Unfallfahrer lässt lebensgefährlich verletzten Haller auf der Straße liegen

Gütersloh/Halle/Bielefeld. Es war Glück im Unglück, denn die Folgen des Zusammenstoßes hätten noch deutlich dramatischer sein können, als sie es ohnehin schon waren: Im Juli 2022 stieß der Fahrer eines Audi A7 mit überhöhter Geschwindigkeit auf dem Westring in Gütersloh mit einem Jugendlichen zusammen, als dieser gerade sein Fahrrad über die Straße schieben wollte. Der Fahrer ließ den lebensgefährlich verletzten Passanten aus Halle zurück, ohne sich weiter um diesen zu kümmern. Das Bielefelder Landgericht verurteilte den 30-Jährigen nun wegen fahrlässiger Körperverletzung sowie Unfallflucht zu einer Bewährungsstrafe von acht Monaten. Der 30-jährige Geschäftsführer eines hiesigen Unternehmens fuhr am 9. Juli 2022 um 4.18 Uhr mit einem Audi A7 auf der linken Spur des Westrings stadtauswärts, als er etwa in Höhe der alten Fußgängerbrücke bemerkte, dass auf seinem neben ihm auf dem Beifahrersitz liegenden Handy eine Nachricht einging. &bdquo;Ich wandte den Blick von der Fahrbahn ab. Dann hörte ich ein metallisches Kratzen. Ich sah, dass mein Außenspiegel abgerissen war. Ich dachte, ich hätte eine der dort aufgestellten Baustellenbaken getroffen,“ trug Verteidiger Carsten Ernst eine vorbereitete Erklärung seines Mandanten vor. Da er keine weiteren Scherereien hätte haben wollen, sei er einfach weitergefahren: &bdquo;Das war der größte Fehler meines Lebens.“ Denn Baran P. (Namen aller Betroffenen geändert) war nicht mit einer Baustellenbake zusammengestoßen. Vielmehr war er – zudem noch mit einer Geschwindigkeit von etwa 104 anstelle der erlaubten 70 Kilometer pro Stunde – mit dem damals 16 Jahre alten Ole S. aus Halle zusammengeprallt. Der Jugendliche hatte den Abend in einem Park verbracht und wollte, reichlich alkoholisiert, um 4.18 Uhr sein Fahrrad über die Fahrbahn schieben, als er mit dem Audi kollidierte. Glücklicherweise wurden unbeteiligte Zeugen auf das Geschehen aufmerksam und verständigten umgehend die Polizei und Rettungskräfte. Haller muss Ausbildung abbrechen und leidet unter Depressionen Der 16-Jährige kam mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus. Ole S. hatte großes Glück, doch hinterließ der Unfall Spuren: Eine Ausbildung zum Metallbauer musste der junge Mann aus Halle wieder abbrechen, weil seine bei dem Unfall verletzte linke Schulter nicht mitspielte. &bdquo;Viel schwerer wiegen jedoch die psychischen Folgen“, sagte S. vor Gericht. Der heute 18 Jahre alte Mann befindet sich weiterhin in psychologischer Behandlung, nimmt Medikamente gegen seine Depressionen. Baran P. war nach dem Zusammenstoß zunächst nach Hause gefahren. &bdquo;Erst am nächsten Tag habe ich den größeren Schaden an meiner Autofront gesehen. Ich ging zu diesem Zeitpunkt immer noch von einer Bake als Ursache aus“, hieß es in seiner Erklärung. Über die Medien habe er dann von dem Unfall erfahren: &bdquo;Da konnte ich natürlich eins und eins zusammenzählen. Mir fehlte jedoch die Courage, mich zu stellen.“ Stattdessen stellte P. das Auto bei einem Freund ab. Am 11. Juli tauchten Polizeibeamte an seiner Firma auf. &bdquo;Ich erzählte ihnen eine Lügengeschichte, sagte, das Auto sei zuvor verkauft worden, und zeigte den Ausweis eines potenziellen Kunden“, gab P. an: &bdquo;Ich schäme mich dafür. Hätte ich gewusst, dass ein Mensch verletzt worden ist, wäre ich natürlich stehen geblieben.“ Unfallfahrer zunächst des versuchten Mordes angeklagt Nicht nur für Ole S. hätte der Unfall noch deutlich gravierendere Folgen haben können. Dies gilt ebenso für den 30-jährigen Unfallfahrer – war er doch zunächst wegen versuchten Mordes durch Unterlassen angeklagt. Die Begründung: Baran P. muss klar gewesen sein, dass das Unfallopfer durch den Aufprall lebensgefährlich verletzt sein dürfte. Zu nächtlicher Stunde habe er auch nicht darauf vertrauen können, dass Zeugen sich schon irgendwie um den Verletzten kümmern würden. Diesen Tatbestand sahen nach durchgeführter Beweisaufnahme jedoch weder die Staatsanwaltschaft noch das Gericht als erwiesen an, ein Tötungsvorsatz des Angeklagten war schlicht nicht zu erkennen. Die X. Große Strafkammer verurteilte den bislang nicht vorbestraften P., der bereits vor der Verhandlung 25.000 Euro Schmerzensgeld an Ole S. gezahlt hatte, schließlich zu einer Bewährungsstrafe von acht Monaten. Darüber hinaus erhielt er die Auflage, 1.000 Euro an die Verkehrswacht zu zahlen. Das Gericht sah bei aller Tragik ein erhebliches Mitverschulden bei dem mit 2,24 Promille schwer alkoholisierten und zudem zu nächtlicher Stunde dunkel gekleideten Jugendlichen.

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