Der Gang durch die Haller Innenstadt muss für Kunden zum Erlebnis werden

Halle. Mehr als 100 überwiegend aus dem Einzelhandel kommenden Gäste sind am Dienstagabend in den Showroom der Gerry Weber AG gekommen, um beim "Retail Meet-Up", dem ersten Haller Wirtschaftstreffen für den Einzelhandel, ihre Erfahrungen auszutauschen. Die Veranstaltung der Stadt, der HIW und der Initiative "Kauf im Ort" sollte aber nicht nur das Netzwerken fördern, sondern zugleich Ideen hervorbringen, die den Einzelhandel in der Lindenstadt voranbringen können. Liefern sollten diese Geistesblitze die prominenten Redner, die bei der von Frank Hofen (Innenstadtmanagement) und Kati Bölefahr (Bielefeld Marketing) moderierten Veranstaltung den Gästen rund zwei Stunden lang die Realität aufzeigten, aber zugleich auch Mut machten. Halle habe, so Bölefahr, einen Branchenmix, mit dem es wuchern könne, gleichwohl seien die bevorstehenden Aufgaben kein Sprint, sondern ein Marathon. Einer der als Paradebeispiel dafür dienen kann, innovative Ideen in den Handel zu holen, ist Mark Rauschen, geschäftsführender Gesellschafter von L&T in Osnabrück. "Der Einzelhandel hat noch fünf schwierige Jahre vor sich. Wir müssen durchhalten", sagte Rauschen. Die aktuellen Nachrichten aus der Branche seien natürlich alles andere als gut. "P&C im Schutzschirmverfahren, Zalando entlässt hunderte Mitarbeiter und Galeria Karstadt-Kaufhof will 52 Filialen schließen. Allerdings haben diese Firmen nicht auf die Menschen vor Ort gehört. Und sie sind nicht mit Herz und Leidenschaft Einzelhändler", sagte Rauschen. Osnabrücker Haus ist so groß wie das Hamburger Kult-Kaufhaus Das Sport- und Modehaus L&T in Osnabrück besteht seit 1910 und beschäftigt aktuell 530 Mitarbeiter. "Wir sind so groß wie das Alsterhaus, aber unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind echte Typen. Sie sind uns heilig, sie sind L&T", sagte Rauschen. Kunden kämen extra noch einmal am nächsten Tag wieder, wenn ihr persönlicher Berater am ersten Tag nicht da sei. "Wir machen etwas, wo die Menschen sich wohlfühlen", sagt Rauschen. Einkaufen sei Pflichtprogramm, Shoppen sei hingegen wie Urlaub für die Seele. Und bei L&T kommt als Sahnehäubchen noch der Eventcharakter hinzu. Es gibt gastronomische Angebote, wie etwa eine Tapas-Bar, Europas innovativstes Sporthaus mit einer Fläche von 5.000 Quadratmetern und die Indoor-Surfanlage Hasewelle. "Niemand kommt zu uns, weil er friert, sondern weil er etwas Schönes haben will", weiß Rauschen. Daher muss man den Kunden zusätzliche Anreize geben. "Wir wollen Mut machen, nach vorne schauen und Gas geben." Natürlich sei Halle nicht Osnabrück und Geschäfte der Größenordnung von L&T gebe es nicht, aber gute Ideen ließen sich überall umsetzen. Treffen soll auch die Arbeit der Haller Händler würdigen "Was wäre unsere Innenstadt ohne bunte Schaufenster? Geschäfte machen die Seele einer Innenstadt aus. Was wäre unser Halle ohne Sie, die Innenstadt-Akteure?", sagte Wirtschaftsförderin Susanne Künstler zur Begrüßung der Gäste. Die "großartige Leistung" der Haller Einzelhändler sollte mit diesem Treffen gewürdigt werden. Zudem solle es eine Basis für Information und Vernetzung bieten. Michael Radau, Präsident des Handelsverbands NRW sowie Gründer der SuperBioMarkt AG, sprach von bitteren Zeiten für den