Aus von Gerry Weber in Halle: Beschäftigte fühlen sich ungerecht behandelt

Halle. Das Telefon beim &bdquo;Haller Kreisblatt“ klingelt in diesen Tagen noch öfter als sonst. Manchmal kommen Beschäftigte des insolventen Modeherstellers Gerry Weber auch persönlich in der Redaktion vorbei und wollen erzählen. Oder sie schreiben Mails. Dass die Firmenzentrale in Halle geschlossen und ab dem 1. Juni abgewickelt wird, haben sie mittlerweile realisiert. Dafür kritisieren viele nun den Umgang mit ihnen in dieser Situation. Es sind ganz unterschiedliche Geschichten, die sie bewegen. Je nachdem, ob sie in einem der Stores arbeiten oder in der Zentrale, ob sie bereits einen neuen Job in Aussicht haben oder der Arbeitslosigkeit entgegensehen. Ihre Kündigungen haben sie allerdings noch nicht erhalten. Wie ein Sprecher des Unternehmens auf Anfrage unserer Redaktion jetzt erklärte, liefen aktuell noch die Gespräche von Geschäftsführung und Insolvenzverwalter über einen Interessenausgleich und Sozialplan mit dem Betriebsrat (Stand Sonntag, 25. Mai). Kündigungen könnten aber erst ausgesprochen werden, wenn eine Einigung mit dem Betriebsrat erfolgt sei – und auch erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Gerry Weber wird keine Gehälter mehr zahlen können Der Haken daran: Das Insolvenzgeld, das die Gerry-Weber-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter zuletzt von der Bundesagentur für Arbeit erhalten haben, läuft nach drei Monaten jetzt aus. Vielfach können Beschäftigte eines insolventen Unternehmens eine solche Phase bereits nutzen und sich nach einer anderen Arbeitsstelle umsehen. In diesem Fall aber sind die insgesamt rund 560 Leute noch immer offiziell bei dem Modeunternehmen beschäftigt. Bei einem Unternehmen, dessen Insolvenzverwalter aller Voraussicht nach nicht mehr in der Lage sein wird, die Gehälter zu zahlen. Offiziell wurde indes noch keine Masseunzulänglichkeit angezeigt. Die Folge: Die Agentur für Arbeit muss einspringen und zahlt den Beschäftigten fortan zumindest Arbeitslosengeld. Gleichwohlgewährung heißt das im Fachjargon. Die Differenz zu ihrem regulären Gehalt können sie zur Insolvenztabelle anmelden. Diese Tabelle ist im Insolvenzverfahren das zentrale Verzeichnis aller Gläubigerforderungen, die gegen den Schuldner geltend gemacht werden. Sie dient dazu, die Forderungen der Gläubiger zu prüfen und zu ordnen, bevor schließlich die Insolvenzmasse verteilt wird. Store-Mitarbeiterinnen von Gerry Weber bekommen keinen Aufhebungsvertrag Drei Frauen, die sich aus verschiedenen deutschen Stores und nach eigenen Angaben stellvertretend für viele andere Kolleginnen beim &bdquo;Haller Kreisblatt“ gemeldet haben, beklagen in dieser Situation, dass sie das große Glück hätten, zum 1. Juli beziehungsweise 1. August eine neue Anstellung gefunden zu haben, ihrem Wunsch auf Aufhebung ihres Arbeitsvertrages allerdings nicht entsprochen würde. Vielmehr bestehe Gerry Weber darauf, dass sie ihre Verträge noch komplett erfüllen müssten. Voraussichtlich bis zum 31. August. Mehr zum Thema: Wie Gerry Weber den Faden verlor &bdquo;Dass man uns in dieser Situation nicht entgegenkommt, geht gar nicht und ist nicht fair“, stellen sie in einer Stimmung zwischen Wut und Enttäuschung fest. Auch dazu haben wir beim Unternehmen eine Anfrage gestellt. Die Antwort: &bdquo;Es gelten weiterhin die üblichen Kündigungsfristen, auch für Arbeitnehmer. Zudem ist noch festzulegen, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Abverkaufsmaßnahmen et cetera benötigt werden.