„Natürlich schaue ich als Physiotherapeutin besonders auf die Spielerinnen, die ich gerade behandelt habe", erklärt Rodefeld, die selbst bei der Spvg. Versmold Handball in der Bezirksliga spielt. „Ich bin meistens 90 Minuten vor Spielbeginn in der Halle. Die Spielerinnen kommen dann auf mich zu, lassen sich tapen oder kleine Behandlungen durchführen", berichtet Rodefeld aus ihrem neuen Handball-Alltag.
Als Franziska Müller in der sechsten Minute zum 4:4 ausgleicht, hat die Physiotherapeutin ihren halben Arbeitstag schon hinter sich. Kurz nach Wiederanpfiff gibt es die erste kritische Situation für Saskia Rodefeld: Rückraumspielerin Gisa Klaunig bleibt nach einem Zweikampf kurz am Boden liegen. Blomberg-Lippe liegt zu diesem Zeitpunkt schon fast aussichtslos 18:25 hinten. Die Schiedsrichter erkundigen sich bei der Spielerin, ob sie eine Behandlung wünscht. Da hat Rodefeld ihren Eiskoffer schon in der Hand, jeden Moment bereit die Spielfläche zu betreten. Klaunig aber kann ohne Behandlung weitermachen. Rodefeld nimmt wieder die Habachtstellung auf der Bank ein. Der letzte Heimauftritt des Jahres vor 900 Zuschauern an der Ulmenallee ist für die HSG kraftaufreibend, aber nicht besonders verletzungsintensiv.
Wie kam Rodefeld ins Bundesliga-Geschäft? Der Kontakt kam über Trainer André Fuhr zustande, den sie schon länger kennt. „Er hat mir eine Stellenanzeige geschickt, auf die ich mich dann beworben habe", erklärt sie. „Gerade für junge Physiotherapeuten ist ein Job im Sport natürlich ein Traum." Die 24-Jährige ist zugleich die erste hauptamtliche Physiotherapeutin bei der HSG. Sie ist halbtags für die Belange des Profiteams und den aufstrebenden Nachwuchsbereich zuständig, begleitet alle Trainingseinheiten und macht Aufbautraining mit verletzten Spielerinnen. Die anderen 20 Stunden pro Woche arbeitet Rodefeld in der Blomberger Physiotherapie-Praxis von Sergej Gontscharov.
Ihre eigene Handball-Erfahrung kommt ihr in ihrem neuen Job zu Gute. „Ich weiß ja, worum es geht. Manchmal tut es halt weh, geht aber trotzdem weiter. Ich springe dann nicht gleich hektisch auf, wenn eine Spielerin mal liegen bleibt", sagt die Rückraumspielerin.
So auch in der Schlussminute gegen Bietigheim. Blombergs Nationalspielerin Alicia Stolle wird beim Wurfversuch in den Arm gegriffen. Die ganze Halle fordert »Rot«, Stolle aber bleibt nur einen kurzen Moment liegen. Rodefeld bleibt – wieder einmal – gelassen: „Ich freue mich darüber, wenn ich beim Spiel keinen Einsatz habe."
Für Saskia Rodefeld war es, obwohl sie nicht eingreifen musste und der Eiskoffer geschlossen blieb, also kein gebrauchter Arbeitstag. Für die HSG schon. Erwartungsgemäß unterliegt der Bundesliga-Vorletzte dem mit internationalen Stars gespicktem Tabellenführer 31:39. Am Samstag steigt die nächste Partie in Bad Wildungen. Rodefeld wird wieder am Spielfeldrand sitzen: äußerlich gelassen, innerlich mitfiebernd.
Matthias Lindemann (24) ist jahrelang nur als Fußballer in Erscheinung getreten. Weil er mit der Entwicklung auf den Plätzen hadert, kehrt er seinem Hobby den Rücken – und findet woanders sein Glück.