Haller Café Beuken Schmedt wartet auf eine neue mutige Tortenbäckerin

Halle. "Es könnte jederzeit weitergehen, alles liegt bereit", sagt Marlies Runge. Auf den Tischen stehen nummerierte Schildchen mit einer festgeklemmten Visitenkarte das Bauerncafés Beuken Schmedt und im Schrank wartet das sortierte Porzellan auf das erneute Aufeinandertreffen mit Kaffee und Kuchen. Es bedarf eigentlich nur noch einer mutigen Person, die ein Café eröffnen will. Aber gerade das ist in Zeiten von Corona-Nachwehen, Mitarbeitermangel und Inflation ein schwieriges Unterfangen. "Es steckt halt sehr viel Arbeit drin, man kann es nicht so nebenher machen", sagt Marlies Runge, die seit einigen Monaten eine Nachfolgerin für ihr Bauerncafé am Haller Stadtrand sucht. Als sie am 8. Juni 2002 das Café Beuken Schmedt eröffnete, habe sie auch noch so naiv gedacht. Sie wollte ihr zweites Standbein erhalten und arbeitete auch noch als Architektin weiter. Schnell aber merkte sie, dass es so nicht gehen kann. Bis zu 20 Torten hat sie allein an den Wochenende gebacken. "Meine beiden Öfen liefen pausenlos durch", sagt Runge. Backen sei stets ihre Leidenschaft gewesen, dabei mag sie selbst eigentlich gar nicht so gerne Sahnetorten. "Die esse ich kaum, ich stehe eher auf einen leckeren Tortenboden", sagt Runge. Die Lust an der Kreation des kalorienreichen Naschwerks sei aber immer noch groß, daher kann sich auch einfach nicht aufhören mit dem Backen. Kurz vor Weihnachten stellte sie den regulären Betrieb ein, seitdem öffnet sie nur noch für besondere Anlässe. Mamas Torten sind die Besten "Es wäre doch zu schade, hier alles einfach so stehen zu lassen", sagt Runge. Immer noch kämen Gäste, die erst an der Tür von der Schließung des Cafés erfahren. Aber es hat sich rumgesprochen, mittlerweile werden auch die Anfragen für Familienfeiern weniger. "Wir haben langsam Abschied genommen", sagt Werner Runge, der seine Frau in all den Jahren tatkräftig unterstützt hat und meistens den Job an der Theke erledigte. Die Leidenschaft fürs Backen konnte sie nicht an die Kinder vererben. Die seien ihren eigenen Weg gegangen, hätten frühzeitig gesehen, wie arbeitsreich der Tag ihrer Eltern war. "Für die war klar, dass sie das hier nicht weiterführen. Und das ist auch gut so", sagt Marlies Runge. Ohnehin hätte ihnen wohl die Leidenschaft fürs Großgebäck gefehlt. "Die Backen auch mal, aber....", sagt Marlis Runge und stoppt im Satz. "...Sie kann es halt besser", ergänzt ihr Ehemann Werner und spricht das aus, was nun einmal Fakt ist. "Es reicht jetzt einfach", sagt Marlies Runge. Sie selbst ist 69 Jahre alt, ihr Mann 74. "Ich habe früher immer gesagt, wir machen das, bis wir 90 Jahre alt sind", sagt Marlies Runge. Aber der Weg sei, das zeige sich nun, zu weit, die Gesundheit verweist das Ehepaar schon jetzt in seine Grenzen. Wer hat Lust auf einen Neuanfang? Gesucht wird nun jemand mit Mut und Backbegeisterung. "2002 habe ich selbst den Sprung ins kalte Wasser gewagt", erinnert sich Marlies Runge. Mit damals 48 Jahren hatte sie das Gefühl, noch mal was Neues machen zu wollen. Obwohl ihr bis dahin jede gastronomische Erfahrung fehlte, entschloss sie sich, viel Geld in die Hand zu nehmen und den alten Stall aus dem Jahr 1927 zu einem Café mit zwei Etagen auszubauen. "Ich habe ganz von vorne angefangen und mich ins Abenteuer gestürzt", sagt sie. Aber natürlich waren die Vorzeichen damals auch besser als heute. Die Bauerngastronomie habe in den Startlöchern einer sehr erfolgreichen Zeit gestanden, Vorbild für de Runges sei das Ende 2016 geschlossene Café im Schafstall in Hesselteich gewesen. "Halle hatte so etwas damals noch nicht und ich denke auch, dass Halle heute noch so etwas braucht", sagt Marlies Runge. Viele Gäste seien traurig, das habe sie in den letzten offiziellen Öffnungstagen oftmals zu hören bekommen. "Wir waren ein Treffpunkt für viele Gruppen. Die jungen Leute kamen nicht zu uns, aber viele mittelalte und alte Menschen hatten hier ein Ziel." Es gab ein paar Interessenten und Marlies Runge selbst hatte schon jemanden als mögliche Tortenfee-Nachfolgerin ins Auge gefasst. Aber alle Ideen zerschlugen sich bisher. "Wer das machen will, muss es ernst meinen und mit viel Herzblut an die Sache gehen", sagt Runge, die sich selbst als Bäckerin aus Leidenschaft bezeichnet. Und natürlich müsste auch der Umsatz passen, damit die Pacht gezahlt werden kann und unterm Strich noch Geld zum Leben übrig bleibt. Es gibt noch eine Lösung zweiter Klasse Das Café bietet 54 Sitzplätze im Erdgeschoss, 65 weitere Plätze im Partyraum im Obergeschoss sowie einen Biergarten. Das Ehepaar Runge hofft weiterhin, dass es ein Café bleibt und das jemand ihr Lebenswerk fortsetzt. "Wir werden es in Kürze wohl auch online anbieten, bisher haben wir ja nur selbst potenzielle Nachfolger angesprochen", sagt Marlies Runge. Möglicherweise könne man die Räume auch zu Büros oder eine Physiotherapie-Praxis umbauen. Aber ein Café mit einer sich drehenden gläsernen Kuchenvitrine und frischem Kaffeeduft in der Luft, das wäre ihnen am allerliebsten. Es wäre die Kirsche auf der Sahne und erst, wenn gar nicht mehr geht, könnten sich auf den rund 200 Quadratmetern Laserdrucker gegen Linzer Torte und Aktenordner gegen Apfelkuchen durchsetzen. "Wir hoffen weiter", sagt Marlies Runge und bis machen sie noch weiter. Immer etwas weniger, bis sie die Tür endgültig schließen müssen.

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