
Steinhagen. Landschaftsarchitekt Jürgen Edenfeld hat die aus Cortenstahl hergestellte Stele als gestalterisches Element am Straßenrand aufstellen lassen. Sie erinnert an eine Zollstation, die sich hier 1556 befunden hat. Die Form symbolisiert einen Stuhl, auf dem einst der Zöllner gesessen haben könnte, wie Jürgen Edenfeld erklärt. Zwischen der Stele und den Brinkhaus ist zudem eine Stahlplatte in den Boden eingebaut worden, die den heruntergelassenen Schlagbaum darstellt. Etliche Passanten sind bereits darüber spaziert, ohne zu wissen, dass sie hier gerade eine ehemalige Grenze passieren.
Eine Grenze mit Zollstation mitten in Steinhagen? Um das zu verstehen, muss man eine Zeitreise ins 16. Jahrhundert unternehmen, als es noch die beiden Bauernschaften Ober- und Niedersteinhagen gab und der Graf von Ravensberg herrschte. „Die Jahreszahl 1556, die auf der Stele verzeichnet ist, nimmt Bezug auf die erste aktenkundige Erwähnung einer Zollstation an dieser Stelle", erklärt Jürgen Obelode vom Arbeitskreis Geschichte des Steinhagener Heimatvereins.
Im Ravensberger Urbar von 1556, einem Verzeichnis über die Besitzrechte in der Grafschaft Ravensberg in der Frühen Neuzeit, findet sich die entsprechende Textstelle. Dort ist von einem Johan uf dem Brinck die Rede, der als Baumhoider tätig war. „Baumhoider muss man als Baumhalter übersetzen. Und mit Baum ist hier natürlich ein Schlagbaum gemeint", übersetzt Gemeindearchivarin Petra Holländer, die sich gemeinsam mit Jürgen Obelode auf Spurensuche begeben hat.
"Hier machte ein Schlagbaum Sinn"
Dass sich der Schlagbaum an der Stelle befunden haben soll, an der Landschaftsarchitekt Jürgen Edenfeld die Stele hat aufstellen lassen, liegt laut Jürgen Obelode nahe: „Hier verlief damals die Grenze zwischen Ober- und Niedersteinhagen. Und es handelte sich um eine besonders enge Durchfahrt, an der ein Schlagbaum deshalb am meisten Sinn gemacht hat."
Unter Obersteinhagen verstand man damals den im nördlichen Teil Steinhagens gelegenen Freien Hagen, wo sich Mitte des 16. Jahrhunderts 14 Höfe befanden. „Mit dem Bereich im Osten, den wir heute als Obersteinhagen bezeichnen, hatte das nichts zu tun", betont Jürgen Obelode. Zu Niedersteinhagen wurden jene 28 Höfe gerechnet, die ehemals in Herforder Besitz waren, aber auch einige Höfe auf dem Ströhen.

Welchen Zweck die Zollstation erfüllte – darüber können Jürgen Obelode und Petra Holländer nur spekulieren. Möglicherweise mussten hier Abgaben an den Graf von Ravensberg gemacht werden. Wahrscheinlicher ist, dass an der Grenze Wegezölle erhoben worden sind. Zu dem Thema hat der Dorf- und Heimatverein Isselhorst geforscht und herausgefunden, dass der Kreis Bielefeld zur Unterhaltung wichtiger Kreisstraßen so genannte Chausseegelder erhob. Zu diesem Zweck habe man Stellen mit einem Schlagbaum eingerichtet, an denen diese für die Infrastruktur benötigten Gelder kassiert wurden. „Für ein an der Hand geführtes Pferd, einen Ochsen oder eine Kuh mussten zwei Pfennig und für ein bespanntes Fuhrwerk fünf Pfennig gezahlt werden. Für einen gefederten Wagen war ein Groschen, gleich zehn Pfennig, fällig", schreiben die Isselhorster Heimatkundler.
Schluss mit den Durchfuhrzöllen
Nördlich von Steinhagen befanden sich bekanntlich gleich mehrere solcher Stationen, die Schlingen (damalige Bezeichnung für Schlagbäume) hießen. Noch heute kündet die Bezeichnung „Schlingen" von jener Zeit. Im Dreischlingen befindet sich heute ein Bordell, das Steinhagener Landhaus. Das Zweischlingen ist ein beliebtes Veranstaltungszentrum mit angeschlossener Gastronomie. Historische Fotos vom Dreischlingen zeigen, wie es damals auch an der Zollstation an der Straße Am Markt ausgesehen haben könnte.

1818 schafften die preußischen Reformer die Binnen- und Durchfuhrzölle ab. „Die Vielfalt innerer Grenzen, die eine aus so vielen Territorien zusammengesetzte Region wie die Provinz Westfalen durchzogen, wurde abgebaut", zitiert Petra Holländer aus einem Beitrag in dem Buch „Westfälische Geschichte – das 19. und das 20. Jahrhundert". Auf dieses Ereignis weist die zweite auf der Stele verewigte Jahreszahl von 1820 hin.