Stadtentwicklung

Halles Innenstadt in der Krise: Ein Dissener weiß, worauf es nun ankommt

Anfang der 2000er-Jahre hat die Stadt Dissen ihre Innenstadt umgekrempelt. In den Jahren danach hat sich der Einzelhandel immer mehr zurückgezogen. Wie ein Dissener über Halles Situation denkt.

Die Dissener Innenstadt hat laut Ralf Sommermann von der IHG schon bessere Tage gesehen. | © Tobias Barrelmeyer

Tobias Barrelmeyer
01.11.2025 | 01.11.2025, 16:03

Dissen/Halle. „Es muss erst einmal schlimmer werden, damit es besser werden kann.“ So oder so ähnlich lautet der Satz, mit dem die Vertreter der Stadt Halle für Verständnis für die aktuellen Baumaßnahmen in der Innenstadt werben. Die Förderkulisse zwingt die Politik, viele dieser Sanierungs-und Umgestaltungsarbeiten gleichzeitig durchzuführen, sodass der Druck auf den Haller Einzelhandel enorm ist. Aber wie schlimm ist die Lage verglichen mit anderen Städten - und wie sind die Bemühungen der Stadt zu bewerten, die Baustellenfolgen abzufedern?

Das HK hat mit Ralf Sommermann gesprochen. Sommermann ist Vertreter der Interessengemeinschaft Handel und Gewerbe (IHG) Dissen und hat die Entwicklung der Dissener Innenstadt über viele Jahre begleitet. Die Baustellensituation in Halle habe er bereits am eigenen Leib erfahren, als er mit dem Auto nach Halle zu einem Termin gefahren sei. „Das ist schon chaotisch“, sagt er. Die Situation der Einzelhändler in der Rosenstraße erinnert ihn an die Großbaustelle in Dissen zu Beginn der 2000er-Jahre, als die B 68, die mitten durch den Ort führte, zu einer verkehrsberuhigten Gemeindestraße umfunktioniert wurde. „Das hat zwei Jahre gedauert und viele Händler viel Geld gekostet.“

Ähnlich wie heute die Haller Interessen- und Werbegemeinschaft (HIW) habe auch die IHG in Dissen seinerzeit viele Mühen auf sich genommen, um die lange Bauphase für die Händler erträglich zu gestalten. „Die Händler haben gesagt: Was nützt euch eine sanierte Innenstadt, wenn wir pleite gehen?“, erinnert sich Sommermann. „Wir haben die Baustelle mit vielen Projekten begleitet, um die Leute trotzdem in die Innenstadt zu locken.“

Dissener findet: Viel Kommunaktion ist wichtig für Halles Innenstadt

Ralf Sommermann organisiert seit vielen Jahren das Stadtfest "Dissen skurril". - © HK-Archiv
Ralf Sommermann organisiert seit vielen Jahren das Stadtfest "Dissen skurril". (© HK-Archiv)

Gute Kommunikation sei in solchen Situationen entscheidend, fährt er fort. „Es war uns wichtig, mit der Stadt über die einzelnen Baumaßnahmen im Gespräch zu bleiben“, erinnert sich Sommermann. Eine solche Rolle des „Kümmerers“, wie sie in Halle von Frank Hofen zur Vermittlung zwischen Händlern und Stadt ausgefüllt wird, sei dementsprechend eine hilfreiche Maßnahme. „Wir haben damals so viel Geld für Werbung ausgegeben, wie sonst nie“, sagt Sommermann. In dieser Hinsicht sei vor allem eine Veranstaltung besonders effektiv gewesen. „Zur Halbzeit der Bauphase haben wir ein Baustellenfest veranstaltet, zu dem 15 bis 20.000 Besucher kamen.“

Einen Härtefallfonds, wie er für die Haller Händler eingerichtet wurde, habe es seiner Erinnerung nach nicht gegeben. Trotzdem habe der Einzelhandel die zweijährige Bauphase überstanden - mittlerweile allerdings sei der „Facheinzelhandel fast gänzlich aus der Dissener Innenstadt verschwunden“, konstatiert Sommermann. „Und der wird auch nicht zurückkommen. Wir werden die Zeit nicht zurückdrehen können.“

Zum Thema: Härtefallfonds beschlossen: Diese Haller Händler können Geld beanspruchen

Neu vermietet würden Geschäftsräume in der Innenstadt höchstens noch an Imbissbuden, fährt Sommermann fort. „Viele Eigentümer kümmern sich nicht um ihre Immobilien“, bedauert er im Hinblick auf die ein oder andere Fassade in der Stadtmitte, die nicht zum Verweilen einlade. „Dieses Flair wirkt sich negativ auf die Kauflaune aus“, weiß Sommermann. Dazu komme die schlechte Wirtschaftslage, die Bequemlichkeit des Online-Shoppings sowie die allgemein niedrige Kaufkraft in Dissen.

IHG Dissen veranstaltet weniger Gemeinschaftsaktionen als früher

An Imbissbuden fehlt es der Innenstadt von Dissen nicht. - © Tobias Barrelmeyer
An Imbissbuden fehlt es der Innenstadt von Dissen nicht. (© Tobias Barrelmeyer)

„Man merkt, wo gespart wird“, findet Sommermann. Die Stimmung sei gedrückt. „Wir haben beim Stadtfest dieses Jahr enorme Umsatzeinbußen bei den Getränken verzeichnet. Nicht beim Bier aber bei Cola, Fanta und Sprite“, sagt Sommermann. „Das sagt mir, dass bei den Getränken für die Kinder gespart wird.“

Mit den verbliebenen Geschäften sei es zudem immer schwieriger geworden, Gemeinschaftsaktionen auf die Beine zu stellen. Alleingänge und Selbstvermarktung auf Instagram seien hingegen angesagt. Bei Veranstaltungen wie dem „Moonlight-Shopping“ seien nach und nach die teilnehmenden Geschäfte abgesprungen. „Als wir noch sieben, acht Teilnehmer hatten, konnten die Leute daraus einen schönen Bummel durch die Stadt machen“, erinnert sich Sommermann. „Aber mit drei, vier Geschäften hat es keinen Zweck.“

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Hier - und das sollte die Haller freuen - kann die Lindenstadt andere Zahlen vorweisen. So nahmen etwa am „Wine-Walk“ im Juni 20 Geschäfte teil - drei mehr als noch im Vorjahr. Bei der Veranstaltung bieten die verschiedenen Geschäfte der Haller Innenstadt kostenlose Weinproben ein. Nach Lust und Laune können die Gäste die einzelnen Stationen abklappern. Wie berichtet hatten sich die Veranstalter von der HIW bei bestem Wetter über viele Besucher gefreut.

Haller sollen „Wir-Gefühl“ hochhalten

Die Dissener Innenstadt hat laut Ralf Sommermann von der IHG schon bessere Tage gesehen. - © Tobias Barrelmeyer
Die Dissener Innenstadt hat laut Ralf Sommermann von der IHG schon bessere Tage gesehen. (© Tobias Barrelmeyer)

Doch solche Events können nicht über die Belastungen durch die vielen Baustellen hinwegtäuschen. Sommermann kann die Sorgen der Haller Händler durchaus nachvollziehen. Die Baumaßnahmen an der so wichtigen Langen Straße werden nicht vor Ende 2026 abgeschlossen sein. „Das ist schon ein langer Zeitraum“, findet der Dissener. Verglichen mit anderen Kommunen habe Halle allerdings eine schöne Innenstadt. Den Haller Bürgern empfiehlt er, dafür zu sorgen, dass es so bleibt: „Es braucht ein Wir-Gefühl“, ist sich Sommermann sicher.

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