Es ist eine Art Ausrufezeichen, das die neue Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) gesetzt hat. Mit milden Worten, aber für kirchliche Verhältnisse recht eindeutig hat Adelheid Ruck-Schröder bei der Landessynode in ihrem ersten Rechenschaftsbericht nach außen und innen Position bezogen. Auch wenn besonders Letzteres schmerzhaft sein kann.
Zunächst hat die 59-Jährige die Haltung der Kirche in der Flüchtlings- und Asylfrage deutlich gemacht. Sie hat das mit dem Gebot der Nächstenliebe und des christlichen Menschenbildes verknüpft. Genau das ist ihre Aufgabe. Sie kritisiert den Druck, den die Bundesregierung und vor allem Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) auf Geflüchtete macht. Der gehört immerhin einer Partei an, die das „C“ für christlich in ihrem Namen trägt und in diesem Spektrum um Wähler wirbt.
Es ist nicht Aufgabe der Kirche, gesetzliche Regelungen und Behördenhandeln in diesem Zusammenhang unter die Lupe zu nehmen. Letztlich, so sagen es die Zahlen, halten sich knapp eine Million Zugewanderte in Deutschland auf, die dazu aus unterschiedlichen Gründen kein Recht haben. Wie also umgehen mit ihnen? Aber die Kirche kann darauf hinweisen, dass es sich verbietet, diese Menschen unwürdig zu behandeln und für alles Mögliche verantwortlich zu machen.
Sexualisierte Gewalt in der Kirche kann nicht einfach abgehakt werden
Deutlicher noch wurde sie nach innen. Dass sich noch immer nicht alle Kirchenkreise in Westfalen dem Thema „sexualisierte Gewalt“ in den eigenen Reihen stellen, ist inakzeptabel. Da muss und wird die Kirchenleitung Druck machen. Ruck-Schröder hat recht, wenn sie darauf hinweist.
Das ist kein Tagesordnungspunkt, der abgehakt werden kann. Das ist Herausforderung an jedem Tag, um die Leiden der Vergangenheit zu lindern und für die Zukunft zu verhindern. Auch da geht es um das christliche Menschenbild. Und um die Zukunft der Kirche.
„Was ihr den Schwächsten getan habt, das habt ihr mir getan“, sagte Jesus. Was im Positiven verstanden werden kann, gilt auch im Negativen. Wer dem Anvertrauten, den Schwachen Gewalt antut, tut sie Christus selbst an, so die Bibel. Die Kirche – unabhängig, ob es sich um die katholische oder evangelische handelt – wird weiter Mitglieder verlieren, wenn sie dieses Thema nicht bearbeitet. Da haben die evangelischen Christen schon viel erreicht, aber es ist noch viel zu tun.
Die To-do-Liste der Kirche ist lang
Auch in Sachen Geld und Ressourcen hat Ruck-Schröder klargemacht, dass noch nicht alles erledigt ist. Umstrukturieren, Selbstbegrenzen, Konsolidieren stehen weiter auf der To-do-Liste am Altstädter Kirchplatz in Bielefeld. Die Kirche ist eine der größten Arbeitgeberinnen im Land und muss dieser Aufgabe im Sinne der eigenen Zukunft gerecht werden. Auch hier nach innen und außen. Deshalb ist es gut, dass die neue Präses diese Punkte in ihrer ersten Bilanz klar angesprochen hat.