Kommentar

Warum der Kurs von Friedrich Merz seiner eigenen Partei schadet

Wenn die CDU erneut an die Regierung will, kann Friedrich Merz nicht auftreten wie ein Hasardeur. Er hat keine langfristige Strategie, meint unsere Autorin.

CDU-Chef Friedrich Merz spricht im Bundestag. | © picture alliance/dpa

12.09.2024 | 12.09.2024, 17:13

Dass Friedrich Merz der nächste Bundeskanzler werden will, daran gibt es keinen Zweifel. Immerhin hat sich der Sauerländer dreimal um den CDU-Bundesvorsitz beworben. Zwar ist die Spitzenkandidatur offiziell bisher nicht entschieden, aber Merz hat gute Chancen, sich gegen CSU-Chef Markus Söder und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst durchzusetzen. Vielleicht schlittert er dann ins Kanzleramt. Dann aber nicht wegen, sondern trotz seiner Strategie. Wenn es überhaupt eine gibt.

Stringent ist Merz‘ aktueller Kurs nicht. Der CDU-Politiker hat sich bis heute nicht entschieden, was er lieber sein will: Angreifer oder Staatsmann? Dabei hätte er mit Carsten Linnemann jemanden, der die Rolle des Wadenbeißers gut ausfüllen könnte.

Merz‘ Rede in der Generaldebatte, die er überraschenderweise nach dem Bundeskanzler hielt, um auf ihn antworten zu können, war zwar sachlicher und vorsichtiger im Ton als sonst. Doch nicht eine Bundestagsrede wird das öffentliche Bild von Merz prägen, sondern seine Taten und seine Tonalität an allen anderen Tagen des Jahres.

Merz handelt nicht wie ein Staatsmann

Zum zweiten Mal hat Merz diese Woche die Migrationsgespräche mit der Bundesregierung auf unflätige Weise zum Scheitern gebracht. Auch wenn die Union auf die rechtlich umstrittenen Zurückweisungen an der Grenze beharrt und deshalb aus ihrer Sicht in dieser Woche kein Kompromiss möglich war, hätten sie mit der Ampelkoalition weiter verhandeln können. FDP und SPD haben der Union sogar angeboten, Zurückweisungen an einer Grenze zu testen.

Die Kritik von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die Union habe die Gespräche aus taktischen Gründen platzen lassen, nannte Merz „infam“. Das Verhalten des Oppositionsführers lässt aber keinen anderen Schluss zu, als dass er an einer gemeinsamen Lösung nicht interessiert war und aus Parteitaktik handelte, um der CDU bei der Brandenburg-Wahl einen kleinen Schub zu verschaffen. Zweimal sprach Merz ein Ultimatum an die Bundesregierung aus, als ob die Ausarbeitung weiterer Maßnahmen zur Eindämmung irregulärer Migration und die Verständigung in der Regierungskoalition auf Knopfdruck möglich ist. Wer an einem Kompromiss von Demokraten interessiert ist, stellt keine Ultimaten. Ein Staatsmann hingegen würde versuchen, eine Lösung zu finden.

Merz schürt unrealistische Erwartungen

Für die Union birgt die Maximalopposition von Merz ein hohes Risiko. Die CDU-geführten Länder geraten nun in Erklärungsnot, warum ihre Partei das Problem der irregulären Migration nicht gemeinsam mit der Regierung lösen will.

Mehr noch: Sollte die Union auch im Bund in Regierungsverantwortung kommen, wird sie sich zusätzlich erklären müssen. Jede Forderung, die CDU und CSU in den Raum stellen, müssen sie umsetzen können. Eine Prognose: Generelle Zurückweisungen an der Grenze könnte auch ein Kanzler Friedrich Merz nicht anordnen, geschweige denn durchhalten. Das EU-Recht steht dem entgegen, und die anderen EU-Staaten würden auf die Barrikaden gehen. Eine Schwächung der EU dürfte Merz nicht verantworten wollen.

Was bliebe, wäre eine große Enttäuschung in Teilen der Bevölkerung. Gerade schürt die CDU die Erwartung, dass sie irreguläre Migration schnell reduzieren könnte. Was passiert, wenn das nicht gelingt? Die Radikalen profitieren, weil die CDU ihnen Mobilisierungspotenzial bietet. Die in weiten Teilen rechtsextreme AfD könnte leicht sagen: Die Ampel hat es nicht geschafft, die CDU auch nicht, aber wir können es.

Es wird Zeit, dass Friedrich Merz vom Ende her denkt. Vor allem, wenn die Union das Kanzleramt gewinnen und nicht vier Jahre später wieder verlieren will.