Halle. Die Stadt Halle befindet sich in ruhigem Fahrwasser. Nach zuletzt unruhigen Zeiten ist das die Botschaft, die Kämmerer Jochen Strieckmann bei der Einbringung des Haushalts 2020 verkündete. In der Vergangenheit war die Präsentation auch guter Zahlen stets mit einem erhobenen Zeigefinger verbunden: Mit der Warnung vor Engpässen bei der Liquidität. Mit dem Rat, Investitionen genau auf ihre Dringlichkeit hin zu überprüfen. Und mit der Aufforderung, freiwillige Leistungen zu hinterfragen. Diesmal aber blieb der Finger unten. Und das ist ein Fingerzeig.
Die nächsten zwei Jahre
Für 2019 rechnet Strieckmann mit einem Plus von knapp sieben Millionen Euro. Hinzuzählen müsse man die Auflösung von Rückstellungen für einen Prozess um Gewerbesteuerrückzahlungen, den die Stadt Halle vermutlich gewinnen werde – Größenordnung 12,7 Millionen Euro. Bedeutet: Das Jahr könnte mit einem Ergebnis von plus 20 Millionen Euro enden. Für 2020 planen die Verantwortlichen mit einem Überschuss von sechs Millionen, 2021 mit 3,7 Millionen.
Langfristige Prognose
Der Haushalt der kommenden zwei Jahre wird durch drei einmalige Effekte beeinflusst. Zum einen entfällt Ende 2019 der kommunale Anteil an den Lasten zur Wiedervereinigung im Fonds Deutscher Einheit. Außerdem erhält die Stadt Rückzahlungen aus dem Einheitslastenabrechnungsgesetz, die das Land laut einem Gerichtsurteil rechtswidrig erhoben hatte. Drittens fließen Erträge aus Grundstücksveräußerungen – vor allem aus dem Baugebiet Gartnischkamp. Diese Effekte fallen 2022 weg. Daher rechnet der Kämmerer dann mit einem Minus von 200.000 Euro. Kein Anlass zur Sorge. „Wir gehen von einer Nulllinie aus. Von weiterhin ruhigem Fahrwasser", so Strieckmann
Halle investiert viel
Mit einem Investitionsvolumen von 24,1 Millionen Euro oder etwa 1.100 Euro pro Einwohner bewegt sich Halle im Landesvergleich auf sehr hohem Niveau und investiert zweieinhalb mal so viel wie vergleichbar große Kommunen. Für 2020 schlägt der Neubau des Sportplatzes Masch mit 2,8 Millionen Euro am stärksten zu Buche. Der Ausbau des Glasfasernetzes bedeutet zwar Investitionen von 11,2 Millionen, dagegen steht aber eine Förderungssumme von 12,9 Millionen.
Stadt kann alles zahlen
Noch im vergangenen Jahr warnte Jochen Strieckmann vor einem zu hohen Liquiditätsverlust. Davon ist heute nichts mehr zu hören. Im Gegenteil: „2020 gehen wir von einer Erhöhung der Liquidität um 2,7 Millionen Euro aus, 2021 um zwei Millionen", erklärt der Kämmerer. Aufgrund der anstehenden Großinvestitionen wie Kläranlagenbau oder dem Bauprojekt Grundschule Gartnisch kommt es 2022/2023 planmäßig zu einem Rückgang der Liquidität um knapp 20 Millionen Euro. „Aber auch die hätten wir dann", sagt Strieckmann. Bedeutet: Die Stadt Halle wird diese gewaltigen Investitionen ohne Kreditaufnahme bezahlen können. Erst in den Jahren 2024/2025 könnte es notwendig sein, zur weiteren Finanzierung der Großprojekte wieder Kredite aufzunehmen.
Trotz Gerry-Weber-Krise
Trotz der Krise des Modeunternehmens Gerry Weber bleibt die Gewerbesteuer bei 27 Millionen Euro stabil. Ein Anlass, um den Steuersatz zu senken? „Wir haben darüber gesprochen, es aber nicht vorgeschlagen. Uns stehen große Investitionen ins Haus, bei denen wir noch nicht ganz genau wissen, wohin die Reise geht. Ein Badesee ist etwa ein Thema. Unsere Firmen sind auch so erfolgreich, weil wir eine Infrastruktur schaffen, die wir uns einiges kosten lassen. Deshalb kann ich gut damit leben, den Steuersatz nicht zu senken", sagt Bürgermeisterin Anne Rodenbrock-Wesselmann.
Bald schuldenfrei
Seit seinem Antritt als Kämmerer im Jahr 2012 musste Jochen Strieckmann nur einen einzigen Kassenkredit aufnehmen. „In den kommenden Jahren nähern wir uns, was die Schulden angeht, der Nulllinie. Im Jahr 2023 werden wir annähernd schuldenfrei sein", sagt Strieckmann.
Aufwendungen steigen
An erster Stelle steht hier die Kreisumlage, also die Zahlung an den Kreis, mit einem satten Plus von 1,5 Millionen Euro (plus 18,1 Prozent zum Vorjahr). „Ursache hierfür ist nicht etwa die gestiegene Steuerkraft von Halle, die dafür sorgt, dass wir mehr von den Gesamtkosten tragen müssen. Es ist der Mehrbedarf des Kreises. Vor allem beim Kreisjugendamt. Das ist eine landesweite Entwicklung", so Strieckmann
Puffer wird größer
Die Ausgleichsrücklage, die derzeit 36,3 Millionen Euro beträgt, wird laut Plan in den kommenden zwei Jahren auf 62 Millionen Euro anwachsen. „Das ist gewaltig", sagt Bürgermeisterin Anne Rodenbrock-Wesselmann. Dabei handelt es sich jedoch nicht um real vorhandenes Geld, sondern um eine Buchungsposition. Sie beschreibt lediglich den Spielraum, in dem die Stadt Kredite aufnehmen darf, um Fehlbeträge auszugleichen – ein Puffer eben.
Immer gegen den Trend
Während im Kreis die Warnungen vor einer Rezession zunehmen, boomt es in Halle. „Wir verhalten uns immer antizyklisch zu den anderen Kommunen im Kreis. Steigt deren Steuerkraft unterproportional, legen wir vergleichsweise mehr zu und umgekehrt", sagt Kämmerer Jochen Strieckmann. Eine Erklärung dafür hat er nicht. Die Nachbarn würden sagen: Halle braucht eben immer eine Extrawurst.
 
                 
                                     
                                     
                                     
                                    
