Kunden-Andrang: Heimische Metzgereien profitieren vom Tönnies-Skandal

Spätestens seitdem die Infektionszahlen bei der Großschlachterei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück in die Höhe schnellten, rückten die Metzgereien vor Ort verstärkt in den Blick und die Gunst der Verbraucher. Ein Besuch der beiden Piumer Traditionsbetriebe.

Bernd Goldbecker. | © Alexander Heim

08.07.2020 | 08.07.2020, 09:49

Borgholzhausen. „Bei uns gab es eine unheimlich gestiegene Nachfrage", stellt Bernd Goldbecker fest. „Es gibt auch ein großes Interesse vieler neuer Kunden, wie wir es machen", verrät der Metzger. Schon mit Beginn der Corona-Krise im März sei das so gewesen. Seit dem Tönnies-Skandal „kam noch einmal eine ganze Schippe drauf."

Dabei ist die Landfleischerei im Herzen der Lebkuchenstadt etwas Besonderes. Denn: „Es gibt nur noch drei oder vier Metzgereien im Kreis Gütersloh, die selber schlachten." Der Kollege Ulrich Niemeyer in Holtfeld gehöre mit seiner Hausschlachterei auch dazu.

In Doppelschichten der gestiegenen Nachfrage begegnen

Ein Grund dafür, überlegt Bernd Goldbecker, könnte in den Fleischbeschaugebühren liegen, wie sie bis Ende 2019 gegolten haben. Rund 16 Euro waren es je Schwein, knapp 32 Euro je Rind. „Bis zu 1.500 Euro im Monat". Eine Firma wie Tönnies konnte hingegen mit Preisen von rund 20 Cent je Tier kalkulieren. „Für uns steht das Lebewesen an erster Stelle", betont Bernd Goldbecker, der sein Geschäft zusammen mit Ehefrau Annemarie und vielen Mitarbeitern betreibt.

„Fleisch ist kein Schnellprodukt", betont die Geschäftsfrau. „Dauerwurst braucht vier Wochen, bis sie fertig ist", rechnet Bernd Goldbecker vor. Der Schinken im Laden hat bereits zwei Jahre Vorlaufzeit hinter sich. „Wir machen 70 Sorten Wurst selber", erklärt Bernd Goldbecker. Es gebe Zukäufe, aber über den Tresen ginge zu 90 Prozent die eigene Wurst.

„Wir schlachten nicht mehr", verrät Martin Klaus, der seit einigen Jahren die Landmetzgerei Klaus in Westbarthausen in zweiter Generation betreibt. „Wir verarbeiten nur noch." Und auch er räumt ein, dass sich seit der EU-Verordnung die Schlachterei nicht mehr gelohnt habe. Stolz ist er auf das Eichenhoffleisch, das er von der Erzeuger-Gemeinschaft Georgsmarienhütte bezieht. Nicht zuletzt durch besondere Fütterung habe das Fleisch besondere Qualität.

Martin Klaus - © Alexander Heim
Martin Klaus (© Alexander Heim)

„Wir haben hier viele Stammkunden", freut sich der 46-Jährige. Und erinnert sich lebhaft: „Zu Beginn der Pandemie ging hier alles drunter und drüber." Doppelschichten habe man da sogar geschoben. „Es sind auf jeden Fall mehr Kunden geworden. Und die Stammkunden sind auch häufiger gekommen", so Klaus. Im Hofladen vertreiben Martin Klaus und sein Team die Fleischprodukte. Daneben ist er auf vielen Märkten unterwegs. In Halle etwa. Oder in Osnabrück. „Wir sind hier das erste Haus im Kreis Gütersloh", beschreibt er die unmittelbare Nähe zur niedersächsischen Landesgrenze. Doch während des Lockdowns war er vom Markttreiben in Osnabrück ausgeladen. „Dabei haben wir mit Tönnies und Rheda-Wiedenbrück hier doch überhaupt nichts zu tun." Gern hätte man im September das 50-jährige Bestehen gefeiert. Aber alles hängt dabei von den weiteren Entwicklungen in Sachen Corona ab.

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