
Borgholzhausen. Jonny, das sind 51 Kilogramm Lebendgewicht und pure Energie. Wer den Deutschen Schäferhund auf dem riesigen Anwesen von Dr. Catrin Segerath an der Meller Straße herumtollen sieht, wer sieht, wie er den Gast vom „Haller Kreisblatt“ zum Ballwerfen animiert, um dann in Windeseile hinter dem orangefarbenen Lieblingsspielzeug herzulaufen, glaubt kaum, dass sein Leben bis vor rund vier Monaten noch ganz anders aussah.
Bärbel Pinkernell, ehrenamtliche Kraft beim Tierheim Melle, hat Jonny an Catrin Segerath vermittelt. Auch auf der Seite des Tierheims (tierheim-melle.de) wurde für den Rüden ein neues Zuhause gesucht. Die Umstände in seinem alten Zuhause waren für den sechs Jahre alten Schäferhund nicht artgerecht. So gepflegt wie jetzt habe der Rüde nicht ausgesehen. Seine Spielzeuge waren eine Plastikflasche und eine alte Schuhsohle. „Hier aber ist das Paradies für Jonny“, schwärmt Pinkernell vom Anwesen in Borgholzhausen.

Beiden Frauen ist ganz grundsätzlich wichtig, zu betonen: Es geht ihnen nicht darum, Menschen, die ihre Hunde abgeben müssen, zu stigmatisieren. „Es kann durch Veränderungen im Leben so viel passieren“, weiß Catrin Segerath. Bei Jonnys alter Familie war das so. Seine Bedürfnisse wurden aufgrund persönlicher Umstände zweitrangig. Bitterlich heulte der agile Rüde in seinem kleinen Auslauf, die Spaziergänge mit ihm wurden rar und kurz. Bis sich die Besitzer an Bärbel Pinkernell wandten und selbst um Vermittlung von Jonny in ein besseres Zuhause baten.
Für die Halterin ais Borgholzhausen kommt nur ein Hund aus dem Tierschutz infrage
Segeraths Devise bei Hunden lautet „Adoptieren statt produzieren“. Lieber als vom Züchter holt sich die Borgholzhausenerin einen Hund aus dem Tierschutz. „Für mich kommt nur das infrage“, unterstreicht sie. Auch bei Jonny war das so. Und bei dessen Vorgänger auch. Der war 13 Jahre und galt im Tierheim Wilhelmshaven als unvermittelbar. Catrin Segerath fragte bei ihrem Besuch dort lediglich „Warum?“ – und nahm Wolfi mit nach Hause. Eineinhalb Jahre lebte der Rüde noch. „Es war eine tolle Zeit“, schwärmt die promovierte Kieferorthopädin.
Mehr zum Thema: Hunde in Not – Fotografin aus Borgholzhausen hilft
Catrin Segerath verweist darauf, dass in Deutschland jährlich 80.000 Hunde im Tierheim landen. 1.400 Tierheime oder vergleichbare Einrichtungen versuchen bundesweit, den Tieren ein befristetes Zuhause zu geben – Aufnahmestopps sind wegen der hohen Zahl an der Tagesordnung. „Für jede familiäre Situation gibt es geeignete Tiere, die dankbar für ein neues Heim sind – und die Freude bringen.“

Vorurteile gegen Tierschutz-Hunde können Segerath und Pinkernell nicht nachvollziehen. Auch Hunde von Züchtern könnten ihre „Macken“ haben. „Jonny ist gut sozialisiert“, unterstreicht Catrin Segerath. Innerhalb von zwei Tagen sei er zum vollwertigen Familienmitglied geworden. „Er ist problemlos gegenüber Kindern und mag auch Artgenossen gern.“ Mischlingsdame Fine, die Hündin von Bärbel Pinkernell, muss den deutlich größeren Schäferhundrüden beim Besuch immer mal wieder in die Schranken weisen, wenn er ihr zu nahe kommt. Zudem ist Jonny aus „gutem Haus“ und mit den entsprechenden Papieren ausgestattet. Seine Schwester Cora ist Europameisterin in einer Hundesportdisziplin.
Zaun auf Anwesen muss wegen Schäferhund Jonny höher werden
Jonny ist ein solches Energiebündel, dass Catrin Segerath an ihrem Grundstück Maßnahmen ergreifen muss. Der Zaun zum Nachbarn ist so flach, dass ihn der Schäferhund locker überspringt. „Er hat auch schon Bratwürste von nebenan gestohlen“, erzählt Catrin Segerath und lacht. Nun soll an dieser Stelle auf einer Länge von insgesamt gut 80 Metern nachgebessert werden.