“ Diese Aussage passt zu weiteren Informationen des HK: So sollen Stores und Outlets zurzeit mit Ware &bdquo;überschüttet“ werden. &bdquo;Alles, was noch irgendwo an Gerry-Weber-Mode herumliegt, soll auf den letzten Drücker noch zu Geld gemacht werden“, stellt eine Angestellte fest. Und befindet sich dabei in einer Zwickmühle. Natürlich werde sie ihren neuen Job nicht antreten, bevor sie nicht aus dem alten Vertrag bei Gerry Weber entlassen worden sei. &bdquo;Das ginge ja auch gar nicht“, fügt sie an. Und hofft nun, dass ihr die neue Stelle offengehalten werde. Sicher sei sie nicht. &bdquo;Wie kann man uns nach all den Jahren, die wir uns für Gerry Weber eingesetzt haben, auf den letzten Metern solche Steine in den Weg legen?“ Bei Arbeitszeugnissen für Gerry-Weber-Beschäftigte gibt es einen &bdquo;Bearbeitungsstau“ Andere Beschäftigte berichten, sie befänden sich in der passiven Altersteilzeit. Und geben an, dass das Geld, das Gerry Weber in eine Versicherung eingezahlt habe und das nun an den Insolvenzverwalter zurückgezahlt worden sei, in die Insolvenzmasse geflossen sei. In der Konsequenz müssten sie nun wohl den Klageweg beschreiten, um Ansprüche auf das Geld zu erheben, das ihnen zustehe. Dem halten die Verantwortlichen von Gerry Weber entgegen: &bdquo;Die Anzeige bei dem Versicherer und die Auszahlung der Beträge sind erst im eröffneten Insolvenzverfahren möglich.“ Aussagen, die sich von uns als Redaktion aktuell nicht unabhängig voneinander überprüfen lassen. Eine Übersicht: Die Chronik zu den Krisenjahren von Gerry Weber Vor allem die Mitarbeiterinnen in den Stores beklagen derweil, dass nur &bdquo;in sehr beschränktem Umfang“ Arbeitszeugnisse ausgestellt würden. Arbeitszeugnisse, auf die sie &bdquo;einen rechtlichen Anspruch“ hätten. Und die sie dringend benötigten, um sich schnellstmöglich bewerben zu können. &bdquo;Meistens heißt es, wir können gegen Ende August mit einem Zeugnis rechnen“, berichtet eine Frau. &bdquo;Das wäre dann ein abschließendes Arbeitszeugnis“ – aktuell müsse man also noch Zwischenzeugnisse ausstellen, und das sei &bdquo;nicht möglich“. Eine Aussage, die durch das Unternehmen im Kern bestätigt wird: &bdquo;Die Personalabteilung arbeitet mit Hochdruck und mit zusätzlichen Kapazitäten daran, die gewünschten Arbeitszeugnisse auszustellen.“ Aber es liege auf der Hand, dass es angesichts der zahlreichen Anfragen aufgrund der aktuellen Situation zu einem Bearbeitungsstau kommen könne. Und inwiefern dürfen die Beschäftigten darauf hoffen, dass sie das dem Unternehmen gestundete Urlaubs- und Weihnachtsgeld noch erhalten? &bdquo;Diese Forderungen können nur als Insolvenzforderung zur Tabelle angemeldet werden“, antwortet der Sprecher von Gerry Weber auf die Frage. Tatsächlich rechnet wohl niemand ernsthaft damit, dass man davon noch einen Cent sieht. Am Dienstagnachmittag (27. Mai) trifft sich die Belegschaft auf Einladung des Insolvenzverwalters in Halle; mutmaßlich zum letzten Mal. Um aktuelle Informationen der Geschäftsführung zu erhalten. Und sich bei Bratwurst und einem Bier voneinander zu verabschieden – wütend, enttäuscht, in jedem Fall traurig. Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK

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