Handel. "Ich hoffe, dass wir aufwachen. Allerdings habe ich den Eindruck, dass in Halle Verwaltung und Kaufleute gut zusammenarbeiten", sagte Radau. Man sei, bundesweit gesehen, zwar weit entfernt von einer positiven Verbraucherstimmung, allerdings "sieht man wieder Licht am Ende des Tunnels". Nachdem sich das Konsumbarometer im vergangenen Oktober auf einem historischen Tiefststand befunden habe, gehe die Kurve seitdem wieder nach oben. Das Weihnachtsgeschäft habe, bedingt durch die zuvor beschlossene Energiepreisbremse, eine Art Wende gebracht und aktuell lege der private Konsum wieder auf dem Niveau von 2019. Allerdings sei für ihn auch klar, dass sich heute jeder Einzelhändler Gedanken darüber machen muss, wie er seine Ware auch über das Internet verkaufen kann. "Multichannel wird immer relevanter", sagte Radau. Der Handel ist und bleibt Leitfunktion für Innenstädte, jedoch benötige man Veränderungen in der Denkweise. Die Innenstädte seien weiterhin gewollt, auch bei jungen Menschen. Verkaufsoffene Sonntage seien zudem wunderbare Möglichkeiten, um die Qualität des Handels aufzuzeigen. "Man muss nicht jeden Sonntag öffnen, aber drei- oder viermal pro Jahr sollte man diese Chance nutzen", sagte Radau. Die Erreichbarkeit per Auto ist immens wichtig IHK-Geschäftsführer Dr. Christoph von der Heiden ging in seinem Vortrag noch einmal auf die Standortumfrage der IHK unter 50 Haller Betrieben aus dem vergangenen Jahr ein. Demnach ist es am wichtigsten, dass man das jeweilige Geschäft mit dem Auto erreichen kann. Insgesamt habe Halle gute Ergebnisse erzielt, jedoch sei rund die Hälfte aller Befragten unzufrieden mit der Mobilfunkinfrastruktur. "Wir verändern uns nur dann, wenn es schon zu spät ist", sagte der Haller Motivationscoach Ralf R. Strupat. Die Ideen von L&T sollte man als Schablone verwenden und auf das eigene Geschäft runterbrechen. "In Ihnen muss das brennen, was Sie in anderen entzünden wollen", richtete er seine Worte direkt an die anwesenden Einzelhändler. "Wir feiern in diesem Jahr unser 50-jähriges Bestehen", sagte Angelika Schindler-Obenhaus, CEO der Gerry Weber AG, und erinnerte zugleich an die Anfänge der damaligen Hatex KG von Udo Hardieck und Gerhard Weber mit dem legendären Damenhosenverkauf in der Garage. "Wir sind in 54 Ländern tätig und haben eine Markenbekanntheit von über 90 Prozent", hob sie den nach wie vor hohen Stellenwert von Gerry Weber hervor. "Wir wollen Frauen schöner machen und für Mode inspirieren", sagte die Gastgeberin. Bevor die Veranstaltung mit Snacks und Gesprächen im kleineren Kreis endete, richtete noch Bürgermeister Thomas Tappe einige Worte an die Gäste. "Ich bin kein Einzelhandelsexperte, umso mehr freut es mich, dass wir hochkarätige Referenten begrüßen konnten, die Ihnen eben sicherlich trotz der eher düsteren Aussichten durch fachliche Kompetenz und gelebte Ideenvielfalt einen notwendigen Motivationsschub und wichtige Impulse für Ihre weitere Tätigkeit verleihen konnten." Er dankte den Haller Händlern für das vielfältige Angebot und die persönliche Beratung. Durch die bedarfsgerechte und passgenaue Versorgung vor Ort erspare man den Menschen lange Wege. "Dies ist aus sozialen, aber auch klimatechnischen Gründen absolut notwendig und unerlässlich", sagte Tappe.

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