Das Steinhagener Tourismusunternehmen Runa Reisen trifft die Krise besonders hart. Das Team muss gebuchte Urlaube im Wert von fast einer Million Euro rückabwickeln.
Steinhagen. Das Geschäftsjahr begann vielversprechend. „Wir hatten im Vergleich zum Vorjahr ein zweistelliges Plus bei den verkauften Reisen", berichtet Karl B. Bock. Er hat das Unternehmen mit aufgebaut, teil sich mit Falk Olias die Geschäftsführung des Reiseanbieters, der sich auf Kunden mit Behinderungen spezialisiert hat. Von Steinhagen aus organisieren die neun Mitarbeiter Urlaube für Rollstuhlfahrer und Pflegebedürftige. Doch seit Ausbruch der Corona-Pandemie kann vorerst niemand mehr in den Urlaub fahren.
„Alles begann mit der Absage der Touristikmesse ITB in Berlin Anfang März. Kurz danach brach das Geschäft total zusammen und die ersten Kunden sagten ihre Reisen ab", erzählt Bock. Seitdem bearbeiten er und sein Team die hereinkommenden Stornierungen. Auf dem Papier ist das Vorgehen klar geregelt: Laut Pauschalreiserecht hat der Gast einen Anspruch auf Rückzahlung der vollen Summe innerhalb von zwei Wochen. In der Praxis ist das für Runa Reisen kaum umzusetzen.
"Fluggesellschaften stellen sich tot"
„Denn bevor wir das Geld an unsere Kunden zurückgeben können, müssen wir es jetzt erst mal innerhalb kürzester Zeit von unseren Partnern in aller Welt zurückfordern. Denn viele erhalten bereits im Vorhinein ihr Geld", erklärt Karl. B. Bock. Doch genau diese Rückforderung sei oft gar nicht möglich. „Einige Fluggesellschaften stellen sicht tot, andere bieten uns nur zeitlich begrenzte Gutscheine an", berichtet Bock. Viele Hotels im Ausland berufen sich ebenfalls auf die in ihren Ländern praktizierte Gutscheinlösung.
In Deutschland hat die Bundesregierung die Gutscheinregelung allerdings anders als viele europäische Länder noch nicht beschlossen. Verbraucherschützer lehnen das Prozedere ab. „Bei uns wartet man noch darauf, dass die EU das Gutscheinmodell absegnet. Brüssel hat aber bisher keine Entscheidung getroffen", beschreibt Karl B. Bock die Situation. Er hat sich in den vergangenen Tagen hilfesuchend an heimische Bundestagsabgeordnete gewandt. Die Antworten seien in der Gutschein-Frage aus seiner Sicht sehr ernüchternd gewesen.
Kunden sollen Reisen auf späteren Zeitpunkt umbuchen
„Für uns bedeutet das, dass wir bis zu 400.000 Euro vorfinanzieren müssen, damit wir das Geld an unsere Kunden zurückgeben können." Für vergleichsweise kleine Unternehmen wie Runa Reisen sei das eine dramatische Situationen. „Wir stehen gerade mit dem Rücken zur Wand."
Bock und sein Partner Falk Olias haben reagiert und Kurzarbeit für ihr Unternehmen angemeldet. Außerdem haben sie Soforthilfe vom Land angefordert. 15.000 Euro stehen in Aussicht. Und sie haben mit ihren Mitarbeitern ein Video gedreht, indem sie ihren Kunden die schwierige Situation schildern.
„Fordern Sie Ihr Geld nicht zurück, sondern buchen Sie auf einen späteren Zeitpunkt um oder wählen sie einen Reisegutschein", bittet Karl B. Bock darin die Kunden. „So helfen Sie uns und unseren Partnern, damit wir auch künftig unseren Service anbieten können." Erste Reaktionen seien positiv.
Wie es im Tourismus weiter geht, kann auch Karl B. Bock nur mutmaßen. „Wir hoffen, dass diesen Sommer zumindest innerhalb Deutschlands noch Reisen möglich sein werden." Könne Runa Reisen ab Juli immer noch keine Neubuchungen abschließen, werde es für das Unternehmen „echt kritisch". „Dann befürchte ich ein dramatisches Veranstaltersterben in unserer Branche."
Die Baustelle an der Hauptverbindungsstraße in Steinhagen wird zum Schleichweg. Viele sind deutlich zu schnell unterwegs. Ein Ratsherr sieht eine „akute Gefährdung“ für Fußgänger - und wird aktiv.