Nach Aus für Gerry Weber in Halle: Gewerkschaft über Vorgehen verärgert

Halle. Der Parkplatz der Gerry Weber International GmbH ist am Mittwochmorgen mit Fahrzeugen gefüllt wie immer. Der äußere Eindruck lässt noch nicht darauf schließen, dass tags zuvor das Schicksal des traditionsreichen Haller Modeherstellers endgültig besiegelt und das Aus verkündet wurde. In der Kantine, die sich im Souterrain der Firmenzentrale befindet, haben sich unterdessen Beschäftigte in kleinen Gruppen zusammengefunden. Bei einer Tasse Kaffee erzählen sie, beratschlagen, machen sich gegenseitig Mut. Es war ja gar nicht so, dass nicht alle damit gerechnet hätten, dass das Haller Traditionsunternehmen am Ende womöglich nicht gerettet werden kann und die 281 Beschäftigten ihre Arbeitsplätze verlieren. Aber in dem Augenblick, da die offizielle Nachricht kommt, sorgt sie doch für große Betroffenheit. Entsprechend verlief die Zusammenkunft zwischen den Mitarbeitenden und den beiden Geschäftsführern Arnd Buchardt und Torsten Waack van Wasen am Dienstag (6. Mai). Erst der Schock, dann der sachliche Part und schließlich die Emotionen. Vor allem bei den langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern flossen Tränen. Und während ein Sprecher des Unternehmens am Dienstag erklärte, dass jetzt zügig Gespräche mit dem Betriebsrat stattfinden würden, um das Prozedere für die Standortaufgabe festzulegen, haben sich die ersten Mitarbeitenden mittlerweile bei Janina Hirsch gemeldet. Sie ist Gewerkschaftssekretärin bei der IG Metall und betreut seit Jahren schon das Team in Halle. Und beschreibt das Vorgehen der Geschäftsführung im Umgang mit den Beschäftigten als &bdquo;unprofessionell“. Gewerkschaft stellt Forderungen an Geschäftsführung von Gerry Weber &bdquo;Wie kann man sich hinstellen und sagen, man brauche 50 bis 60 Mitarbeitende, um die Standortschließung abzuwickeln, aber für den Rest habe man keine Verwendung? Sie können doch nicht einfach für sich entscheiden, wen sie weiterhin bezahlen und wen nicht“, stellt Janina Hirsch fest. Schließlich hinge davon ja auch ab, wie es für die einzelnen Beschäftigten persönlich weitergehe - finanziell wie beruflich. Lesen Sie mehr: Eine Chronik zu den Krisenjahren von Gerry Weber Zum Hintergrund: Die Belegschaft hatte mit dem Antrag von Gerry Weber auf Insolvenz in Eigenverwaltung beim Amtsgericht Bielefeld am 10. März Insolvenzgeld erhalten - allerdings nur für maximal drei Monate. Danach müsste Gerry Weber selbst wieder in der Lage sein, die Gehälter zu zahlen. &bdquo;Aber zum 1. Juni sind die Leute doch immer noch angestellt, wenn sie nicht selbst gekündigt haben. Nur wer zahlt ihnen ihr Gehalt, wenn bei Gerry Weber nichts mehr zu holen ist?“, fragt Janina Hirsch. Lediglich bei einer unwiderruflichen Freistellung bestünde die Möglichkeit, dass die Betroffenen von der Agentur für Arbeit bezahlt würden - allerdings nur in Höhe des Arbeitslosengeldes. Im Fachjargon spricht man hier von der sogenannten Gleichwohlgewährung. Nach Aus in Halle: Beschäftigte von Gerry Weber werden beraten &bdquo;Wir als Gewerkschaft fordern Gerry Weber daher auf, den Beschäftigten ausgezeichnete Arbeitszeugnisse auszustellen, die jeder Überprüfung standhalten. Nur so können sich die Betroffenen zeitnah auf andere Stellen bewerben“, fährt Janina Hirsch fort. Wohlwissend, dass die Textilbranche in der Region ebenso wenig auf Rosen gebettet ist und sich kaum in der komfortablen Lage befindet, in größerem Umfang neues Personal einzustellen. Die IG Metall werde nun natürlich weiter ihre Mitglieder unterstützen und sie auch in dieser schweren Phase begleiten: Viele hätten Fragen, weil sie seit Jahrzehnten im Unternehmen seien und noch niemals ihren Job verloren hätten: &bdquo;Was sind die nächsten Schritte? Was braucht ihr jetzt? Wie solltet ihr euch mit Blick auf das Insolvenzrecht jetzt verhalten? Wer prüft eure Arbeitszeugnisse? Habt ihr eure Forderungen zur Tabelle angemeldet? Wie ist es um die offenen Forderungen wie das gestundete Urlaubs- und Weihnachtsgeld bestellt?