Netzengpässe durch Solar-Boom: Das sollten Verbraucher wissen

Bielefeld. Der Ausbau der Solarenergie in Deutschland boomt. Genehmigungsverfahren für Solar-Parks auf Freiflächen kommen in Schwung und auch immer mehr Eigentümer entscheiden sich für eine Photovoltaikanlage (PV) auf dem Dach. Doch einer aktuellen Untersuchung zufolge, sorgt der rasante Ausbau der Solarenergie zunehmend für Probleme bei der Steuerung der Stromnetze. Wie eine Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ergeben hat, ist die Solarstromerzeugung in Deutschland stark um die Mittagsstunden sonniger Tage konzentriert. Denn auch wenn viele Anlagen über einen Speicher verfügen, werden diese nicht immer netz- oder marktorientiert eingesetzt. Heißt konkret: Vor allem auf der Verteilnetzebene könne das in den Stromnetzen zu zeitweisen Engpässen und Stromausfällen führen, warnen die Autoren der Studie. Auch in OWL stellen die Netzbetreiber einen Anstieg der installierten PV-Anlagen fest. Seit Mai dürfen außerdem Balkonkraftwerke mit einer Leistung bis zu 800 Watt ohne Anmeldung beim Netzbetreiber am Hausanschluss angeschlossen werden. Bei dem Stromnetzbetreiber Bielefelder Netz GmbH hat das bislang jedoch nicht zu Engpässen geführt. Kleine Anlagen dürfen ohne Anmeldung installiert werden &bdquo;Sofern Anlagen, die einer Anmeldepflicht unterliegen, angeschlossen werden, bedarf es im Vorfeld einer Netzverträglichkeitsprüfung, welche gegebenenfalls eine Netzverstärkung bedingt, um eben solche Engpässe zu vermeiden“, erklärt ein Sprecher des Unternehmens. &bdquo;Der Anschluss aller PV-Anlagen über 800 Watt wird durch uns über eine Netzverträglichkeitsprüfung bewertet.“ Diese Bewertung erfolge auf Basis der Modulleistung der Photovolatikanlagen und sei somit immer auf die maximale Leistung, die von der PV-Anlage ins Netz eingespeist werden kann, ausgerichtet. Sollte die Überprüfung ergeben, dass es im Betrieb zu einem Engpass im Netz kommen könnte, werde frühzeitig eine Netzverstärkung eingeleitet. Erst wenn diese durchgeführt sei, könne die Anlage in Betrieb genommen und so Engpässe vermieden werden. Westfalen-Weser: 1,5 Milliarde Euro für Netz-Digitalisierung Ähnlich ist das Vorgehen des Netzbetreibers Westfalen-Weser. Das Unternehmen plant einer Sprecherin zufolge in den kommenden zehn Jahren Investitionen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro in die Netze und ihre Digitalisierung. &bdquo;Die Erzeugung von erneuerbarer Energie ist deutlich volatiler und weist zeitliche Spitzen auf, die wir bisher erfolgreich kompensieren können.“ In Zukunft solle das intelligente Netze gewährleisten, die eine bessere Überwachung und Steuerung ermöglichen. Darin sehen auch die Autoren der DIW-Studie einen wichtigen Punkt. Die Geschwindigkeit des Ausbaus der Netze in Deutschland müsse weiter vorangetrieben und der PV-Entwicklung angepasst werden. Im vergangenen Jahr verdoppelte sich der Zubau nach Zahlen der Bundesnetzagentur im Vergleich zum Vorjahr auf nahezu 14 Gigawatt. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums betrug Ende Juni die gesamte Leistung der installierten Solaranlagen in Deutschland mehr als 90 Gigawatt. Damit ist bereits das Ziel der Bundesregierung einer installierten Leistung von 88 Gigawatt im Jahr 2024 erreicht. 2030 soll die installierte Leistung dann bei 215 Gigawatt liegen. Größere Photovoltaik-Anlagen werden abgeregelt Um einen drohenden Engpass zu verhindern, erlaubt es der Gesetzgeber den Netzbetreibern außerdem auf Photovoltaik-Anlagen mit einer Größe von über 100 Kilowatt-Peak (kWp) steuernd einzugreifen, sie also vom Netz zu nehmen. Diese Maßnahme wird bei der Windenergie schon länger genutzt. Wenn Windräder zu Spitzenzeiten zu viel Strom produzieren, werden sie aus dem Wind gedreht. Für den Erzeuger gibt es dann eine Entschädigungszahlung, die aus Netzentgelten der Verbraucher finanziert wird. Genau diese Praxis kritisiert die Verbraucherzentrale NRW. Sie mache die Netzentgelte teurer, ein Teufelskreis, der sich mit der jetzt boomenden Solarenergie weiter verschärfe. &bdquo;Das Netz in Deutschland wird im Großen und Ganzen gut gemanagt und auch auf die unvermeidbaren Diskrepanzen zwischen Erzeugung und Verbrauch können die Betreiber gut reagieren“, sagt Stefan Hoffmann von der Verbraucherzentrale NRW. Doch bisher gehe das alles zulasten der Verbraucher. &bdquo;Darum ist es jetzt umso wichtiger, dass Anreize geschaffen werden, den Verbrauch zu verschieben.“ Statt die Verbraucher mit teuren Netzentgelten zu bestrafen, weil Photovoltaik-Anlagen zu Peak-Zeiten vom Netz genommen werden müssen, fordert die Verbraucherzentrale flexible Netzentgelte für diejenigen, die ihr Auto zur Mittagszeit mit der Energie aus der eigenen PV-Anlage laden oder die Waschmaschine in der Mittagspause laufen lassen, und so die Netze entlasten. Das würde Hoffmann zufolge auch die Akzeptanz der Energiewende unter Verbrauchern weiter steigern.

Meistgelesen

Sinkende Einspeisevergütung für PV-Strom: Hektik lohnt nicht

Photovoltaik-Anlage im Blick - so steigern Sie die Erträge

Stromausfälle an Pfingsten durch zu viel Wind und Sonne?

Millionen Stromkunden zahlen nächstes Jahr wohl weniger

EU verhängt Milliardenstrafe gegen Google

Tesla stellt Musk Aktien für eine Billion Dollar in Aussicht