Benjamin Armbruster entscheidet sich dank seiner Mutter fürs Schauspielern
26.08.2018 | 26.08.2018, 10:00
Ein kraftvolles Duo: Viele Jahre standen der Hengst Apache und Schauspieler Benjamin Armbruster gemeinsam auf der Naturbühne in Elspe. Wenn der einstige Winnetou-Darsteller seinem Pferd heute das Zaumzeug anlegt, dann meist um das Tier und sich selbst fit zu halten. - © Kerstin Spieker, HK
Ein kraftvolles Duo: Viele Jahre standen der Hengst Apache und Schauspieler Benjamin Armbruster gemeinsam auf der Naturbühne in Elspe. Wenn der einstige Winnetou-Darsteller seinem Pferd heute das Zaumzeug anlegt, dann meist um das Tier und sich selbst fit zu halten. (© Kerstin Spieker, HK)

Borgholzhausen. Ein Abenteurer? Der Blick auf die Visitenkarte regt die Fantasie an: Stuntman, Fechtmeister, Kampf-Choreograf steht da neben Schauspieler und Regisseur unter den Berufsbezeichnungen. Und dann erst der Mann, der die Karte überreicht: durchtrainierter Körper, sommerliche Bräune, unprätentiöser Outdoor-Style und ein energiegeladener Blick aus dunklen, bernsteinfarbenen Augen. Ganz klar, ein Abenteurer! Oder?

Sicher hat auch nicht jeder Sattelzeug in seinem Wohnzimmer stehen und ein Winnetou-Lederwams an der Wand hängen. Und dennoch. In Benjamin Armbrusters Haltung ist etwas, das nicht passt zur Vorstellung vom unbekümmerten Abenteurertyp. Eine Art von Spannung, die im Gespräch konkreter wird, sich verfestigt, Substanz bekommt. Dann nämlich, wenn Armbruster erzählt von seiner Kindheit und Jugend im rumänischen Siebenbürgen als Sohn einer deutschen Mutter und eines rumänischen Vaters. „Beide Seiten trage ich in mir und beide sind mir wichtig", sagt der Wahl-Borgholzhausener über sich selbst.

Der Mutter zur Ausreise geraten

Der prägende Elternteil allerdings dürfte Mutter Ursula Armbruster gewesen sein. Als deutschsprachige Schauspielerin war sie auch nach Kriegsende in Siebenbürgen tätig. „Das war mal leichter, zum Beispiel kurz nach Stalins Tod, als die Deutschen für kurze Zeit wenigstens wieder atmen durften hinter dem Eisernen Vorhang", so Armbruster. Und dann wurde es mit der Verschärfung des Kalten Krieges auch wieder schwieriger. Armbruster rät seiner Mutter in dieser Situation dazu, die Verwandtschaft in den USA zu besuchen. „Ein Ausreisevisum habe ich ihr über Kontakte besorgen können", erzählt er. Er selbst bleibt in Rumänien, gibt ihr aber mit auf den Weg, keinesfalls zurückzukehren, sondern von Amerika aus nach Deutschland zu gehen.

In Aktion: Benjamin Armbruster ritt als Winnetou mehr als zwei Jahrzehnte über die Bühne in Elspe. - © karl-may-wiki
In Aktion: Benjamin Armbruster ritt als Winnetou mehr als zwei Jahrzehnte über die Bühne in Elspe. (© karl-may-wiki)

Ein Schritt, der ihm schwer fiel. Immerhin konnte er nicht wissen, ob er sie jemals wiedersehen würde. Unter dem Einfluss der Mutter hatte auch der Sohn sich der Schauspielerei verschrieben. Sie ist es, die ihn innerhalb von sechs Wochen vorbereitet für die Aufnahmeprüfung an der Film- und Schauspielakademie in Bukarest. „Dabei stand ich kurz vor einer Laufbahn als Profisportler", erinnert sich Benjamin Armbruster. Er fuhr Radrennen und sollte die Militär-Sportakademie seines Landes besuchen. Doch stattdessen kehrt er nach seiner Ausbildung zurück an die Orte, an denen er als Kind gespielt hatte, wenn seine Mutter auf der Bühne stand. „Ich kannte alle Techniker, kannte mich in der Requisite aus wie in meiner Westentasche. Das war toll."