Aus der zuständigen Kreisverwaltung kommen dafür positive Signale. Unter Bedingungen hat der Naturschutzbeirat dem Zaun zugestimmt, wie Catrin Segerath mit einer E-Mail belegt. Demnach sollte der Zaun im unteren Bereich eine Maschenweite von mindestens 15 Zentimetern mal 15 Zentimetern haben. Alternativ könnten die Maschen kleiner gewählt werden, wenn unten eine Lücke von mindestens 15 Zentimetern zwischen Zaununterkante und Geländeoberkante gelassen werde. Damit soll die Durchlässigkeit für Kleintiere gewährleistet werden. Catrin Segerath möchte nach eigenem Bekunden sogar 20 Zentimeter Platz lassen. Der Zaun darf maximal zwei Meter hoch sein.
Thema Tierschutz: 25 Katzen nahe Borgholzhausen aus Wohnung gerettet
Jonny ist also gut untergekommen und demnächst mit höherem Zaun auch vor der nahen, viel befahrenen Straße besser geschützt. Aber Catrin Segerath und Bärbel Pinkernell haben einen aktuellen Notfall. Es handelt sich um Nala, knapp sechs Jahre alt und eine Deutsche Schäferhündin. Catrin Segerath hat es mit der Hundedame probiert, aber sie wurde mit Jonny nicht wirklich warm. Nala sucht daher immer noch ein neues Zuhause.
Auch Schäferhündin Nala sucht ein neues Zuhause
Auch bei Nala gilt, was schon auf Jonny zutraf. Die Lebensumstände „ihrer“ Menschen haben sich plötzlich geändert. Das Tier muss leiden, und der Mensch verzweifelt. Nalas Besitzerin wurde von ihrem Lebenspartner verlassen. Die zierliche Frau kann die 40 Kilogramm schwere Hündin kaum bändigen. Im Moment gehe ein Nachbar regelmäßig mit Nala spazieren, erzählen die beiden Frauen. Das werde aber nicht so bleiben. Nalas Besitzerin war so verzweifelt, dass sie den Tierarzt kürzlich sogar um Euthanasie für ihre Hündin bat.

Wer Nala (siehe Foto) bei sich aufnehmen möchte, kann sich gern bei Bärbel Pinkernell unter Tel. 01525 6757347 melden. „Der Hund ist aber nichts für Anfänger“, unterstreicht die Tierschützerin aus Melle. Zu Hause sei Nala ein absoluter Schatz, aber den Umgang mit anderen Hunden kenne sie kaum. Da passt es, dass der Schäferhundverein Wertherberg gratis ein Sozialisierungstraining für Nala anbietet. Nala ist geimpft, gechipt und nicht kastriert. Ihre Lieblingsspielzeuge sind Stock und Ball.
Der Besuch auf dem Anwesen von Catrin Segerath neigt sich derweil dem Ende zu. Jonny zeigt dem Gast aber noch eine weitere „Spielwiese“. Auf dem Grundstück ist ein großer Teich, in den der Schäferhund gerne springt und den Nutrias nachjagt. Oder dem orangefarbenen Ball, den Catrin Segerath für ihn ins Wasser wirft. Pure Energie, 51 Kilogramm Lebendgewicht. Und in der Hoffnung auf ein gutes Ende.
Aktuelle Nachrichten bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK