Meinung

Abschaffung von Fahrplänen an Bahnhöfen: Ignoranz der Bahn ist skandalös

Wenn Fahrpläne aus Papier aus den Bahnhöfen verschwinden, schauen alle, die nicht digital unterwegs sind, in die Röhre. Das ist das Gegenteil von Inklusion.

Im Dezember werden zunächst die weißen Ankunftspläne verschwinden. Man muss kein Prophet sein, um zu erahnen, dass auch die Tage der gelben Abfahrtspläne gezählt sind. | © Andreas Arnold/dpa

Andreas Niesmann
28.11.2024 | 29.11.2024, 19:05

Die Klagen über das Dauer-Chaos bei der Deutschen Bahn über verspätete oder ausfallende Zügen, kaputte Klimaanlagen und personell unterbesetzte Bord-Bistros ist nicht neu. Genauso wenig wie die Rechtfertigungen der Bahn-Vorstände, die auf marode Infrastruktur, fehlende Investitionsmittel und den allgemeinen Fachkräftemangel verweisen. Die neueste Fehlentwicklung aber hat das Bahn-Management ganz allein zu verantworten: Die Bahn wird immer komplizierter für ältere Reisende. Ja, sie grenzt Menschen, die kein Smartphone bedienen können, regelrecht aus.

Im Sommer vor zwei Jahren waren plötzlich die Zugpläne mit der Wagenreihung von den Bahnsteigen verschwunden, obwohl die digitalen Wagenstandsanzeiger vielerorts noch gar nichts installiert waren. Es folgte das Aus für die Bahn-Card aus Plastik. Seit diesem Sommer gibt es die Rabatt-Karte nur noch digital. Wer kein Smartphone besitzt, hat Pech gehabt.

Die Zahl der Reisezentren wird von Monat zu Monat kleiner, die Schlangen an den wenigen verbliebenen Verkaufsschaltern dafür immer länger. Und nun hängt der Konzern auch noch die Fahrpläne aus Papier ab. Zwar sollen zunächst nur die weißen Ankunftspläne an den Bahnsteigen verschwinden, aber man muss kein Prophet sein, um zu erahnen, dass auch die Tage der gelben Abfahrtspläne gezählt sind. Bahnreisen ohne Smartphone – das wird in Deutschland bald ein Ding der Unmöglichkeit.

Die Politik muss bei der Bahn eingreifen

Die Ignoranz, mit der die Bahn ihre älteren oder aus gesundheitlichen Gründen nicht online-affinen Reisenden behandelt, ist skandalös. In einer Gesellschaft, die immer älter und inklusiver wird, nimmt es sich der wichtigste Verkehrsdienstleister heraus, in die entgegengesetzte Richtung zu steuern. Und das auch noch als Monopolist, der sich zu 100 Prozent im Staatsbesitz befindet.

Die Politik muss eingreifen und das korrigieren. Notfalls, indem sie die Verantwortlichen entlässt.

Update am 29. November: Nach deutlicher Kritik lässt die Deutsche Bahn die weißen Ankunftspläne an Bahnhöfen nun doch hängen. „Die Deutsche Bahn (DB) nimmt die Kritik von Öffentlichkeit und Verbänden ernst und ihre Entscheidung zurück“, teilte der bundeseigene Konzern mit. Die Ankunftspläne blieben auch nach dem Fahrplanwechsel Mitte Dezember „für die nächste Fahrplanperiode“ hängen.