
Wir sind dann mal weg: Unser Medienhaus deaktiviert sein Konto auf der Plattform „X“. Wir sind nicht die Ersten in Ostwestfalen, die dort keine Inhalte mehr anbieten. Namhafte Unternehmen, öffentliche Institutionen oder die Fußball-Profiklubs der Region haben sich bereits verabschiedet. Jetzt also auch wir.
Warum, und warum jetzt? Unumstritten war die Plattform nie. Schon als sie noch „Twitter“ hieß, zeigte sich die Schwäche einer auf möglichst kurze Aussagen konzentrierten und von Algorithmen gelenkten Debatte. Kürze zwingt nicht zwangsläufig zur Präzision, viel häufiger reizt sie zur Zuspitzung. Der Algorithmus, also die Software, die steuert, wer welche Inhalte angezeigt bekommt, belohnt vor allem Lautstärke. So ist Twitter immer mehr zu einer Krawallbude geworden, in der ein sachlicher Austausch kaum noch möglich war.
Dennoch war und ist das Medium relevant. Weil wichtige Menschen dort Neuigkeiten verbreiten, die für uns alle von Bedeutung sein können. In seiner ersten Amtszeit jagte US-Präsident Trump nahezu stündlich mit irren Tweets Schockwellen in die Welt. Regierungen, Parteien, Polizei und Rettungsdienste posten Nachrichten auf der Plattform, auch unser Medienhaus nutzte den Kanal, um seriöse Nachrichten schnell zu transportieren. Kann man darauf verzichten?
Jegliche Standards von seriöser, faktenbasierter Kommunikation zerstört
Man muss wohl. Denn seit der Übernahme durch Elon Musk hat sich das mittlerweile in „X“ umbenannte Medium nochmals deutlich verändert. Unter dem Vorwand der vorgeblichen Meinungsfreiheit hat der neue Besitzer jegliche Standards von seriöser, faktenbasierter Kommunikation zerstört. Im Prinzip kann dort nun jeder, der hinreichend verrückt, gerissen, bösartig oder reich ist, jeglichen Unsinn millionenfach verbreiten – vorneweg der Eigentümer selbst. So mischen sich seriöse Inhalte mit teils gemeingefährlicher Propaganda und Hassbotschaften zu einer ekligen Brühe. In dieser Jauche wollen wir nicht mehr mitschwimmen.
Nun wird es Musk kaum beeindrucken, wenn unser Medienhaus „X“ verlässt. Doch je mehr glaubwürdige Anbieter und Werbekunden ihm den Rücken kehren, desto eher lässt sich die Relevanz dieses entfesselten Mediums begrenzen. Es ist zu hoffen, dass sich auch die EU in ihrem Ehrgeiz, die sogenannten sozialen Medien zu regulieren, nicht von Trump und seinen Einflüsterern einschüchtern lässt. Das gilt besonders für den Facebook-Konzern „Meta“ oder die chinesische Plattform TikTok, die weltweit Hunderte von Millionen Nutzer mit fragwürdigen Inhalten fluten.
Schade ist es um die Idee einer freien, zivilisierten Kommunikation über Länder- und Anschauungsgrenzen hinweg. Aber man kann nicht in einen Wald rufen und eine vernünftige Antwort erwarten, wenn dort die Affen kreischen.