Meinung

Fehlende Augenarzt-Versorgung: Kinder werden zu Patienten zweiter Klasse

Weil ihre Versorgung lukrativer ist, behandeln Mediziner die Sehkraft von Alten anstatt von Jungen. Nichts zeigt besser, wie weit das System schon kollabiert ist, meint unsere Autorin.

Die Behandlung von Kindern ist auch für Augenärzte nicht ausreichend vergütet. Viele Praxen nehmen deshalb keine Patienten unter 14 Jahren an. | © AOK/ colourbox/hfr

Anneke Quasdorf
20.11.2025 | 20.11.2025, 05:00

Es lässt tief blicken, welchen Stand Kinder in unserer Gesellschaft haben, schaut man sich an, wie es um ihre augenärztliche Versorgung bestellt ist. Weil die Behandlung von Kindern nicht ausreichend vergütet ist, behandeln Augenärzte vorzugsweise die Erkrankungen alter Menschen, die lohnender sind. Das berichtet der Berufsverband der Augenärzte. Oder anders ausgedrückt: Die Erhaltung der Sehkraft von Alten ist lukrativer als die Erhaltung der Sehkraft von Jungen.

Die augenärztliche Versorgung ist nur ein Beispiel für Missstände im Bereich Kindergesundheit. Ein anderes ist die Grundversorgung mit Kinderärzten. Vielerorts in OWL haben Kinder keinen Arzt mehr, der wichtige Impfungen durchführt oder Fehlbildungen und Sprachstörungen diagnostiziert. Jeglicher Ansatz, dieses Problem beim Schopf zu packen, scheitert daran, dass es offiziell keinen Mangel gibt, weil die zuständigen Stellen absurderweise sogar Überversorgung melden. Und so dürfen sich keine weiteren Kinderärzte in den krisengebeutelten Regionen niederlassen.

Drittes Beispiel: die Notfallversorgung von Kindern in OWL. Auch hier hapert es gewaltig, seitdem die Kindernotfallpraxen in den Kreisen Paderborn, Herford und Gütersloh nur noch eingeschränkt arbeiten. Für Eltern bedeutet das: Unübersichtliche Regelungen, wer wann zuständig ist, lange Fahrtwege, überlastete Ambulanzen in den Kliniken, lange Wartezeiten.

Wenn Ärzte sich aus finanziellen Gründen aus der Grundversorgung von Kindern zurückziehen und sie zu Zweite-Klasse-Patienten degradieren, ist das aus ethischer Sicht zu verurteilen. Der Zustand ist aber auch ein klarer Indikator dafür, wie weit unser Gesundheitssystem schon kollabiert ist.