Betonklotz: Rätselraten um geheimnisvollen Turm mitten im Steinhagener Wald

Steinhagen. Der Blick schweift von der Straße zum Quellental aus über den Hang des Teutoburger Waldes, der in diesen Wochen in sattem Grün erstrahlt. An einer Stelle stockt der Blick. Nanu. Was ist denn das? Ganz oben auf dem Berg befindet sich ein kleines Gebäude. Ein würfelartiger Bau. Einer, zu dem aber ganz offensichtlich keine Straße führt, nicht mal ein Weg. 20 schweißtreibende Minuten und einige unfreiwillige Rutschpartien später ist der Anstieg zum mysteriösen Turm geschafft. Keine Frage: Der Klotz muss schon ein Weilchen hier stehen. Der Beton bröckelt. Moos und Graffiti zieren die Wände. Das einzige Fenster ist mit drei dicken Streben verschlossen worden. Wie tief es im Inneren hinuntergeht, lässt sich nur erahnen. Ein Boden ist zumindest nicht zu erkennen. Zwei Meter? Drei? Womöglich noch viel tiefer? Die Wände im Inneren sind in hellem Blau gestrichen. An der Wand gegenüber dem Fenster hängt ein Schild, das verrät, wer hier offenbar haust. "Bitte nicht stören, wir halten Winterschlaf. Tschüss bis zum Frühjahr!", steht da geschrieben. Dazu zwei Zeichnungen von Fledermäusen. Alles klar. Wir wollen nicht stören und rutschen zurück ins Tal. Für eine Fledermaushöhle ganz schön luxuriös, und leben die da wirklich? Die Spurensuche zu diesem Lost Place, neudeutsch für vergessener Ort, geht weiter. Turm wurde 1936 erbaut Erste Vermutung angesichts der dicken Betonwände und der Brüstung auf dem Dach des Turms, von der man Richtung Steinhagen blickt: Das kann nur irgendetwas Militärisches sein, vielleicht eine Festung mit Schießscharte. Anruf bei Udo Waschkowitz, dem Vorsitzenden des Heimatvereins Steinhagen: Herr Waschkowitz, wozu die Festung im Teutoburger Wald? Der schmunzelt und löst auf: "Das ist keine Festung, es handelt sich um einen Teil des Wasserwerks für die Wohnsiedlung Heimchen unterhalb des Berges." Das Gebäude sei natürlich schon längst nicht mehr in Betrieb, befände sich aber nach wie vor im Eigentum der Steinhagener Gemeindewerke, berichtet der Heimatvereinsvorsitzende. Darauf angesprochen muss der Geschäftsführer der Gemeindewerke nicht lange überlegen. "Sie meinen den alten Wasser-Hochbehälter oben im Teuto", macht es bei Stefan Lütgemeier sofort klick. Dann kommen wir des Rätsels Lösung näher. "Der Hochbehälter wurde 1936 gebaut und war Teil der Wassergenossenschaft Heimchen." Gebäude diente als Wasserspeicher Heimchen - so heißt die Arbeitersiedlung östlich der Bielefelder Straße, die anfangs über ihre eigene Wasserversorgung verfügte. Das Wasserwerk befand sich an der Osterfeldstraße. "Immer wenn die Pumpen mehr Wasser förderten als die Kunden verbrauchten, füllte sich der Hochbehälter im Wald. Auf diese Weise wurde der Druck auf der Leitung stabil gehalten", erklärt Stefan Lütgemeier. 1954 wurde das Wasserwerk Heimchen in den Betrieb der Gemeinde Steinhagen eingegliedert und damit auch der Hochbehälter. Noch bis 1984 blieb es am Netz. Dann wurde das System durch das leistungsfähigere Wasserwerk Patthorst ersetzt. Lesen Sie auch: Nahe des Borgholzhausener Steinbruches gibt es eine geheimnisvolle Ruine Der Turm hat ein Fassungsvermögen von rund 25 Kubikmetern, weiß Stefan Lütgemeier. Über die Tiefe des Gebäudes kann er nur Mutmaßungen anstellen: "So drei, vier Meter könnten das schon sein." Winterquartier für Fledermäuse Auf jeden Fall ausreichend Platz für die neuen Bewohner des einstigen Hochbehälters. Denn wie Lena Baron, Pressesprecherin des Kreises Gütersloh, bestätigt, dient der Betonklotz im Wald inzwischen Fledermäusen als Unterschlupf. "Die Hochbehälter wurden in Zusammenarbeit zwischen Unterer Naturschutzbehörde und Gemeinschaft für Natur- und Umweltschutz 2001 als Fledermausquartiere hergerichtet. Sie dienen dem Braunen Langohr, der Wasserfledermaus, der Fransenfledermaus, der Teichfledermaus und dem Großen Mausohr als Winterquartier", berichtet Lena Baron. "Im Sommer nutzen nicht nur Fledermäuse, sondern auch Vögel die Behälter, um dort den Tag beziehungsweise die Nacht zu verbringen. Vor allem, wenn es sehr heiß ist." Bei passender Witterung werden Bestandskontrollen durchgeführt. "Zu anderen Zeiten und durch andere Personen dürfen die Behälter nicht betreten werden, um die Tiere nicht zu stören", berichtet Lena Baron weiter. Darum bittet sie auch darum, um die Hochbehälter im Wald einen Bogen zu machen. "Das sind keine Ausflugsziele", warnt Lena Baron. "Durch Menschen fühlen sich die Tiere erheblich gestört."

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