Meinung

Waffen für die Ukraine: Es braucht viel mehr als Flugabwehr

Mit Patriot-Systemen gewinnt die Ukraine den Krieg nicht, ohne sie wird sie aber nicht überleben. Kanzler Merz hat einen klugen Schachzug gemacht, meint unsere Autorin Kristina Dunz.

Ein Patriot-Flugabwehrsystem, das im Mittelpunkt der Diskussionen um die Unterstützung der Ukraine steht. | © Axel Heimken/dpa

14.07.2025 | 14.07.2025, 16:12

Wer Donald Trump zu nehmen weiß, ihn also wie ein Kind für seinen Bauklötzchenturm loben, wie einen unberechenbaren Vater mit Demutsgesten von Prügel abhalten oder wie einen Raufbold mit eigener Stärke beeindrucken kann, ist eindeutig im Vorteil. Am besten beherrscht man alles zusammen und zieht das jeweilige Register je nach Stimmung des US-Präsidenten. In der Politik und unter Erwachsenen mag das absurd anmuten – aber gegenwärtig ist das eine Überlebensstrategie. Für die Demokratie im Allgemeinen und die Ukraine im Besonderen.

In Perfektion hatte das Nato-Generalsekretär Mark Rutte beim Gipfel der Militärallianz vollbracht und den Spott über seine Schleimspur ertragen. Aber er hielt Trump bei der Stange. Anders der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. In einem Moment seelischer Überforderung nach über drei Jahren russischem Angriffskrieg und Trumps Sympathien für den Aggressor Wladimir Putin hatte Selenskyj im Weißen Haus mehr auf Gerechtigkeit für sein Volk gepocht, als den Präsidenten zu umgarnen. Und wurde rausgeworfen. Ein Desaster.

Nun aber kommt etwas in Bewegung und daran hat auch Bundeskanzler Friedrich Merz seinen Anteil. Er hat Trump mehrfach gebeten, den USA Flugabwehrsysteme vom Typ Patriot abkaufen zu dürfen, um sie an die Ukraine weiterzuleiten. Vorigen Donnerstag machte er sich bei der Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine in Rom noch zum Wortführer der Europäer und bat Trump: „Bleib bei uns.“ Merz versäumte nicht, zu präzisieren: „auf der richtigen Seite der Geschichte“. Das hatte eine Mischung aus Hilferuf und Selbstbewusstsein. Ein kluger Schachzug im schwierigen Umgang mit einem Präsidenten wie Trump.

Mehr europäische Länder sollten einen „Patriot“-Deal anstreben

Der mächtige Mann verkauft jetzt Patriots und schlägt offenbar einen anderen Kurs gegenüber Putin ein, der die ganze Ukraine nicht nur jede Nacht mit Hunderten Drohnen attackiert, sondern auch Truppen womöglich für eine neue Offensive im Osten zusammenzieht. Neben Deutschland zeigt noch Norwegen Bereitschaft für einen Patriot-„Deal“. Und es sollten sich dringend noch weitere europäische Länder dazu entschließen. Es geht auch um die eigene Zukunft.

Viele Menschen in Berlin, Paris, Madrid, London und anderswo können die Bilder nicht einmal mehr aus der Ferne ertragen, aber für die Soldaten, Familien, Ehepaare, Väter, Mütter, Kinder in der Ukraine sind die russischen Luftangriffe täglich die Hölle. So viel Leid, so viel Tod. So viel Hass für Generationen. Vor unserer Haustür. Wie lange soll noch weiter getötet und gestorben werden?

Klar ist: Patriot-Systeme helfen der Ukraine beim Überleben, aber sie beenden diesen Krieg nicht. Und leider muss man bei Trump darauf gefasst sein, dass er morgen das Gegenteil von heute macht. Putin hat ihn mit seinen Bomben, Drohnen und Raketen auf die Ukraine, mit seiner ganzen Brutalität offenbar beeindruckt. Aber er hat den US-Präsidenten international der Lächerlichkeit preisgegeben. Der mächtigste Mann der Welt, der einst diesen Krieg binnen 24 Stunden beenden wollte, hat nicht die Macht dazu.

Der einflussreiche republikanische US-Senator Lindsey Graham, der seit Wochen an einem harten Sanktionspaket gegen Russland arbeitet, spricht von einem „großen Fehler“ Putins. Währenddessen reden und verhandeln Mark Rutte und Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in Washington, Trumps Sonderbeauftragter Keith Kellogg ist nach Kiew gereist. Es geht um weit mehr als Flugabwehr für die Ukraine. Es geht um Langstreckenwaffen, die Abschussstandorte in Russland erreichen könnten. Und um US-Truppen und US-Waffen in Deutschland und Europa. Dafür braucht es einen verlässlichen Donald Trump und Politiker, die ihn zu nehmen wissen.