
Halle/Bielefeld. Diese Tat hatte damals für Entsetzen und Angst gleichermaßen gesorgt: Nur eineinhalb Jahre nach dem bis heute ungeklärten Mord an Nelli Graf wurde im April 2013 eine weitere Frau in Halle getötet: Gabriele Obst. Im Gegensatz zum Fall Graf ermittelten die Behörden hier jedoch einen Täter, den sie für den gewaltsamen Tod der Mutter zweier erwachsener Kinder verantwortlich machten – ihren Ehemann. Die Verurteilung ist nun genau zehn Jahre her.
Mittlerweile hat ihr Ehemann seine Haftstrafe verbüßt. Sein Antrag, frühzeitig aus der Haft entlassen zu werden, wurde abgelehnt.
Im Mai 2019 befasste sich die Strafvollstreckungskammer am Landgericht Bielefeld mit dem Fall. Doch während Insider vor dem Termin sicher davon ausgingen, dass dem Antrag gewiss stattgegeben werde, folgte das überraschende Urteil: Abgelehnt! Der Senior bleibt in Haft.
Mordfall Gabriele Obst - Alle Fakten im Überblick
- Vor zehn Jahren wurde die Zeitungsbotin Gabriele Obst in Halle erschossen und ihre Leiche im Wald gefunden.
- Die Ermittlungen führten zu ihrem Ehemann, der 2013 zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt wurde.
- Im Prozess wurde er trotz Leugnung für schuldig befunden. Das Gericht schloss andere Täter aus.
- 2019 hatte der Ehemann einen Antrag auf vorzeitige Entlassung gestellt, der jedoch abgelehnt wurde.
- Der Fall wurde von der örtlichen Polizei mit Unterstützung des Landeskriminalamtes untersucht.
Der Senior leugnet bis heute, seine Frau erschossen zu haben
Eine offizielle Stellungnahme zur Begründung gab das Landgericht mit Verweis auf das nicht öffentliche Verfahren nicht ab. Man darf jedoch davon ausgehen, dass die Richterin am Ende keine ausreichend positive Prognose im Hinblick auf eine künftige Straffreiheit stellen konnte. Im Klartext: Weil der Ehemann die Tat bis heute geleugnet hat, konnte offensichtlich nicht ausgeschlossen werden, dass er nach seiner Entlassung erneut straffällig werden könnte. Neben positiven Beurteilungen für sein Verhalten während der Haft sowie einem intakten sozialen Umfeld ist dies allerdings unbedingte Voraussetzung für eine vorzeitige Freilassung.
Wie die neue Anwältin des Strafgefangenen, Christina Peterhanwahr aus Bielefeld, damals auf Anfrage erklärte, hielt sie die Entscheidung für falsch und hatte deshalb beim Oberlandesgericht Hamm Beschwerde eingelegt – allein schon deshalb, weil sowohl die Justizvollzugsanstalt als auch die Staatsanwaltschaft Bielefeld einer Strafaussetzung zugestimmt hätten.
Erforderliche Einwilligung zur vorzeitigen Entlassung
Bereits im Dezember 2017 hatte die Staatsanwaltschaft die Akte dem Gericht zur Prüfung vorgelegt. Dabei handelte es sich um einen Vorgang von Amts wegen; die Anklagebehörde war, nachdem der Mann zwei Drittel der Strafe verbüßt hatte, dazu verpflichtet. Doch zu diesem Zeitpunkt hatte der Verurteilte die erforderliche Einwilligung zu seiner vorzeitigen Entlassung noch gar nicht erteilt.
Als diese dann schließlich vorlag, kam es im März 2018 zu einem Gerichtstermin, bei dem darüber entschieden werden sollte, ob der Haller die Justizvollzugsanstalt im Frühsommer desselben Jahres vorzeitig verlassen darf. Wie Guiskard Eisenberg, Sprecher des Landgerichts Bielefeld, damals erklärte, wurde der Antrag allerdings noch im Termin zurückgenommen.
"Lücken in der Indizienkette"
Zu den Gründen mochte sich Eisenberg ebenso wenig äußern wie Siegfried Kammel, der dem Mann noch während des Prozesses 2013 als Verteidiger zur Seite stand und nach der Urteilsverkündung Revision eingelegt hatte. Der Bielefelder Jurist hatte "Lücken in der Indizienkette" ausgemacht und befand auch das Urteil des Vorsitzenden Richters Wolfgang Korte als "lückenhaft". Doch sein Revisionsantrag blieb ohne Erfolg. Nach nur zwei Monaten hatte der Bundesgerichtshof Karlsruhe seinerzeit den Antrag abgelehnt.

Rückblende: Gabriele Obst wurde am Morgen des 16. April 2013 als vermisst gemeldet. Ihr Fahrrad lag auf dem Steinhausener Weg im Wald, ihr Handy wurde etwas entfernt davon im Laub gefunden. Zehn Tage später entdeckte eine Joggerin die Leiche der Zeitungsbotin nach groß angelegten Suchaktionen in einer Mulde unterhalb des Kammweges an der Großen Egge. Auf der Toten lag das Schrotgewehr, mit dem ihr in den Kopf geschossen worden war.
Von zu Hause das Schrotgewehr geholt
Ralf Östermann, Leiter der Mordkommission, und Staatsanwalt Christoph Mackel gingen damals von folgendem Geschehen aus: Am frühen Morgen des 16. April soll der Ehemann seiner Frau mit dem eigenen oder einem geliehenen Fahrzeug gefolgt sein, ehe es an der Margarethe-Windthorst-Straße zu einem Streit kam.
Dieser Situation habe sich Gabriele Obst entzogen, während ihr Mann spätestens jetzt von zu Hause das Schrotgewehr geholt haben soll, um sie auf der anderen Seite der Bahngleise weiter zu verfolgen, sie zu überwältigen und in dem Fahrzeug zu dem rund fünf Kilometer entfernten Waldgebiet an der Egge zu bringen. Hier soll er ihr den Lauf des Schrotgewehrs in den Mund eingeführt und abgedrückt haben, so dass ihr Kopf zertrümmert wurde.
Wie hätte ein Fremder an die Waffe gelangen sollen?
"Um das Bild eines Suizides zu schaffen, legte der Angeklagte das Gewehr auf den Körper seiner getöteten Frau", erklärte Chefankläger Christoph Mackel abschließend. Nach neun Verhandlungstagen schloss sich die Erste Große Strafkammer seinen Ausführungen an. Einen Suizid könne man definitiv ausschließen, erklärte der Vorsitzende Richter Wolfgang Korte später in seiner Begründung. Außerdem sei es nicht ersichtlich gewesen, wie ein Fremder an die Tatwaffe, die stets unter dem Bett des Angeklagten lag, hätte gelangen können.
Der Ehemann des Opfers bestreitet bis heute, irgendetwas mit der Tat zu tun zu haben. "Zur sicheren Überzeugung" des Gerichts war es jedoch der Ehemann, der seine Frau erschossen hat. "Andere Personen", hieß es in der Urteilsbegründung von Wolfgang Korte, "sind als Täter auszuschließen."
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