Endstation Räumungsklage: Zahl der Obdachlosen in Steinhagen steigt rapide

Steinhagen. Beim Stichwort &bdquo;Obdachlose“ denkt man an Großstädte. Zuletzt wurde bundesweit berichtet, dass die Zahl der Wohnungslosen rapide steigt. Mehr 600.000 Menschen haben hierzulande nach aktuellen Statistiken keine Wohnung, 50.000 davon leben auf der Straße. Nach Zahlen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) stiegen die Zahlen innerhalb nur eines Jahres um 60 Prozent. Was nur wenige wissen: Die Entwicklung betrifft auch Steinhagen. Auch hier gingen die Zahlen zuletzt in die Höhe. &bdquo;Bis Ende 2022 hatten wir in unserem Wohnheim immer eine Jahresendbelegung von neun Personen“, erläutert Marlon Simon, stellvertretender Leiter des Ordnungsamtes auf HK-Anfrage. Schon diese Zahl sei recht hoch gewesen, zuvor habe man es in der Gemeinde eigentlich nur mit der &bdquo;Stammbelegschaft“ von etwa einem halben Dutzend Personen zu tun gehabt. &bdquo;Zum Jahresende 2023 ist die Zahl dann auf elf angestiegen. Aktuell sind wir sogar bei 14 Personen“, so Simon. Die Gründe für Obdachlosigkeit seien vielfältig. &bdquo;Es gibt die kurzfristige Obdachlosigkeit nach einem Betretungsverbot“, so Simon. Dem können familiäre Streitigkeiten vorausgegangen sein. &bdquo;Die Hauptgründe sind aber Räumungsklagen. In der Regel geht es dann um Mietrückstände und der Mieter findet keine passende Wohnung.“ Kontrolle verloren, aus der JVA entlassen, verklagt &bdquo;Aufgrund der Nähe zur JVA gibt es auch immer wieder Leute, die aus der Haft entlassen werden und nichts haben“, so der Rathausmitarbeiter. Grundsätzlich gelte: Obdachlosigkeit ist da zu beseitigen, wo sie entsteht. Auch wenn die letzte Meldeadresse einer Person in München liege, kümmere sich immer die Kommune, wo sie auffalle. Im Falle der Räumungsklagen würde das Rathaus informiert. &bdquo;Es kommt aber auch vor, dass Menschen nachts auffallen und wir kontaktiert werden“, so der stellvertretende Amtsleiter. &bdquo;Es gibt aber auch Personen, die wollen nicht in ein Wohnheim. Die wollen auf der Straße bleiben.“ So einen Fall habe es vor einiger Zeit in Brockhagen gegeben. Ein Mann habe kurzzeitig in einer Bushaltestelle gehaust, bevor er weitergezogen sei. Warum die Zahl der Obdachlosen steigt, kann Marlon Simon nicht mit Sicherheit sagen. &bdquo;Wenn man das wüsste ... Überwiegend geht es auf jeden Fall um Räumungen“, so der Rathausmitarbeiter. Und zuletzt sei die Unterbringung nach der Räumung immer öfter alternativlos gewesen. Zum Teil hätten die Menschen in der Gemeinde keine passende Wohnung finden können. Insgesamt ist der Mietmarkt in Steinhagen relativ angespannt. Wer finanzschwach ist oder sogar einen Schufa-Eintrag habe, habe kaum Chancen zum Zug zu kommen. Stellvertretender Ordnungsamtsleiter berichtet Untergebracht werden Wohnungslose in Steinhagen grundsätzlich im Wohnheim an der Patthorster Straße. Dort leben in einem Trakt die 14 Obdachlosen, in einem anderen 39 Geflüchtete. Das 60 Jahre alte Gebäude befindet sich in einem schlechten Zustand, es soll abgerissen werden. &bdquo;Wir haben dort Leute, die sagen, das ist für mich die passende Wohnform. Aber die Mehrzahl findet nichts anderes“, so Simon. Die Auslastung liege derzeit bei rund 80 Prozent. &bdquo;Es wird eng“, statuiert er. Sollten die Zahlen weiter steigen, müsse man über eine Doppelbelegung von Zimmern nachdenken. Angesichts der teilweise schwierigen psychischen Verfassung der Bewohner nicht erstrebenswert. Räumungen sind auch deutschlandweit der größte Faktor für Wohnungslosigkeit, hat die BAGW erhoben. 57 Prozent der Betroffenen verloren ihre Wohnung aufgrund einer Kündigung. 21 Prozent scheiterten an Miet- und Energieschulden, 20 Prozent gaben an, dass Konflikte im Wohnumfeld sie &bdquo;auf die Straße“ getrieben hätten. Auch Trennungen spielen mit 16 Prozent eine Rolle. Probleme verbinden. Im Obdachlosenheim gebe es durchaus eine gewisse Solidarität, weiß Marlon Simon, der immer wieder selbst vor Ort ist. &bdquo;Grundsätzlich hilft man sich. Die Stammbelegschaft nimmt die Neuen auf. Man tut sich zusammen, zum Beispiel um gemeinsam zur Tafel zu fahren“, berichtet er. &bdquo;Es sind immer die gleichen Hardliner“ Natürlich gebe es auch Reibereien. &bdquo;Aber es sind immer die gleichen Hardliner, die anecken.“ Verbale Entgleisungen und leichtere Handgreiflichkeiten kämen vor. &bdquo;Schlimmeres hatten wir aber noch nicht“, so der Rathausmitarbeiter. Im Haller Obdachlosenheim war 2020 ein Mann getötet worden. Zur Stammbesetzung des Wohnheimes gehören auch zwei Frauen, weiß Simon. Einzig Kinder würden dort - angesichts der schwierigen Wohnsituation - grundsätzlich nicht untergebracht. Eine Mutter mit Kind, die derzeit ohne Wohnsitz ist, wurde deshalb in einem der Übergangswohnheime für Geflüchtete einquartiert. &bdquo;In der Unterkunft Patthorster Straße wohnen nur Alleinlebende“, sagt er. &bdquo;Früher gab es dort auch Mal Eheleute oder Eltern mit erwachsenen Kindern.“ Das sei aber schon länger nicht mehr der Fall. Umsonst ist das Wohnheim übrigens nicht. Je nach Größe zahlen die Bewohner für ihre Unterbringung. Kleinere Zimmer kämen auf etwa 150 Euro, größere Wohnbereiche auf bei zu 350 Euro. &bdquo;Das rechnen wir spitz ab“, so Marlon Simon. Mancher Bewohner gehe arbeiten und könne so etwas zu seiner Unterkunft beitragen, die meisten seien aber auf Sozialleistungen angewiesen.

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