Wann ist eine Bestattung würdevoll? Haller Experten über moderne Regeln

Halle. Das Bestattungsgesetz in NRW wurde erst vor elf Jahren überarbeitet, dennoch werden immer mehr Stimmen nach Lockerungen laut. Vor allem seitdem Rheinland-Pfalz ein neues Gesetz verabschiedet hat, welches ab Oktober gültig ist und als das bisher liberalste in Deutschland gilt. Es sieht eine weitgehende Abkehr von der Friedhofspflicht vor und erlaubt auch, Diamanten aus der Totenasche zu fertigen oder eben jene Asche in Flüssen zu verstreuen. Da die Bestattungsgesetze Ländersache sind, können von diesen Lockerungen nur Rheinland-Pfälzer profitieren, die ihren Wunsch zu Lebzeiten schriftlich festgehalten haben. &bdquo;Auch in NRW muss sich etwas bewegen, und das wird es auch“, sagt Thomas Kremer, Bestatter aus Hörste. Rheinland-Pfalz könnte Vorreiter sein. Die Bestattungskultur müsse sich bundesweit mehr nach den Wünschen der Menschen und den Lebensbedingungen der Hinterbliebenen richten. &bdquo;Mit welchem Recht soll der Staat den Leuten die Asche des geliebten Ehepartners vorenthalten?“, fragt Kremer rhetorisch. Klar, sei das rechtlich in Ordnung, aber &bdquo;ich selbst finde es höchst fragwürdig, und genau dieser Problematik folgt das neue Gesetz. Es passt sich den Lebensgebräuchen und heutigen Sitten an“, erklärt der Bestatter, der zuvor als Agrarwissenschaftler tätig war, und 2019 sein eigenes Beerdigungsinstitut im Haller Ortsteil Hörste eröffnete. Lesen Sie auch: Reerdigung - Kommt die Bestattungsalternative nach NRW? Wenn der Haller posthum zum Schweizer wird, geht mehr Das Gesetz in Rheinland-Pfalz sieht vor, dass man auch in einem Tuch und somit ohne Sarg bestattet werden kann. Zudem sollen Flussbestattungen möglich sein, und man kann die Totenasche auch außerhalb von Friedhöfen aufbewahren. Ganz unmöglich sind derartige letzte Wege auch für Westfalen nicht, jedoch muss man nach Umwegen suchen. Mit dem Tod endet die Rechtsfähigkeit einer Person. &bdquo;Da kann man dann plötzlich zum Schweizer werden“, sagt Kremer, ohne ins Detail zu gehen. Alles sei möglich, aber es habe natürlich seinen Preis. Besser wäre es, wenn jeder frei und komplett rechtssicher seinen letzten Weg wählen könnte. &bdquo;Obwohl ich schon ein alter Sack bin, gehöre zu den jungen, wilden und innovativen Bestattern“, sagt der 63-Jährige. &bdquo;Vielleicht nimmt bald Elon Musk 200 Urnen in seiner Rakete mit?! Allerdings würde ich mich niemals von Elon Musk in den Himmel schießen lassen“, sagt Kremer. Dass Alternativen zum Friedhof immer häufiger diskutiert werden, hält er für gut. &bdquo;Das heißt ja nicht gleich, dass es pietätlos ist. Im Sinne der Verwandten und Angehörigen kann es viel pietätvoller sein, als zwangsweise auf einem Friedhof zu liegen.“ Lesen Sie auch: Bei dieser Beerdigung kennt fast niemand den Verstorbenen Gegen Trauer gibt es kein allgemeingültiges Rezept Er sei, das ist ihm wichtig zu betonen, selbst Christ. &bdquo;Ich bin ein gläubiger Mensch, glaube fest daran, dass sich unsere Seelen in irgendeiner Form wiedersehen“, sagt Kremer. Dass die Kirche sich nun melde und das rheinland-pfälzische Vorgehen kritisiere, weil ein Trauerort fehle, überrascht Kremer nicht. &bdquo;Das ist ein von den Kirchen vorgeschobenes monetäres Argument.“ Dass der Trauerort vielen nicht so wichtig ist, zeigt auch die Tatsache, dass die Zahl der Seebestattungen zunehme. &bdquo;Auch in NRW kann man sich für eine Seebestattung entscheiden“, sagt Kremer. In diesen Fällen hätten die Angehörigen ebenfalls keinen richtigen Trauerort. &bdquo;Die Hinterbliebenen können dann in Norddeich an die Promenade gehen und auf einem Stein die Namen der Verstorbenen lesen, das ist alles“, sagt der Hörster Bestatter. &bdquo;Es ist einfach gut, wenn man mehr Optionen bei der Bestattung hat. Wenn mir einer erklärt, dass er seine Mutter im Herzen trägt und dies durch eine Aschekapsel um den Hals oder durch einen Diamanten am Finger ausdrücken möchte, dann ist für mich alles gut“, sagt Kremer. Es gebe auch die Fraktion, die nicht viel für eine Beerdigung zahlen möchte oder kann. &bdquo;Laut neuer Friedhofsordnung sind für ein Erdgrab über 5.000 Euro fällig. Wenn dann noch die Kosten für den Bestatter dazukommen, dann ist das einigen Leuten zu viel.“ Immer beliebter werde daher die anonyme Seebestattung. &bdquo;340 Euro und fertig“, sagt Kremer. Versmolder spricht Beerdigungsmodelle im NRW-Landtag an Vor rund einem Jahr befasste sich auch der NRW-Landtag auf Anregung des SPD-Landtagsabgeordneten Thorsten Klute aus Versmold mit dem Thema, konkret ging es dort um die sogenannte Reerdigung. Bei ihr wird der Leichnam durch Bakterien und durch ein pflanzliches Substrat zu Humuserde umgewandelt. Nach 40 Tagen bleiben nur noch die Knochen, die dann zermahlen werden. &bdquo;Ich denke, es gibt im Landtag eine Offenheit, über diese neue Form der Bestattung nachzudenken“, sagte Klute. Kritisch sieht er persönlich derweil Forderungen, Urnen auch zu Hause aufbewahren zu dürfen. Halles evangelischer Pfarrer Tim Henselmeyer spricht sich klar für Friedhöfe aus. &bdquo;Sie sind wichtige Orte, um sich zu verabschieden und um später einen Ort der Trauer zu haben. &bdquo;Natürlich kann es ein erster Impuls sein, dass das man den Verstorbenen bei sich haben möchte. Bei genauem Nachdenken werden die Fragen aber größer“, sagt Henselmeyer. &bdquo;Wer soll in der Familie entscheiden, was das Beste für den Verstorbenen ist, wer nimmt die Asche mit nach Hause?“, fragt Henselmeyer. &bdquo;Für mich bleibt die Würde eines Menschen auch nach dem Tod bestehen. Was wäre, wenn die Urne im eigenen Garten vergraben wird und dann der Grundstückseigentümer wechselt? &bdquo;Es darf aber auch nicht sein, dass die Angehörigen nur auf die günstigste Bestattungsform schauen und die Würde des Verstorbenen keine Rolle spielt“, sagt Henselmeyer. Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK

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