Die Fabrik leergeräumt - Haller Betrieb geht für Fortschritt aufs Ganze

Halle. Der Rundgang mit Astrid Lohmann und Paul Zurmühlen könnte wohl noch Stunden so weitergehen. Dabei ist die Produktionshalle der HAKU Fertigungstechnik an der Hegelstraße in Künsebeck gar nicht so riesig. Aber sie steckt voller Technik und Ideen. Und voller Menschen, die spannende Details zu auf den ersten Blick gar nicht so spektakulären Produkten berichten können. Die Geschichte von HAKU ist eine des Wandels und von unternehmerischem Mut. Labrador-Dame empfängt den Gast Geschäftsführerin Astrid Lohmann empfängt in ihrem Büro. Und ist sofort wieder unterwegs, um ihren Vertriebschef Paul Zurmühlen zum Gespräch dazu zu holen. Durch den ganzen Besuch wird sich ziehen, wie wichtige der 55-Jährigen der Teamgedanke ist - und dass ohne diesen Zusammenhalt auch so manche Krise nicht zu bewältigen gewesen wäre. Während die Chefin weg ist, begrüßt die betagte Labradordame Lotte den Gast - dann geht es los mit einer bewegenden Firmengeschichte. Besondere Kompetenz bei Kunststoff Zwei Neustarts hat Astrid Lohmann bei der HAKU erlebt, was übrigens für Haller Kunststoffkugellager steht. Das Unternehmen fertigt Komponenten für den Maschinenbau - aus Metall, aber eben auch aus Kunststoff. Und da haben die Künsebecker eine besondere Expertise entwickelt. "Der ist schwerer zu zerspanen", erklärt Astrid Lohmann. Was bedeutet, dass es nicht so leicht ist, einen Span vom zu bearbeitenden Werkstoff abzunehmen, um eine gewünschte Form zu erreichen. Wenn man die glatten Oberflächen und reibungslosen Übergänge betrachtet, die HAKU bei seinen Kugellagern erzielt, wird diese Expertise auch für Laien sofort sichtbar. Schnelles Wachstum macht Probleme 2004 ging es für den Betrieb nach dem Verlust eines Großkunden noch mal von vorne los - mit fünf Mitarbeitenden und drei Maschinen, wie sich Astrid Lohmann erinnert. Sie und Paul Zurmühlen waren von Anfang an dabei. "Er war vorher im Innendienst die Stimme am Telefon für die Kunden - und ab dann auch das Gesicht", erklärt die Geschäftsführerin. Eine wegweisende Entscheidung. HAKU wächst schnell, baut 2008 an der Hegelstraße - und bekommt dann Probleme. Gesamte Fertigung ausgebaut Die muss Astrid Lohmann angehen, als sie 2016 beim zweiten Neustart als alleinige Geschäftsführerin übernimmt. Es geht um Effizienz, Liefertreue - letztlich um Kosten. "Wir hatten zum Beispiel eine Säge, die stand mitten im Fertigungsbereich. Da mussten alle drum herum arbeiten", erinnert sich die Betriebswirtin. Also lässt sich HAKU beraten, führt mit den Mitarbeitenden Workshops durch - und geht einen mutigen Schritt. "Wir haben 2018 die gesamte Fertigung ausgebaut, Wände rausgerissen - und dann mit Kreide eingezeichnet, wie die Wege künftig laufen sollen, wo Maschinen platziert werden", so Lohmann. Materialeinsatz sinkt Parallel installierte HAKU ein Produktionssteuerungs- und Planungssystem, um die Abläufe effizienter zu gestalten. Dabei kam auch das Thema Nachhaltigkeit auf den Tisch. Es ging darum, möglichst wenig Material zerspanen zu müssen. "Wir haben den Materialeinsatz seit 2016 um vier Produzent reduziert", erklärt die Geschäftsführerin. Ein wichtiger Wettbewerbsfaktor. "Denn am Ende geht es in den Verkaufsverhandlungen um den letzten Cent", verdeutlicht Paul Zurmühlen. 80 Prozent deutsche Kunden HAKU (Jahresumsatz: drei Millionen Euro) liefert zu 80 Prozent an deutsche Betriebe wie zum Beispiel den Staplerhersteller Jungheinrich, hat aber auch Kunden in den USA. "Durch die Kunststofflager sind wir für die Lebensmittelindustrie interessant, wir liefern an die Hersteller von Solar- und Medizintechnik oder für Maschinen von Melitta. Und jetzt an einen Hersteller von Pipelines", sagt Astrid Lohmann. "Mit dieser Vielseitigkeit waren wir auch in den Krisen gut aufgestellt." Pandemie war "Katastrophe" Corona sei "eine Katastrophe" gewesen. "Wir hatten 2018 ja gerade einiges investiert und wollten das erst mal verarbeiten. Und