Steinhagen. Wenige Tage nach der Tat kann die Polizei schon einiges mehr über den nächtlichen Anschlag auf die Volksbank sagen. Gegen vier Uhr hatten in der Nacht zu Dienstag zwei Männer einen Automaten aufgebrochen und – offenbar mit erheblicher Sachkenntnis – eine Bombe deponiert, die elektrisch gezündet werden sollte.
Wie Polizeisprecher René Schmidt nun auf HK-Nachfrage erläuterte, geht man mittlerweile davon aus, dass die Täter vom Martinshorn einer Streife aufgeschreckt worden sind. „Die sind wohl gestört worden, durch Polizeikräfte im Nahbereich, die aber nichts damit zu tun hatten", erklärt er. Durch Zufall wurde die Explosion so verhindert.
Solche Profis würden ihre Umgebung sehr genau beobachten und nahende Polizei oft schon am schnellen Fahrgeräusch erkennen. Dieser Zufall sei großes Glück gewesen. „Man will sich nicht ausmalen, wie es sonst im Gebäude ausgesehen hätte", so der Polizeikommissar.
Zigarrenkistengroßer Kasten mit Sprengstoff
Für die Gütersloher Beamten ist der Sprengungsversuch alles andere als Alltag. „Das war ein neuer Modus Operandi", sagt Schmidt. „Im Kreis Gütersloh hat es bisher nur Tatausführungen mit Gas gegeben. So etwas ist neu für uns." Die Täter hatten einen etwa zigarrenkistengroßen Kasten mit Festsprengstoff verwendet.
Die Methode spreche für eine hohe Professionalisierung. „Wir können davon ausgehen, dass die Täter ganz genau wussten, wie sie vorgehen mussten", so der Pressesprecher. Solche Tätergruppen seien technisch geschult, wüssten wie ein Geldautomat funktioniert, wie man an die stark gesicherte Geldkassette herankommt und wo die Sprengladung platziert werden muss.
Kommission HEAT hat Ermittlungen übernommen
Um die weiteren Ermittlungen kümmert sich die Kommission HEAT des Landeskriminalamtes, die sich ausschließlich mit Geldautomatensprengungen befasst. Ein Sprecher des LKA bestätigt die professionellen Strukturen. „Wir haben Hinweise darauf, dass nach wie vor ein Großteil der Täter aus den Niederlanden, aus den Bereichen Utrecht und Amsterdam kommt", so der Sprecher. Für den kriminellen Grenzverkehr gebe es mehrere Gründe. Zum einen sei das Geldautomatennetz in den Niederlanden sehr viel dünner, als in Deutschland. Das liege daran, dass die Niederländer deutlich mehr mit Karte bezahlten. „Außerdem haben die Niederländer ein anderes Präventionskonzept", so das LKA. Dort sei es aus Sicherheitsgründen seit einiger Zeit üblich, das Geldautomaten nachts nicht zugänglich sind. Ergo müssten die Täter ausweichen.
Das zeige sich auch in der Statistik. „Wir haben hohe Fallzahlen in diesem Jahr, deutlich höher als zuvor." Im gesamten Jahr 2019 hatte es in NRW 104 Geldautomaten-Sprengungen und 53 Versuche gegeben. In diesem Jahr waren es bereits 92 Sprengungen und 54 Versuche. Sollte die Quote so bleiben, würde sich die Häufigkeit verdoppeln.
Über die Automatensprenger-Banden ist mittlerweile einiges bekannt. So schlagen sie grundsätzlich um die selbe Zeit zu. Zwischen drei und fünf Uhr nachts ist die Stadt leer. Nur so können sie sicherstellen, dass sie mit den leistungsstarken Fluchtwagen, die sie verwenden, schnell flüchten können. Auch die Nähe zur Autobahn ist für die Flucht hilfreich. Sowohl bei ihrer oft „halsbrecherischen" Flucht, als auch bei ihren Sprengungen sind die Banden wenig zimperlich. „Sie nehmen hohen Sachschaden billigend in Kauf", so der LKA-Sprecher. Selbst die Möglichkeit, das Menschen verletzt würden, bestünde.
Pavillon in Rheda in Schutt und Asche gelegt
Erst Anfang Mai hatten Kriminelle – offenbar mit Gas – einen Geldautomaten-Pavillon der Volksbank in Rheda-Wiedenbrück gesprengt. Tatzeit: 4:35 Uhr. Der Pavillon wurde völlig zerstört, Autos im Umkreis in Mitleidenschaft gezogen. Die Täter flüchteten laut Zeugenbericht mit quietschenden Reifen in einem schweren Audi A5. Verletzt wurde bei der Sprengung glücklicherweise niemand.
Trotzdem stellt sich die Frage, ob sich das Risiko für Anwohner nicht senken ließe, würde man auch in Deutschland mehr Banken nachts schließen. Im Gebäude am Steinhagener Marktplatz, in dem die Volksbank sitzt, wohnen mehr als 50 Menschen. Ein tatsächliche Sprengung hätte hier deutlich schlimmere Folgen habe können, als auf dem Parkplatz in Rheda-Wiedenbrück. Polizeikommissar René Schmidt bestätigt die These. „So hätte den Tätern eine Barriere mehr zu schaffen gemacht." Gut möglich, dass sie es gar nicht erst versucht hätten.
Auch die Volksbank erkennt dieses Risiko. „Bereits jetzt sind einige Standorte zwischen 23 und 5 Uhr geschlossen", erklärt Dennis Will, Sprecher der Volksbank Bielefeld-Gütersloh. Tatsächlich prüfe man auch die Option, die Filiale am Markt nachts zu schließen. Allerdings sei sie durchaus auch nachts frequentiert, zum Beispiel von Unternehmern, die die Tageseinnahmen einzahlten. Das könne man mit Zahlen belegen.

Bereits jetzt verwende sein Institut verschiedene zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen, von Einfärbe- über Gas-Safe-Systemen bis hin zur Erschütterungserkennung. Welches wo zum Einsatz komme, werde er nicht öffentlich machen. Auch dazu, wie viel Geld in den Automaten vorrätig ist, werde er nichts sagen. „Wir versuchen die Summe gering zu halten, um Sprengungen unattraktiv zu machen, trotzdem muss die Bargeldversorgung gesichert sein", so Will.
Der finanzielle Schaden der Volksbank ist auf jeden Fall übersichtlich. Das Institut ist für solche Fälle versichert, bestätigt der Sprecher. Die Volksbank Bielefeld-Gütersloh betreibt 85 Geldausgabeautomaten im Kreisgebiet.
Um Ihren Kommentar abzusenden, melden Sie sich bitte an.
Sollten Sie noch keinen Zugang besitzen, können Sie sich hier registrieren.