„Ich würde auch die Wirtin spielen"

Armbruster profitiert von seinen beiden kulturellen Familienhintergründen. Er tritt in deutschsprachigen Produktionen auf als Benjamin Armbruster. Spielt er in rumänischsprachigen Stücken, steht er unter seinem Geburtsnamen Mircea Breazu auf der Bühne. In Rumänien erlangt er schnell Berühmtheit, ist viel beschäftigt im Theater und auch in Filmproduktionen. Wohl auch diesem Umstand ist zu verdanken, dass er ohne erkennbare Ressentiments weiterarbeiten kann, nachdem er offiziell seinen Ausreiseantrag gestellt hatte. „Meine Mutter war in Deutschland schwer erkrankt. Wir fürchteten um ihr Leben. Ich wollte sie noch einmal sehen", begründet er damals seine Entscheidung. Damit stieß er auf viel Verständnis bei allen Entscheidungsträgern. Auf seine Ausreisegenehmigung musste er dennoch sechs Jahre warten. Zum Glück erholt sich Ursula Armbruster von den Folgen eines Zeckenbisses wieder und es gibt tatsächlich ein Wiedersehen in Deutschland.

1979 darf Benjamin Armbruster mit seiner Ehefrau und seinem Sohn ausreisen. Am Bielefelder Stadttheater findet er für die Spielzeit 1980/81 sein erstes Engagement. Bis zu seiner offiziellen Verrentung 2011 spielt er dort, schlüpft in unterschiedlichste Rollen bis hin zu Hauptrollen in »Der König und ich« und »King Lear«. „Eine Hauptrolle ist natürlich super, und als Schauspieler macht es mich stolz und glücklich, sie spielen zu dürfen. Aber ich würde auch die Wirtin spielen, wenn das Stück es erfordert", sagt Armbruster und fügt an: „Theater ist wie Militär. Das ist keine gemütliche Veranstaltung." – So viel zum Thema Abenteurertyp!

Armbrusters Professionalität im Beruf und seine Sportlichkeit sind es, die ihn Ende der 80er Jahre als potenziellen Winnetou für die Karl-May-Festspiele in Elspe ins Gespräch bringen. Pierre Brice hatte sich dort damals gerade als Winnetou verabschiedet. 1988 gibt Armbruster in einer Wiederaufnahme vom Schatz im Silbersee erstmals den Apachenhäuptling. Von 1990 an ist er dann der Winnetou der regulären Hauptsaison in Elspe. Und er bleibt es bis 2012. Dann steigt er in Elspe endgültig vom Pferd. Aber nur, um nun hinter den Kulissen mitzuwirken, wo Festival-Chef Jochen Bludau ihn mit der Dialog-Regie betraute. „Ich liebe die deutsche Sprache", sagt Armbruster. Er habe in Rumänien schon als Kind heimlich die damals dort verbotenen Schriften Karl Mays gelesen. Und er hat eine genaue Vorstellung davon, wie eine Figur an welcher Stelle was zu sagen hat. Und wenn in Els-pe mal jemand krankheitsbedingt ausfällt, dann kennt er alle Rollen und springt ein, wo es nötig ist.

Unprofessionalität, Schlendrian oder gar Starallüren akzeptierte Mutter Armbruster nicht

Darauf, dass er dafür noch immer die nötige Fitness mitbringt, ist Benjamin Armbruster durchaus stolz. Nicht ohne Grund. Denn das ist neben einer beneidenswerten körperlichen Gesundheit das Ergebnis von Disziplin und Arbeit. Die 28 Kilo schwere Kurzhantel liegt neben dem Sofa und für die Kraftübungen wird der Wohnbereich schnell mal zur Muckibude umfunktioniert. Und dann ist da das Reiten. Hengst Apache will natürlich auch jetzt noch regelmäßig bewegt werden, nachdem er nicht mehr als edles Pferd Winnetous mit Benjamin Armbruster auf der Naturbühne steht.

An jedem Vorstellungstag in der Saison vormittags in den alten 300er Mercedes, mit über 460.000 Kilometern auf der Uhr, zu steigen und Richtung Elspe zu starten, ist Benjamin Armbruster jedenfalls eine Freude. Der Schauspieler ist inzwischen 72 Jahre alt, und er hat in 20 Jahren seines Mitwirkens in Elspe noch niemals eine Aufführung versäumt. „Meine Mutter hat mir immer gesagt, dass man als Schauspieler sein ganzes Herzblut in die Arbeit legen muss und man für seine Mühen am Ende viel von seinem Publikum zurückbekommt", erzählt Armbruster.

Unprofessionalität, Schlendrian oder gar Starallüren akzeptierte Mutter Armbruster nicht und ihr Sohn tut es ihr gleich. Egal wie erschöpft er nach einer Vorstellung ist, Autogrammwünsche werden freundlich erfüllt. Herzliche Zeilen seiner zahlreichen treuen Fans hält er in Ehren. „Meine Mutter hat mir zu Beginn meiner Karriere gesagt: Vergiss nie, egal wie berühmt du einmal sein wirst und was auch immer du auf der Bühne bist, du bleibst am Ende immer der Benni."