Gericht entscheidet

Millionenstrafe wegen Insiderhandels mit Gerry-Weber-Aktien

Der Hauptangeklagte kommt ohne Haftstrafe davon, muss aber tief ins Portemonnaie greifen. Ein entscheidende Frage zu den Vorgängen an der Börse bleibt aber unbeantwortet.

Die Gerry Weber International AG in Halle hat das Insolvenzverfahren hinter sich gebracht. | © Nicole Donath

30.12.2020 | 30.12.2020, 15:41

Halle/Braunschweig. Fast zwei Jahre haben die Ermittlungen gedauert, doch jetzt hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig im Verfahren um Insiderhandel mit Gerry-Weber-Aktien eine Entscheidung getroffen. Die Verfahren gegen die vier Beschuldigten werden vorläufig eingestellt – gegen teils saftige Geldbußen. Der Hauptbeschuldigte, ein 69-jähriger Depotinhaber aus Braunschweig, muss den Angaben der Staatsanwaltschaft zufolge zwei Millionen Euro zahlen, wie der Erste Staatsanwalt Hans Christian Wolters bestätigte.

Der hohe Betrag kommt zustande, weil der Mann die Gewinne, die er durch den verbotenen Insiderhandel erzielt hat, auch abführen muss. Hierbei geht es um 1,2 Millionen Euro. Hinzu kommt die Geldauflage von 800.000 Euro. Die drei anderen Beschuldigten zahlen Geldauflagen in vier- und fünfstelliger Höhe.

Im Februar 2019 hatte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig gestellt. Sie vermutete Insiderhandel mit Aktien der Gerry Weber International AG (GWI) aus Halle. Anlass waren die Ereignisse rund um das Insolvenzverfahren des schwer angeschlagenen Modekonzerns.

Die Aktie sackte radikal ab

Am 24. Januar 2019 – einen Tag, bevor der Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt wurde – war der Kurs binnen weniger Stunden um 27 Prozent abgerutscht. Am Freitag, 25. Januar, sackte er um weitere 30 Prozent bis auf 0,45 Euro je Aktie ab, bevor der Handel für knapp eineinhalb Stunden ausgesetzt wurde. Während dieser Zeit veröffentlichte Gerry Weber pflichtgemäß die Mitteilung, dass man Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt habe.

Im zeitlichen Zusammenhang dieser Ereignisse gab es auffällige Aktiengeschäfte, die Ermittlungen gegen insgesamt vier Beschuldigte aus dem Raum Braunschweig nach sich zogen: Den Inhaber eines Aktiendepots, seinen Bevollmächtigten und zwei jüngere Personen aus Braunschweig, die sogenannte Put-Optionsscheine (Wetten auf fallende Werte) erwarben und gewinnbringend weiterverkauften.„In allen vier Fällen stand der Verdacht im Raum, dass die Männer von den bevorstehenden Entwicklungen im Konzern wussten", so Staatsanwalt Wolters. Im August 2019 folgten Durchsuchungen. Beweise wurden sichergestellt. Das Quartett war jedoch nicht vorbestraft. Deshalb hat die Staatsanwaltschaft nun die Einstellung der Verfahren gegen Geldauflagen angeregt.

Auch Freiheitsstrafen wären möglich gewesen

Beim Bevollmächtigten (71) des Haupttäters - er stammt aus dem Kreis Wolfenbüttel - kam mildernd hinzu, dass er wohl nur auf Anweisung handelte und selbst nicht von dem Insiderhandel profitierte. Die vier Männer haben bis Mai 2021 Zeit, die Strafen zu bezahlen. Im Fall einer Verurteilung hätte den Beschuldigten wegen Verstoßes gegen die Marktmissbrauchsverordnung auch eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren drohen können.

Offen ist weiterhin, woher der Hauptangeklagte die Informationen über die bevorstehende Insolvenz des Haller Modekonzerns hatte. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt in dieser Richtung nicht weiter. Dies ist wiederum Sache der Behörden in OWL. Ein anderes Verfahren der BaFin zu auffälligen Kursbewegungen der Gerry-Weber-Aktie im September 2018 war zu dem Ergebnis gekommen, dass keine Anhaltspunkte für Insiderhandel vorliegen.