Meinung

Merkels Auftritte offenbaren Schwäche der Nachfolger

Die Alt-Kanzlerin wiederholt ihre Kritik am Umgang des Unionskandidaten Merz mit der AfD. Ein wuchtiges Signal, dass die Zeit für die aktuell regierende Generation zu Ende geht, urteilt unser Autor.

Angela Merkel bei einem Auftritt in Hamburg: Sie hadert mit dem Kurs von CDU-Chef Merz. | © Marcus Brandt/dpa

Thomas Seim
06.02.2025 | 06.02.2025, 17:23

Deutschland kommt gut zwei Wochen vor der Bundestagswahl doch noch einmal so richtig in Bewegung. Allerdings sind die Gründe dafür überraschend ganz anders gelagert, als man bislang annehmen musste.

Hauptgrund für diese Veränderung ist Alt-Kanzlerin Angela Merkel. Ihr Votum gegen die Akzeptanz einer Bundestagsmehrheit aus Union und FDP und der rechtsextremen AfD verlagert den Wahlkampf von einer wahrlich nicht guten Wirtschaftslage auf die offene Auseinandersetzung um Migration und die grundsätzliche Akzeptanz von Menschenrecht.

Nun legte Merkel noch einmal auf einer öffentlichen Veranstaltung nach. Die Alt-Kanzlerin wiederholte nicht nur ihre Kritik am Umgang des Kandidaten von CDU/CSU, Friedrich Merz, mit der AfD. Merkel wies auch Angriffe auf ihre eigene Flüchtlings- und Corona-Politik, die Merz für das Erstarken der Rechtsextremisten mitverantwortlich gemacht hatte, mit dem Hinweis zurück, dass die 20-Prozentwerte für die Partei in aktuellen Umfragen „echt nicht mehr meine Verantwortung“ seien. Ein erneuter Wirkungstreffer für ihren Nachfolger.

Merkel rückt ins Zentrum des Wahlkampfes

Plötzlich rückt so die Alt-Kanzlerin ins Zentrum des Kampfes um Mehrheiten. Selbst BSW-Chefin Sahra Wagenknecht etwa verlangt mehr Selbstreflexion von Merkel und macht wie Merz deren Politik für das Erstarken der AfD verantwortlich.

Während Merkel zeitgleich mit ihrer Kritik an Merz die Parteien ermahnt, zu einem Zustand zurückzufinden, in dem auch wieder Kompromisse möglich sind, bietet nun ausgerechnet der noch amtierende Kanzler Olaf Scholz an, seine Hand für eine Einigung sei ausgestreckt. Er bezweifelt aber zugleich den Willen des Oppositionsführers zu einem Konsens.

Ein Tiefschlag für Friedrich Merz

So beherrscht den Wahlkampf aktuell inhaltlich scheinbar ein Bündnis Merkel/Scholz gegen Merz/Söder jenseits aller übrigen Unterschiede den Streit der Volksparteien und bricht bislang als sicher geltende Allianzen. Dass Merkel auf Nachfrage zudem nicht erklären will, Merz ihre Stimme zu geben, sondern mit der Grünen-Alternative Robert Habeck kokettiert, muss für den CDU-Kandidaten wie ein Tiefschlag wirken.

Gewissermaßen zeitgleich mit dieser Verlagerung des Wahlkampfs eröffnen auch die Grünen hinter geschlossenen Türen eine Debatte um ihren Mann fürs Kanzleramt. Dessen Versuch, sich als Hüter von Gesetz und Ordnung im Gespräch auch mit der Union zu halten, erzürnt die ohnehin an ihm zweifelnde Basis der Partei. Schon legen insbesondere die Parteilinke und mehrere Frauen an der Spitze die Messlatte für sein Wahlergebnis sehr hoch.Ball verkehrt, möchte man meinen. Vielleicht ist es aber auch nur ein wuchtiges Signal, dass die Zeit für diese aktuell regierende Generation zu Ende geht. Umso gespannter schaut man nun also auf die Reihen dahinter.