Sebastian Herrmann im großen Interview: „Ich habe auf einem Bierdeckel unterschrieben“

Fußball: Nach elf Jahren verlässt Sebastian Herrmann die Spvg. Steinhagen. Vor seinem letzten Spiel am Sonntag spricht er im HK-Interview über seine schwerste Zeit am Cronsbach, den Beinahe-Wechsel zum TuS Dornberg und die zwei wichtigsten Menschen in seinem Leben

Spektakulär: Erst im April diesen Jahres erzielte Sebastian Herrmann beim 2:0-Heimsieg über den TSV Oerlinghausen ein Tor per Fallrückzieher. Für ihn eines der schönsten Treffer seiner Laufbahn. | © Christain Helmig

23.05.2019 | 23.05.2019, 17:14

Basti Herrmann, herzlichen Glückwunsch zum Aufstieg! Wie haben Sie die Meisterfeier überstanden?

Basti Herrmann: Ich saß am nächsten Morgen um acht Uhr im Büro. Dementsprechend früh war ich im Bett. Jetzt am kommenden Montag habe ich aber frei und werde nach unserem letzten Saisonspiel gegen Augustdorf noch einmal richtig feiern.

Sie haben es nach 2011 jetzt zum zweiten Mal mit der Spvg. Steinhagen von der Bezirks- in die Landesliga geschafft. Welcher Aufstieg war schöner?

Herrmann: Beide Aufstiege waren schön. Der Unterschied ist, dass wir beim ersten Mal ziemlich früh als Meister feststanden. In diesem Jahr war der Titelkampf insgesamt spannender und emotionaler.

Emotional ist ein gutes Stichwort: Am Sonntag nehmen Sie nach elf Jahren Abschied vom Cronsbach. Was ist das für ein Gefühl?

Herrmann: Es fühlt sich seltsam an. Für mich ist das natürlich kein Spiel wie jedes andere. Steinhagen ist mein Heimatverein, und ich habe viele tolle Jahre hier erlebt.

Aber auch schwere Zeiten. 2017 ist erst Ihre Mutter und eine Woche später der damalige Obmann Michael Johanning gestorben...

Herrmann: Das stimmt. Das waren die schlimmsten Erlebnisse. Meine Mutter war immer am Platz, hat sich jedes Spiel von mir angeschaut. An einem Samstag ist sie gestorben, am Sonntag stand ich im Derby gegen Peckeloh auf dem Feld. Sie hätte es so gewollt. Mit »Micky« Johanning war ich gut befreundet. Ich glaube, dass der Abstieg im vergangenen Jahr eng mit diesen beiden Ereignissen zusammenhängt. In diesem Jahr wollte ich unbedingt aufsteigen. Für meine Mutter. Und für »Micky«.

Sie haben für die Spvg. Steinhagen mehr als 200 Pflichtspieltore geschossen. Welches war Ihr schönstes?

Wie Lewandowski: Im Oktober 2015 erzielte Sebastian Herrmann sein 100. Landesligator für Steinhagen. - © Christian Helmig
Wie Lewandowski: Im Oktober 2015 erzielte Sebastian Herrmann sein 100. Landesligator für Steinhagen. (© Christian Helmig)

Herrmann: Gegen Harsewinkel habe ich einmal vier Tore in einem Spiel geschossen. Eins per Fallrückzieher. Da hat mich sogar mein Gegenspieler beglückwünscht. In dieser Saison habe ich gegen Oerlinghausen ebenfalls per Fallrückzieher getroffen. Ich denke, dass das meine schönsten Treffer waren.

Und der wichtigste?

Herrmann: Der Elfmeter zum 2:1 am vergangenen Sonntag. Es ist schon etwas Besonderes in der 91. Minute vor dem Tor zu stehen und zu wissen, das könnte der Treffer zum Meistertitel sein. Dass wir am Ende nur 2:2 gespielt haben und selbst bei einer Niederlage trotzdem aufgestiegen wären, spielt da keine Rolle.

In der Jugend haben Sie das Trikot von Borussia Dortmund und dem VfL Bochum getragen. Warum hat es mit einer Profikarriere nicht geklappt?

Herrmann: Am Ende hat es schlicht nicht gereicht. Ich bin zwei Jahre nach Dortmund gependelt. Als ich einen Platz im Internat haben wollte, war keiner frei. Dann bin ich zum VfL Bochum gewechselt. Das war sportlich nicht meine beste Entscheidung, menschlich aber bin ich dort extrem gereift.

Hatten Sie im Laufe der vergangenen Elf Jahre in Steinhagen nicht trotzdem noch die Ambition, höherklassig zu spielen? Das ein oder andere Angebot gab es doch bestimmt...