“ Nicht zuletzt hat sie einen Blick auf die Auszubildenden im Haus: &bdquo;Wo sollen die jetzt ihre Ausbildung fortsetzen? Ist dafür gesorgt?“, fragt Janina Hirsch. Abgesehen davon, dass sie die Betroffenen in ihrer Situation bedauert, richtet sich ihr Ärger gegen die Gerry-Weber-Geschäftsführung – explizit auch gegen die Verantwortlichen aus der Vergangenheit: &bdquo;Natürlich steckt hier eine ganze Branche seit Jahren in Schwierigkeiten. Aber allein mit der Corona-Pandemie und dem weggebrochenen Russland-Geschäft lässt sich die Lage nicht erklären. Mehrheitlich sind die Probleme hausgemacht. Es gab keine erkennbare Strategie, die das Unternehmen hätte zukunftsfähig machen können.“ Wie geht es mit der Kantine bei Gerry Weber und der Immobilie weiter? Derweil stehen nicht nur die Beschäftigten von Gerry Weber von dem Aus. Auch das Küchenteam der SV Business Catering GmbH bangt um seine Zukunft. Eine Anfrage am Sitz in Düsseldorf wurde zwar noch nicht beantwortet, aber dass in Zukunft täglich zwischen 70 und 100 Mittagessen kompensiert werden können, ist zumindest fraglich. Dabei bietet das Team in Halle nicht nur verschiedene Fisch-, Fleisch- und vegetarische Gerichte sowie eine reichhaltige Salatbar mit Beilagen und verschiedenen Nachspeisen für die Beschäftigten im Haus an, sondern heißt auch jederzeit externe Gäste willkommen. Mehr zum Thema: Warum das Unternehmen Gerry Weber schwer ums Überleben kämpft Und was geschieht mit der Immobilie, die Gerry Weber zum Jahresanfang 2024 an einen Investor in Stuttgart veräußert hat? Dazu äußerte sich am Mittwoch auf Anfrage unserer Redaktion Shahab Djalili Kamalian, CEO der per invest GmbH, der nach eigenen Angaben bislang nur durch den Beitrag des &bdquo;Haller Kreisblatts“ von dem Aus am Standort Halle erfahren habe. &bdquo;Die Geschäftsführung von Gerry Weber hat bislang keinen Kontakt zu uns aufgenommen.“ &bdquo;Zwar hatten wir damit gerechnet, dass Gerry Weber die genutzten Flächen reduzieren könnte, die vollständige Aufgabe des Standorts kam für uns jedoch überraschend“, fährt Shahab Djalili Kamalian fort. Bezüglich der frei werdenden Lagerflächen sehe man allerdings gute Chancen, zeitnah neue Mieter zu gewinnen. &bdquo;Die Nachfrage nach Büroflächen ist aktuell zwar verhalten, wir sind jedoch zuversichtlich, auch diese mittelfristig erfolgreich vermieten zu können.“ Für eine belastbare Einschätzung sei es derzeit noch zu früh, so Shahab Djalili Kamalian. Ähnlich äußerte sich am Mittwoch Christian Busch, geschäftsführender Mehrheitsgesellschafter bei Walbusch, Eigentümer von Logistikzentrum und Outlet im Haller Ravenna-Park – und damit Vermieter und Vertragspartner von Gerry Weber gegenüber unserer Zeitung: &bdquo;Offiziell sind wir über die Schließung des Standortes Halle bislang noch gar nicht informiert worden. Wir warten jetzt ein Gespräch mit dem Insolvenzverwalter ab, vorher sind wir in der Angelegenheit nicht sprechfähig.“ Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK

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