Zweiter Anlauf in den Ruhestand: Steinhagener Arzt verabschiedet sich

Steinhagen-Brockhagen. Es ist bereits Klessings zweiter Anlauf in den Ruhestand. Beim ersten Mal war er von Rheinland-Pfalz ins ostwestfälische Kölkebeck gezogen und wollte die stressige Zeit als Internist mit eigener Praxis und Abteilung in einem Belegkrankenhaus hinter sich lassen. Dann überredete ihn Altbürgermeister Heinrich Consbruch, für den erkrankten und inzwischen verstorbenen Dr. Claus Amelung in dessen Brockhagener Hausarztpraxis einzuspringen. Später übernahm Klessing die Praxis an der Claudiusstraße und holte vor eineinhalb Jahren Dr. Anja Brinkmann mit ins Boot. &bdquo;Ich habe damals sehr schnell festgestellt, dass mir das Arbeiten in einer Landarztpraxis Spaß macht und dass mich die Patienten hier annehmen", erinnert sich Dr. Michael Klessing. In Kölkebeck sei der Zugezogene nicht viel unter Menschen gekommen, &bdquo;aber als Arzt kannte ich plötzlich ganz viele Leute". Anders als während seiner Zeit als Internist in einer Klinik habe er in Brockhagen über die Jahre eine Beziehung zu den Patienten aufbauen können. Die Arbeit sei &bdquo;persönlicher" gewesen. Für den erfahrenen Mediziner ganz klar ein Vorteil in der täglichen Arbeit, den er durchaus als Plädoyer für die klassische Landarztpraxis verstanden wissen will. Im Frühjahr 2020 brauten sich in seiner Praxis dunkle Wolken zusammen, als die Vorläufer der Corona-Pandemie ausgerechnet in Brockhagen ankamen. Einige Ischgl-Rückkehrer hatten sich beim Skiurlaub mit dem neuartigen Virus infiziert, und standen plötzlich in den Behandlungsräumen von Dr. Klessing. Prompt steckte sich eine seiner Sprechstundenhilfen ebenfalls an. &bdquo;Wir waren die erste Praxis im Kreis Gütersloh, die unter Quarantäne gestellt wurde", berichtet Dr. Klessing. Er selber blieb vom Virus verschont. &bdquo;In so einer Ausnahmesituation lernt man als Arzt ständig dazu. Das ist aus medizinischer Sicht natürlich auch spannend", sagt der 74-Jährige. &bdquo;Aber natürlich hätte ich zum Ende meiner Laufbahn auf eine Pandemie sehr gut verzichten können", schiebt er hinterher. Zumal das Gesundheitssystem schonungslos seine Schwächen offenbarte. &bdquo;Ich weiß noch, wie wir zu Beginn der Pandemie Masken und Schutzkitteln hinterhergelaufen sind." Einmal Arzt, immer Arzt Andererseits habe die Medizin in seiner 46-jährigen Karriere als Arzt beeindruckende Fortschritte gemacht. &bdquo;Die Möglichkeiten, die wir heute mit bildgebenden Verfahren wie CT und MRT haben, sind enorm", nennt Dr. Michael Klessing ein Beispiel. Sein Fachgebiet, die Innere Medizin, habe sich in den zurückliegenden Jahrzehnten immer weiter spezialisiert, so der Internist, der während seiner Laufbahn schätzungsweise 20.000 Magenspiegelungen durchgeführt hat. Und natürlich habe auch die Digitalisierung Einzug in die Praxen gehalten. So manche Operation nach Feierabend galt neuen Computerprogrammen. Die Praxis wird vom kommenden Jahr an Dr. Anja Brinkmann alleine fortführen. &bdquo;Grundsätzlich wäre es aber schön, wenn wieder jemand mit einsteigt", so Dr. Brinkmann. Der Bedarf sei auf jeden Fall da. Doch junge Ärzte fehlen. Darum setzt sie langfristig Hoffnungen in die neue medizinische Fakultät an der Universität Bielefeld. &bdquo;Doch bis die ersten fertig ausgebildeten Mediziner die Uni verlassen, wird es noch Jahre dauern", weiß die Ärztin. Und Dr. Klessing? Der plant diesmal einen echten, komplikationslosen Ruhestand und will mit seiner Frau, die inzwischen auch nicht mehr arbeitet, mehr unternehmen. Außerdem hat das Paar Schafe, Ponys, Hühner und Hunde, die versorgt werden müssen. &bdquo;Ich habe mich allerdings dafür gemeldet, bei Bedarf im Impfbus mitzuhelfen", fügt Dr. Klessing schmunzelnd hinzu. Einmal Arzt, immer Arzt.

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