Dank Implantat im Ohr genießt junger Haller (22) Abenteuer-Touren mit dem Rad

Halle. Wenn der 22-jährige Julian Wittenberg mit seinem Rennrad auf ein Abenteuer in die Weltgeschichte aufbricht, verlässt sich der junge Mann nur auf sich selbst - und ein technisches Gerät in seinem Kopf. Wittenberg ist gehörlos geboren. Im Alter von einem Jahr erhielt er ein sogenanntes Cochlea Implantat für das rechte Ohr. Im Alter von drei noch eins für das linke. Dabei handelt es sich um eine elektronische Innenohrprothese bestehend aus zwei Teilen: einem externen Soundprozessor und einem Innenohr-Implantat, das von einem Chirurgen unter der Haut eingesetzt wird. Das Implantat enthält einen Elektrodenträger, der in die Hörschnecke eingesetzt wird. Das HK hat sich mit Wittenberg getroffen, um von ihm zu hören, wie er das Leben mit Implantat empfindet und warum er so gern das Abenteuer sucht. Obwohl er zwei Implantate eingesetzt bekommen hat, trägt er den dazugehörigen Soundprozessor nur rechts, als er den Reporter begrüßt. &bdquo;Das linke funktioniert nicht so gut, deswegen trage ich es eigentlich nicht“, erklärt Wittenberg. Technisch sei die Prothese zwar in Ordnung, jedoch habe er nie so recht gelernt, auf der linken Seite mit der technischen Hilfe zu hören. &bdquo;Es wurde mir später implantiert“, erklärt er. Daher könne er mit dem anderen besser hören. Und das eine reiche auch aus, versichert er. Er fühle sich nicht eingeschränkt dadurch. &bdquo;Es ist gut, wenn man die Implantate sehr früh bekommt, um das Hören damit zu erlernen.“ Haller räumt Abenteuerdrang hohe Priorität ein Aber wie fühlt es sich an, sich auf Technik im Kopf verlassen zu müssen, die schließlich auch mal einen Defekt haben kann? &bdquo;Da denke ich gar nicht drüber nach“, sagt er. Obwohl er zugeben muss: &bdquo;Wenn jetzt was mit den Innenteilen wäre, wäre das in der Situation schon blöd.“ Generell sei es kein Problem, ein neues Implantat zu bekommen. &bdquo;Für Außen habe ich immer Ersatzteile dabei“, erklärt er und ergänzt: &bdquo;Einmal am Tag muss ich den Akku wechseln, aber das ist kein Problem.“ Julian Wittenberg stört sich nicht an den Implantaten, schließlich kennt er es auch gar nicht anders. Im Gegenteil: &bdquo;Wenn ich mal meine Ruhe haben will - im Flugzeug oder so - kann ich sie einfach abstellen“, sagt er. Die technischen Hilfsmittel ermöglichen es dem Haller, sowohl den Anforderungen seines Masterstudiums für Informatik und Physik an der Universität Bielefeld als auch seinem Abenteuerdrang gerecht zu werden. So unternimmt Wittenberg bereits seit vier Jahren mehrtägige Radtouren. Unter anderem hat er eine 25-tägige Fahrt ans Schwarze Meer hinter sich gebracht - und das völlig auf sich gestellt. &bdquo;Da habe ich gar nicht so genau geplant, sondern einfach geguckt, wie weit ich komme“, erklärt er. In den Semesterferien sei er zeitlich flexibel. &bdquo;Theoretisch hätte ich bis Oktober Zeit gehabt“, sagt er. Noch ein Abenteurer: Rentner (64) aus dem Kreis Gütersloh wagt außergewöhnliche XXL-Radtour Er unternehme gerne Fahrten ins Blaue, lasse sich überraschen. Einigen Menschen aus seinem Umfeld gehe es anders: &bdquo;Viele reagieren besorgt, denken an die Gefahren. Wilde Tiere oder Überfälle zum Beispiel“, sagt Wittenberg. Ein Stück weit könne er das nachvollziehen. &bdquo;Es ist auch nicht ganz ungefährlich“, gibt er zu. &bdquo;Einmal bin ich zwischen mehreren Braunbären hindurch gefahren, die am Straßenrand saßen“, erinnert er sich. &bdquo;Aber es kann überall etwas passieren. Auch zu Hause.“ Haller ist trotz Implantaten nicht hilfsbedürftig Dann fragt der Reporter etwas sehr Persönliches: Ob er als Kind manchmal das Gefühl gehabt habe, aufgrund seiner Gehörlosigkeit von seinen Mitmenschen zu sehr mit Samthandschuhen angepackt worden zu sein. Julian Wittenberg muss eine Weile nachdenken. &bdquo;Das könnte man so sagen, ja“, sagt er dann. Dass Wittenberg durchaus nicht schutzbedürftig, sondern überaus selbstständig ist, das beweist der junge Mann nun regelmäßig, wenn er sich - minimalistisch ausgerüstet - auf sein Rennrad schwingt, um die Welt zu erkunden. Auch interessant: Steinhagener Familie möchte mit Tabu-Thema aufräumen und Mut verbreiten Das bringt ihm neben besorgten Nachfragen auch begeisterte Reaktionen ein. &bdquo;Unterwegs kriege ich auch Unterstützung und werde angefeuert“, sagt er lachend. &bdquo;In Rumänien hatten die Leute wohl noch nie ein Rennrad gesehen“, fährt er fort. &bdquo;Jedenfalls hielten sie mich für einen Profiradfahrer.“ Zwar habe er die vielen Zelturlaube während seiner Kindheit nicht gerade genossen, wie er freimütig berichtet, dennoch habe er sich für die Tour ans norwegische Nordkap eines angeschafft. &bdquo;Da sind kaum Städte, geschweige denn Hotels“, erklärt er. Mit dem Nötigsten versorge er sich unterwegs. Nicht einmal einen Kocher habe er dabei. &bdquo;In Norwegen darf man überall zelten. Das habe ich dann gemacht, meistens im Wald oder im Gebirge“, berichtet Wittenberg. Junger Haller ist gerne sein eigener Herr Diese Reisen mit dem Rad sind ihm wichtig. Daher lässt er es sich nicht nehmen, auch während der Vorlesungszeit in die weite Welt aufzubrechen. &bdquo;Ich habe alle Übungen und Aufgaben vorgearbeitet und habe meinen Laptop mitgenommen, um im Zweifel das ein oder andere zu programmieren“, sagt er. Das Alleinsein genieße er. &bdquo;Ich fahre auch gerne mit anderen in den Urlaub, aber das Radfahren ist mein Ding. Da will ich so schnell oder langsam fahren, wie ich will.“ Angst vor Rückschlägen kennt der junge Mann ohne intaktes Innenohr nicht. &bdquo;Man sollte so etwas machen, wenn man Lust darauf hat. Wenn man es nicht schafft, dann probiert man es beim nächsten Mal eben noch mal.“ Aktuelle Nachrichten bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK

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