Denkmal-Zoff: Jetzt meldet sich Steinhagens Altbürgermeister zu Wort

Herr Besser, sind Sie ein glücklicher Rentner? Klaus Besser: Der Eintritt in den Ruhestand war schon ein harter Schnitt, und gerade die Anfangsphase war wirklich gewöhnungsbedürftig. Meine Pensionierung fiel zusammen mit einem Lockdown Ende 2020. Man hatte plötzlich kaum noch soziale Kontakte, und es fanden keine Veranstaltungen mehr statt. Ich habe dann zu Hause gesessen und mich gefreut, wenn meine Frau zur Mittagspause nach Haus kam und wir ein Gespräch führen konnten. Diese Zeit ist glücklicherweise vorbei. Mittlerweile habe ich mich in meiner Rolle ganz gut eingefunden. Wie sieht eine Woche im Leben des Altbürgermeisters heute aus? Mir wird nicht langweilig. Wenn ich allein auf den Montag diese Woche schaue: Da stand ein Vorsorgetermin beim Hautarzt an, ich habe an einer Sitzung des Partnerschaftskomitees teilgenommen, wo über die Kontakte mit Steinhagens Partnerstädten gesprochen wurde, und mit meiner Frau habe ich den Wahlkampfauftakt von Olaf Scholz in Bielefeld besucht. Außerdem war ich bei meiner Sportgruppe. Ihnen wird also nicht langweilig? Nein, gar nicht. Ich bin gerne im Garten, nehme an Veranstaltungen teil und spiele mit meinen Enkelkindern, von denen ich zwei habe. Das dritte kommt im März. Da freue ich mich schon drauf. Außerdem ist während meiner Amtszeit im Haus vieles liegen geblieben. Das holen meine Frau und ich jetzt nach. Wir haben gleich nach meiner Pensionierung mit der Renovierung des Hauses begonnen. Zuerst haben wir das Wohnzimmer renoviert und dann die Bäder barrierefrei umgebaut und alte Wasserleitungen austauschen lassen. Das barrierefreie Badezimmer ist eine prophylaktische Maßnahme, nehme ich an? Ganz genau. Aber eine Renovierung stand ohnehin an und darum war das einfach sinnvoll. Ich halte mich fit, jogge immer noch regelmäßig und schaffe meine zehn Kilometer. Körperliche Ertüchtigung im Alter ist schon wichtig. Ich möchte gelenkig bleiben und meine Kondition behalten. Darum gehe ich jetzt zusätzlich zum Joggen in eine Senioren-Turngruppe der Spvg. Einmal im Monat gehen wir wandern. Letztens sind wir trotz des starken Schneefalls von Steinhagen bis zum Outletcenter nach Künsebeck marschiert. Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK Fahren Sie noch Motorrad? Nein, mein Motorrad habe ich im September 2020 verkauft an einen Rentner in Niedersachsen. Meine Biker-Freunde sind leider entweder verstorben oder fahren nicht mehr aus gesundheitlichen Gründen. Und alleine fahren macht keinen Spaß. Werden Sie auf der Straße noch immer von Bürgerinnen und Bürgern angesprochen? Ja, das ist immer noch so. Etwas salopp formuliert: einmal Bürgermeister, immer Bürgermeister. Den Titel legt man irgendwie nicht ab. Das finde ich aber völlig in Ordnung. Neulich hat mich eine Frau aus Brockhagen sogar mit &bdquo;Guten Morgen Herr Bundeskanzler“ begrüßt. So weit ist es aber noch nicht, auch wenn die SPD im Moment mit dem Slogan &bdquo;Besser für Deutschland“ wirbt. Was wollen die Steinhagenerinnen und Steinhagener von Ihnen wissen? Wie es mir geht. Und sie wollen wissen, wie ich das ein oder andere in der Politik finde. Und was ich von Maßnahmen in der Gemeinde halte. Meiner Wahrnehmung nach halten Sie sich aus öffentlichen politischen Diskussionen aber heraus. Das vermeide ich ganz bewusst. Wer jetzt in der Verantwortung steht, ob im Gemeinderat oder im Rathaus, muss die Politik nach außen vertreten. Es ist nicht meine Aufgabe, altkluge Ratschläge zu geben. Es gibt genug alte grauhaarige Männer, die meinen, sie wüssten alles besser. Ich artikuliere höchstens im persönlichen Gespräch meine Meinung zu dem ein oder anderen Thema. Ein Projekt, mit dem Sie und Ihre Frau Petra Holländer jetzt wieder öffentlich in Erscheinung treten, ist das Friedensdenkmal. Dazu würde ich schon gerne Ihre Meinung hören. Wundert es Sie, dass das Thema so viel Feedback in der Bevölkerung hervorruft? Das mag jetzt vielleicht überraschend klingen, aber die öffentliche Diskussion erfüllt meine Frau und mich mit großer Freude. Wir haben ja bereits in unserem gemeinsamen Bürgerantrag für das Denkmal im Sommer 2023 geschrieben, dass wir uns genau so eine breite öffentliche Diskussion wünschen. Natürlich akzeptiere ich auch Stimmen, die sagen: So ein Friedensdenkmal brauchen wir in Steinhagen nicht; das Kriegerdenkmal