelefonie und die Versorgung der Haushalte mit Telefonanschlüssen ist die Zahl kontinuierlich zurückgegangen. „Wir beobachten ständig den Markt. Bei unseren Standort-Entscheidungen müssen wir abwägen zwischen dem öffentlichen Interesse an einer Versorgung mit frei zugänglichen Telefonen und den wirtschaftlichen Interessen unseres Unternehmens“, heißt es.

Extrem unwirtschaftliche Standorte werden in Rücksprache mit den Kommunen aufgegeben. „Eine bedarfsgerechte und flächendeckende Versorgung mit öffentlichen Telefonstellen wird allerdings nach wie vor von der Telekom sichergestellt.“ Vor allen an Bahnhöfen und Flughäfen werden die Apparate gut genutzt.

Mindestumsatz muss stimmen

Die Telekom nennt weniger als 50 Euro Umsatz im Monat als Marke. Der Umsatz sei ein klares Indiz dafür, dass der Bedarf an einer Stelle offensichtlich nicht mehr bestehe. Sollte es in Ausnahmefällen zu keinem Konsens mit der Kommune kommen, werde ein „deutlich günstigeres Basistelefon“ installiert.

Ein solcher Metallpfosten mit Telefon, das nicht über Münzeinwurf, sondern ausschließlich per Telefonkarte funktioniert, steht am Versmolder Rathaus. Früher gehörten gelbe Telefonzellen zum Stadtbild. Zu Hochzeiten gab es bundesweit mehr als 100.000 öffentliche Anlagen. Längst sind sie durch magenta-grau-farbene Telefonzellen abgelöst. Im April 2019 wurde das letzte gelbe Häuschen am bayerischen Königssee abgebaut. Für Telefon-Nostalgiker gibt es die Möglichkeit, eine Telefonzelle zu erwerben. Die Stele am Rathaus aber darf aus Sicht der Stadt keinesfalls zum Museumsstück avancieren.