Herrmann: Nur zwei Mal habe ich einen Wechsel ernsthaft in Betracht gezogen. 2011, nach dem ersten Landesliga-Aufstieg, hatte ich ein Angebot vom TuS Dornberg. Aus sportlicher und finanzieller Sicht hätte ich zum damaligen Oberligisten wechseln müssen. Während der Aufstiegsfeier habe ich Micky Johanning dann aber auf einem Bierdeckel unterschrieben, dass ich in Steinhagen bleibe. Ich halte mein Wort.

Und beim zweiten Mal?

Herrmann: Das war vor knapp zwei Jahren. Damals war ich mit dem Westfalenligisten SC Herford praktisch schon einig. Plötzlich hat der Verein sein Angebot dann aber zurückgezogen. Wenig später habe ich gelesen, dass das Finanzamt den Club besucht hat. Da war mir dann natürlich einiges klar.

Dieses Mal aber klappt es mit dem Wechsel. Trotz des Aufstiegs gehen Sie im Sommer zum TuS Quelle in die B-Liga. Warum?

Treffsicher: Mehr als 200 Pflichtspieltore erzielte Sebastian Herrmann in elf Jahren. Zukünftig jubelt er für den TuS Quelle. - © Christian Helmig
Treffsicher: Mehr als 200 Pflichtspieltore erzielte Sebastian Herrmann in elf Jahren. Zukünftig jubelt er für den TuS Quelle. (© Christian Helmig)

Herrmann: In erster Linie möchte ich mehr Zeit mit meiner Frau und meinem Sohn verbringen. Seit vergangenen November bin ich Papa – ein unbeschreibliches Gefühl. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich von der Arbeit nach Hause komme. In Quelle muss ich seltener trainieren, bin dementsprechend häufiger daheim bei meiner Familie.

Es heißt, der Verein solle auch den ein oder anderen Euro bezahlen...

Herrmann: Das kann ich nicht bestätigen. Ich spiele da nicht für Geld. Ich wollte noch einmal mit meinem besten Freund und Trauzeugen Alexander Kropp zusammenspielen. In der Winterpause ist er nach Quelle gewechselt. Wäre er nach Ummeln gegangen, würde ich ab Sommer am Trüggelbach spielen.

Ohne Frage hinterlassen Sie eine große Lücke. Ist Basti Herrmann für die Spvg. Steinhagen überhaupt zu ersetzen?

Herrmann: Das ist eine schwierige Frage, die ich nicht beantworten will. Das sollen andere beurteilen. Ich schätze, die Meinungen gehen dort auseinander.

Wenn Ihr Sohn in ein paar Jahren einmal sagt: „Papa, ich möchte Fußball spielen." Wo werden Sie ihn anmelden?

Herrmann: Weil ich glaube, dass wir in vier oder fünf Jahren immer noch in Steinhagen wohnen, wäre das natürlich die erste Adresse. Aber vielleicht will er auch gar nicht Fußball spielen. Das wäre für mich auch okay. Hauptsache, er ist glücklich.

Ist eine Rückkehr nach Steinhagen – in welcher Funktion auch immer – denn eine Option?

Herrmann: Das ist alles sehr theoretisch. Für die nächsten zwei Jahre spiele ich in Quelle. Was danach passiert, weiß ich nicht. Kurzfristig freue ich mich darauf, die Sommerpause zu genießen und Zeit mit meiner Familie zu verbringen.

Bevor es aber soweit ist, müssen Sie am Sonntag noch gegen Augustdorf spielen. Was haben Sie und die Mannschaft sich für das letzte Saisonspiel vorgenommen?

Herrmann: Natürlich wollen wir das letzte Spiel gewinnen und noch einmal beweisen, dass wir zurecht an der Tabellenspitze stehen. Ich hoffe, dass noch einmal viele Zuschauer den Weg an den Cronsbach finden und wir alle gemeinsam einen schönen Saisonabschluss feiern.

INFORMATION


Zur Person

Sebastian Herrmann, heute 32 Jahre alt, wechselte im Jahr 2000 von der Spvg. Steinhagen zum Nachwuchs des FC Gütersloh. Die U 19-Teams von Borussia Dortmund und VfL Bochum, für den der Stürmer sogar einige Freundschaftsspiele bei den Profis bestritt, waren weitere Stationen. Über den SC Wiedenbrück fand er 2006 den Weg zurück nach Ostwestfalen. 2008 schloss er sich der Reserve von Arminia Bielefeld an, ehe er ein halbes Jahr später nach Steinhagen zurückkehrte. Seitdem erzielte der Mann, der am Cronsbach stets die Rückennummer zehn trug, mehr als 200 Pflichtspieltore für den Verein.