Steinhagen. »Aber bitte mit ohne« titelt das neue Programm des Wortkünstlers. Als Träger des Deutschen Kleinkunstpreises ist er mit einer der höchsten Würden ausgezeichnet, die einem Kabarettisten hierzulande zuteil werden kann. Tatsächlich brauchte der 34-Jährige nur ein Mikrofon und etwas Ton- und Lichtausstattung für seinen Auftritt. Dazu ein saloppes Outfit mit Pulli, Jeans und Sportschuhen – ein Typ mit dem Charme des Lieblingsschwiegersohns. Der Kontakt zum Publikum ist mühelos hergestellt.
Im ersten Teil des Abends gibt Zingsheim Einblicke in sein Privatleben, das inzwischen von drei Jungs und einem kleinen Mädchen bereichert und dominiert wird. Beim ersten Kind erhielt er noch zahlreiche Glückwünsche, Geschenke und Anerkennung. Bei der Tochter nur noch die Reaktion: „Assi!" Gelegentlich rechne er auch schon mal aus, mit wie vielen Kindern das Kindergeld für die Miete im teuren Köln ausreicht ...
Die Kinder bieten natürlich eine Reihe von komischen Situationsbeschreibungen, die Zingsheim selbstironisch vor dem begeisterten Publikum ausbreitet. Etwa die Durchsage im Supermarkt: „Vorsicht an Kasse 2, die Zingsheims sind im Anmarsch".
Ironischer Blick auf die Überflussgesellschaft
Roter Faden für seinen Vortrag ist der Blick auf unsere Überflussgesellschaft, bei der im Moment Askese angesagt ist. So fliegt man mit fair gehandelten Klamotten auf die Fernreise, verzichtet aber auf Fleisch und laktosehaltige Lebensmittel. Veganes Leben sei übrigens gesund – besonders für die Tiere. Allerdings nur für hiesige, denn in den riesigen Palmölplantagen könne keine Maus überleben. Zingsheims Sache ist nicht der plumpe Witz, auch dozierte er nicht aus hoher Warte. Er bietet Denkanregungen und registriert sehr genau, welche Gedanken oder auch Pointen beim Publikum ankommen. Gelegentlich braucht es allerdings bis zur Zuhörerreaktion etwas Zeit.
Denn mit enormem Sprachgefühl arbeitet er sich in rasantem Sprechtempo durch abenteuerlich konstruierte Satzkonstruktionen, es explodieren wahre Wortkaskaden. Bitterböse wird Zingsheim nur an wenigen Stellen, etwa wenn er das Christentum mit der Scheinheiligkeit seiner Würdenträger kritisiert und den sexuellen Missbrauch bei den Regensburger Domspatzen als „historische Aufführungspraxis" deklariert.
Kein Kabarettist oder Bahnfahrer kommt daran vorbei, die englischen Durchsagen in den Zügen zu kommentieren. Auch Zingsheim tut das, doch auf andere Art. Man solle doch einmal selbst versuchen, folgenden Satz ins Englische zu übersetzen: „Wegen eines Stellwerkfehlers in Wuppertal und einem Oberleitungsschaden bei Schwerte wird der IC in umgekehrter Wagenreihung verspätet in Hamm ankommen." Man merkt dann schnell, dass man mit voreiliger Kritik Menschen unrecht tut.
Gegen Ende des Programms steigt Zingsheim, der übrigens Musikwissenschaft studiert hat, in die gehobene Lyrik ein und verbindet Schnipsel aus deutschen Schlagern zu einer längeren Story. Da fliegen rote Rosen um die weiße Kutsche, die den Weg durch das Kornfeld am Bett vorbei nach Lodz führt und so weiter. Dann macht er noch ein wenig Werbung für sein Buch und die CDs. Um nicht einsam am kleinen Verkaufsstand zu sitzen, schenkt er an einen Herrn in der ersten Reihe 10 Euro für den Einkauf. Doch diese Vorsorge erweist sich wenig später als unbegründet: eine Reihe von Produkten findet Abnehmer.
Eine weitere Verpflichtung des Kabarettisten ist ein Muss!
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