vor der Dorfkirche reicht uns. Aber allein, dass sich die Menschen Gedanken zu dem Thema machen, beweist doch, dass es ein wichtiges Thema ist. Glauben Sie, dass der Ukraine-Krieg diese Diskussion befeuert? Das glaube ich schon. Die Menschen fragen sich: Ist es vorstellbar, dass hier bei uns auch mal wieder Krieg sein könnte. Frieden und Friedenssicherung sind zukunftsorientierte Dauerthemen. Man muss in der Zukunft dafür eintreten, dass wir weiterhin in einer friedlichen Gesellschaft leben. Sowohl im Inneren als auch im Äußeren. Was meinen Sie mit innerem Frieden? Wir leben in einer vielfältigen Gesellschaft, in einem bunten Steinhagen. Trotzdem gibt es natürlich Stimmen, denen das zu viel ist. Menschen, die sagen, wir wollen hier lieber unter uns bleiben. Auch die Spaltung der Gesellschaft ist plötzlich ein Thema in Steinhagen und gefährdet den inneren Frieden. Möglicherweise treibt die Diskussion um das Friedensdenkmal die Spaltung der Gesellschaft zusätzlich an. Es kommt drauf an, in welcher Art und Weise die Diskussion geführt wird. Wenn es unsachlich wird, finde ich das unpassend. Finden Sie den Vorwurf unsachlich, ein Friedensdenkmal sei &bdquo;rausgeschmissenes Geld“? Das ist zumindest ein spannender Punkt. Es hat doch niemand behauptet, dass so ein Denkmal überhaupt Geld kosten muss. Zumindest keine Steuergelder. Es stehen gar keine Mittel dafür im Haushalt bereit. In unserem Bürgerantrag geht es auch gar nicht darum, dass Mittel für ein Denkmal zur Verfügung gestellt werden. So etwas kann über Spenden, Sponsoring oder ein Crowdfunding finanziert werden. Wobei in dem Zusammenhang ja ständig von den 10.000 Euro die Rede ist, die im Haushalt für Kunst im öffentlichen Raum bereitsteht. Ja, stimmt. Auch dieses Budget ist nicht unumstritten. Die Streichung dieser Mittel ist allerdings erst 2023 einstimmig abgelehnt worden. Persönlich halte ich Kunst im öffentlichen Raum für unverzichtbar. Es gibt Stimmen, die werfen Ihnen vor, sich buchstäblich ein Denkmal setzen zu wollen. Das ist Quatsch. Ich bin ein absoluter Gegner von Personenkult und befinde mich damit in Steinhagen in guter Tradition mit meinen Vorgängern. Es gibt nicht zufällig keine Ahnengalerie im Rathaus, und es gibt auch keine Straßennamen oder Plätze, die nach Politikern benannt sind. So etwas brauchen wir nicht. Lesen Sie auch: Umfrage zum Steinhagener Friedensdenkmal: Bürgermeisterin schaltet sich ein Was sagen Sie zum Argument, ein Friedens- beziehungsweise Gegendenkmal würde die Bedeutung des Kriegerdenkmals entkräften? Einige haben offenbar den Eindruck, wir wollen das Kriegerdenkmal vor der Dorfkirche weghaben. Das geht überhaupt nicht. Das Kriegerdenkmal steht unter Denkmalschutz. Es ist ein Ausdruck eines Zeitgeistes aus der Kaiserzeit, einer Monarchie und Diktatur. Solche Denkmale muss man nach der Auffassung meiner Frau und mir erhalten. Man muss den Menschen zeigen, dass man 1906 in Steinhagen und ganz Deutschland so gedacht hat: dass der Krieg glorifiziert wird und dass man den Heldentod fürs Vaterland sterben kann. Das Denkmal muss man erhalten, um deutlich zu machen, wie die Menschen vor 120 Jahren getickt haben. Wir wollen dem Kriegerdenkmal ein Denkmal entgegensetzen, das der Zukunft zugewandt ist und das uns daran erinnert, wie wertvoll der Frieden ist. Aktuell läuft ein Ideen-Wettbewerb. Was erhoffen Sie sich? Es muss gar nicht unbedingt ein Denkmal im klassischen Sinne sein - also kein Friedensengel, der auf einem Sockel steht. Es kann ja auch ein Meetingpoint sein, wo ich über eine Webcam Friedensgrüße in die Welt schicken kann. Oder eine Installation, in der ich ein Selfie machen kann. Es könnte ein Ort sein, an dem die Menschen kreativ werden, indem sie ihre Friedensbotschaften hinterlassen. Ich finde übrigens auch die Idee von Jonas Bracht gut, der über einen QR-Code eine Spendenmöglichkeit für Kriegsopfer vorgeschlagen hat. Das ist eine tolle Idee. (Jonas Bracht von der FPD hat eine Umfrage zum Friedensdenkmal bei Facebook vorgestellt und damit die Debatte erneut befeuert, Anm. d. Red.). Ich wäre übrigens erfreut, wenn sich auch Jugendliche am Ideenwettbewerb beteiligen, die das Thema womöglich ganz anders angehen als ein fast 65-jähriger Altbürgermeister. Meine Frau und ich haben lediglich den Anstoß für ein Friedensdenkmal gegeben.

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