dann kommt eine Pandemie, mit der niemand umzugehen weiß." Auf eigene Kosten, so die Chefin, habe man den Betrieb geschlossen und alle Mitarbeitenden PCR-testen lassen. "Wir hatten trotzdem viele Fälle. Aber es macht mich stolz, dass wir diese Krise ohne finanzielle Unterstützung gemeistert haben - abgesehen von zwei Wochen Kurzarbeit", bilanziert Astrid Lohmann. Nächster Schock: Energiepreise Im August 2022 folgte indes der nächste Schock: ein Anstieg der Stromkosten um 300 Prozent. Da war es von Vorteil, das HAKU bereits intensiv an Einsparmaßnahmen gearbeitet hatte. "Aber jetzt würde ich zum Beispiel gern auf LED-Beleuchtung in der Produktion umstellen. Das kostet aber eben mal 30.000 Euro. Und wir müssen hier sehr genau abwägen, wo wir investieren." Betriebsleiter voller Tatendrang Denn da hätte auch Sebastian Kowalski einige Ideen und Wünsche. Der Betriebsleiter ist zwischen den zahlreichen Maschinen in der Halle unterwegs und sprüht nur so vor Ideen: "Natürlich ist es mein Ziel, noch mehr Innovationen einzubauen. Und dann auch zu wachsen. Wir hätten ja noch Platz, um eine Halle zu bauen." Astrid Lohmann grinst, als sie das hört. Die Dynamik gefällt ihr, doch sie ist noch vorsichtig, wie sie zuvor im Büro verraten hat. "Angesichts der zahleichen Krisen und Herausforderungen gehe es ihr zunächst einmal darum, ein stabiles Umfeld im Wettbewerb und für die rund 30 Mitarbeitenden zu schaffen. Wachstum komme dann im zweiten Schritt. Mitarbeitende als Erfolgsfaktor Überhaupt hat HAKU Mitarbeitergewinnung und -betreuung als zentralen Erfolgsfaktor erkannt. "Wir arbeiten viel mit Provisionen wie Jobrad, einer betrieblichen Krankenversicherung oder Erholungsbeihilfen. Und natürlich haben wir eine Inflationsausgleichsprämie gezahlt." Viele Mitarbeitende seien schon lange dabei, hätten mittlerweile selbst Familien gegründet - den Zusammenhalt empfindet Astrid Lohmann als Basis. Und sieht es als Ergebnis der Bemühungen, dass man zuletzt "gute Bewerbungen" gehabt habe und vakante Stellen adäquat besetzen konnte. "Klar ist aber auch, dass wir unsere Azubis aufbauen und entwickeln müssen. Wir können nicht mehr wie früher einen Realschulabschluss mit guten Mathe-Noten fordern." Vergünstigungen für Spätschicht Dass es im Sommer für die Spätschicht eine Vierstunden-Woche gibt, bei der nicht der gesamte Freitag vorher "reingearbeitet" werden muss - und dass die Spätschicht im Winter freitags bei vollem Lohn nur die Hälfte der Zeit arbeitet, sind weitere Zugeständnisse an motivierte Mitarbeitende. Und die trifft man dann tüftelnd an den technologisch anspruchsvollen Dreh- und Fräsmaschinen an. Gerade geht HAKU den nächsten Schritt in Sachen Digitalisierung und will auch KI in den Prozess einbinden - darin werden die Mitarbeitenden von einem externen Fachmann geschult. "Es geht vereinfacht darum, dass Zeichnungen von Kunden direkt in ein Programm übersetzt werden, das wir dann in die Maschinen einspeisen", erklärt Sebastian Kowalski. Einzelteile und Serienlieferungen HAKU fertigt anspruchsvolle Einzelteile nach speziellen Kundenwünschen, hat sich aber auch als Serienlieferant etabliert. Die Palette der Lager ist in Größe und Funktionalität schier endlos. "Und wenn man hier mal schaut, wie eben wir die Oberfläche hier hingekriegt haben, dann wird auch klar, warum Maschinen damit besser laufen", erklärt Paul Zurmühlen (59) stolz und deutet auf eines der Produkte. Verbundenheit der Familie Diese Begeisterung soll den Betrieb auch künftig antreiben. Astrid Lohmann fühlt sich HAKU verbunden. "Ich bin mit dem Unternehmen meines Vaters aufgewachsen." Soll es auch eine nächste Generation geben? Da lässt sich Astrid Lohmann noch nicht in die Karten schauen: "Meine Tochter studiert Jura und geht ihren Weg. Man weiß nie, was kommt." Besagte Tochter kommt aber kurz darauf auf einen Sprung im Betrieb vorbei - Astrid Lohmann muss schmunzeln: "So viel zum Thema Verbundenheit."

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