Nach Erdbeben: Haller will Schwester herholen - und stößt auf Probleme

Halle. Hüseyin Sekman hat 20 Verwandte durch das Erdbeben in der Türkei verloren. Seine Familie lebt in Adiyaman. Die 630.000 Einwohner zählende Stadt im Südosten der Türkei ist stark vom Erdbeben getroffen worden. "4.600 Menschen sind dort gestorben", sagt Hüseyin Sekman. Dann zieht er die Augenbrauen hoch und fügt hinzu: "Offiziell. Die wirklichen Zahlen, so sagt man, sind doppelt oder dreifach so hoch. Umgerechnet auf eine Stadt wie Halle würde das bedeuten: 350 Tote - an einem einzigen Tag." Die acht Geschwister von Hüseyin Sekman haben überlebt. "Zum Glück", sagt der 47-Jährige und atmet tief durch. Doch es war knapp. Ganz knapp. Um Zentimeter verfehlte eine einstürzende Wand den Kopf des zwölfjährigen Sohns seiner jüngsten Schwester. Die Wohnung war anschließend zerstört - Elif Sekman Ün (41) musste mit ihren beiden Kindern (7 und 12) die nächsten Nächte im Auto des Nachbarn und in Zelten verbringen. Bei Schnee und tiefen Minusgraden. Mit ihren Kindern begab sie sich anschließend in das 1.100 Kilometer entfernte Bursa, wo sie seitdem zusammen mit vier Familien in einer kleinen Wohnung einer Verwandten lebt. "Ich wollte nach Adiyaman, um dort zu helfen. Doch meine Schwester hat mir gesagt, ich solle das besser nicht tun. Es gebe dort weder Platz zum Schlafen noch Strom oder Wasser", sagt Hüseyin Sekman. Seine Schwester indes fuhr noch einmal die 1.100 Kilometer zurück, um dort Papiere und Unterlagen aus den Trümmern der Wohnung zu holen und berichtete von einem fürchterlichen Gestank, der über der Stadt liege. Haller muss zusichern, für den Unterhalt aufzukommen Als Hüseyin Sekman dann von der Möglichkeit hörte, dass Verwandte ersten Grades, die vom Erdbeben betroffen sind, in einem beschleunigten Verfahren einen Aufenthaltstitel für 90 Tage in Deutschland bekommen könnten, war ihm klar: "Ich hole meine Schwester und ihre beiden Kinder nach Halle." Die Voraussetzung dafür ist unter anderem, dass er eine Verpflichtungserklärung abgibt, für deren Unterhalt aufzukommen. "Das ist kein Problem für mich", sagt Hüseyin Sekman. Er lebt seit mehr als sieben Jahren in Deutschland hat einen festen Job bei einem Taxiunternehmen, am Wochenende arbeitet er außerdem noch für einen Pizza-Bringdienst. Doch um einen Antrag zu stellen und die Verpflichtungserklärung abzugeben, benötigt er einen Termin bei der Ausländerbehörde des Kreises. "Am 14. Februar habe ich dort angerufen", berichtet Hüseyin Sekman. Und er erhielt einen Termin: Dienstag, 21. März, 8 Uhr. "Dabei soll es doch ein schnelles Verfahren geben", fügt er kopfschüttelnd hinzu. Denn mit der Antragsstellung ist es noch nicht getan. Anschließend, so Sekman, müssten die Unterlagen noch in die Türkei geschickt und dort ausgefüllt und amtlich registriert werden. Bei den augenblicklichen Verhältnissen dort bedeute das eine weitere Verzögerung. "Wenn ich alles hätte, würde ich deshalb sofort dorthin fliegen und alles organisieren", sagt er. Doch dazu braucht es eben einen Termin. Kreissprecher: "Wir bemühen uns, die Fälle vorzuziehen" Auf Anfrage beim Kreis Gütersloh antwortete Sprecher Jan Focken: "Wir bemühen uns, die Fälle vorzuziehen, und das Verfahren neu aufzustellen. Grundsätzlich ist es aktuell jedoch so, dass es zu langen Wartezeiten in der Ausländerbehörde des Kreises Gütersloh kommen kann. Nicht zuletzt durch die Flüchtlinge aus der Ukraine und aktuell auch wieder aufgrund von Ausfällen durch Corona gibt es Kapazitätsprobleme. Personell hat der Kreis immer wieder versucht, gegenzusteuern." Hüseyin Sekman hilft das nicht weiter. Er ist verärgert, zumal er jetzt von einem Kollegen erfahren hat, der in Bielefeld bei der dortigen Ausländerbehörde in ähnlicher Angelegenheit persönlich vorgesprochen hatte. Sein Anliegen wurde sofort bearbeitet.

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