Der Wochenkommentar

Kampf um Schaeffler in Steinhagen - den Beschäftigten bleibt nur Symbolik

Mit einer kraftvollen Demonstration haben die Mitarbeitenden des Automobilzulieferers ein Zeichen gesetzt. Doch ihre Chancen, das Werk zu retten, sind gering. Worum es jetzt vielmehr geht.

Mehr als 200 Demonstranten machten sich nach der Schaeffler-Betriebsversammlung auf den Weg. | © Frank Jasper

Marc Uthmann
04.10.2025 | 04.10.2025, 09:03

Es waren die klassischen Arbeiterparolen, die am vergangenen Montag (29. September) auf den Schildern der Demonstrierenden zu sehen waren: „Schließung stoppen - Zukunft retten“ oder „Wir sind das Werk - wir bleiben hier“. Und bei allem Verständnis für die Leidenschaft, mit der die Beschäftigten des Automobilzulieferers Schaeffler für den Erhalt des Steinhagener Werks Flagge zeigten: Ein wenig wirkte das Szenario wie aus der Zeit gefallen.

Und zwar nicht etwa, weil die Forderungen der Mitarbeitenden überzogen oder nicht nachvollziehbar wären. Im Gegenteil: Sie haben viele Jahre viele Kompromisse gemacht, um die Arbeitsplätze in Steinhagen zu retten, haben auf ein vom Unternehmen angekündigtes „Zukunftskonzept“ vertraut - nur um jetzt realisieren zu müssen: Ihre Zukunft heißt Jobverlust. Es scheint, als habe das Schaeffler-Management nur abgewartet, bis die vom Betriebsrat nach zähen Verhandlungen erreichte Standortsicherung Ende 2025 ausläuft - um das Werk und die verbliebenen 200 Industrie-Arbeitsplätze bis Ende 2026 dann abzuwickeln.

Und genau deshalb ist der wütende, im Unterton schon etwas verzweifelte Protest der Belegschaft, des Betriebsrates und der IG Metall zwar nachvollziehbar - aber er wirkt in seiner Vergeblichkeit dennoch gestrig. Denn wo sich einst mächtige Gewerkschaften und Betriebsräte unterhakten, um den Arbeitgebern Zugeständnisse abzuringen, scheint die Schlacht hier schon verloren. Proteste mit guten Argumenten und ein beeindruckender Demonstrationszug durch die Gemeinde können nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Kräfteverhältnisse gerade in der Automobilindustrie massiv verschoben haben.

In Steinhagen zeigt sich, wie zynisch der Kapitalismus manchmal ist

Der Schaeffler-Standort in Steinhagen soll Ende kommenden Jahres die Pforten schließen. - © Ulrich Fälker
Der Schaeffler-Standort in Steinhagen soll Ende kommenden Jahres die Pforten schließen. (© Ulrich Fälker)

Schaeffler fällt zwar formal in die Kategorie Familienunternehmen, ist de facto allerdings ein global agierender Konzern mit knallharten Renditezielen und ungeduldigen Aktionären. Der zudem noch in der Krise steckt. Und in solchen Phasen zeigt sich der ganze Zynismus im modernen Kapitalismus. Denn während Schaeffler das Werk in Steinhagen dichtmacht, plant der Konzern parallel, seine Gewinne in den kommenden Jahren zu verdoppeln. Unter anderem mit Maßnahmen wie für die Mitarbeitenden schmerzhaften Sparprogrammen und Werksschließungen.

Demo durch Steinhagen: Schaeffler-Belegschaft kämpferisch

Der Reflex ist dann immer derselbe und zum Beispiel auch bei Volkswagen verlässlich zu beobachten: Kündigt ein Aktienunternehmen Entlassungen an, wird das an der Börse bejubelt und die Kurse steigen. Das lässt sich ökonomisch sicher gut begründen - Effizienz und so ..., aber es fühlt sich für den Laien doch nicht richtig an. Da gibt es vermeintlich schlechte Nachrichten für ein Unternehmen, Arbeitsplätze fallen weg und Werke werden dichtgemacht - aber die Pakete der Anteilseigner sind auf einen Schlag mehr wert.

Die Schaeffler-Beschäftigten in Steinhagen fordern jetzt öffentlichkeitswirksam eine Erklärung vom Unternehmen, ob denn auch Alternativen geprüft wurden. Sie kündigen an, um die Zukunft des Werkes kämpfen zu wollen. Und ahnen doch bereits, dass dieser Kampf ein symbolischer sein wird. Der sich maximal noch darin auszahlen könnte, die eigene Haut möglichst teuer zu verkaufen und beispielsweise gute Abfindungen herauszuschlagen.

Nach Hiobsbotschaft für Steinhagen: Schaeffler kündigt Gewinn-Verdopplung an

Steinhagens Bürgermeisterin verhehlt ihren Frust nicht

Schaeffler hat längst eine strategische Entscheidung gegen Steinhagen getroffen, und die Krise der Automobilzulieferer ist so tiefgreifend, dass der Abbau von Arbeitsplätzen jetzt unter hohem Druck umgesetzt werden muss. Ein Indiz für die Lage mag sein, wie vehement sich Steinhagens SPD-Bürgermeisterin Sarah Süß bei der Demo geäußert hat: Die vom Unternehmen geplante Gewinnmaximierung sei in den Ohren der Steinhagener Belegschaft „ein Hohn“. Und das Zukunftskonzept sei „verpufft“. So klingt niemand, der noch auf fruchtbare Verhandlungen mit einem abwanderungswilligen Konzern hofft. Auch die Bürgermeisterin weiß längst, dass es jetzt darum geht, Steinhagens Zukunft ohne Schaeffler zu planen.

Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK