Ironman mit künstlicher Hüfte

Versmolder André Kather trotzt seinem Handicap

Immer schneller: André Kather, hier kürzlich beim Kölken-Cup der Spvg. Hesselteich, verbessert sich auch auf dem Rad stetig. | © Foto: Christian Helmig

16.09.2016 | 16.09.2016, 10:34

Kather steht auf, rollt die restlichen 25 Kilometer auf einer Pedale und läuft nach weiteren 21,1 Kilometern ins Ziel der Challenge Almere-Amsterdam. „Du gewinnst das Rennen nicht in den leichten, sondern in den schweren Momenten", sagt der 32-Jährige ein paar Tage später auf der Terrasse seines Hauses in Versmold und grinst. 5:48,59 Stunden hat er für die Halbdistanz benötigt und unter rund 1000 Teilnehmern einen Mittelfeldplatz belegt. Wie ein Sieger darf sich beim Triathlon aber jeder fühlen, der ankommt.

»Handball mit 100 Prozent Ehrgeiz bei null Prozent Talent«

Aufgeben ist Kathers Sache nicht. Nicht in Almere und grundsätzlich nicht. 15 ist er und Handballer bei der Spvg. Versmold, als die Ärzte bei ihm eine Hüftkopfnekrose diagnostizieren. „Knochenfraß", übersetzt er. Es folgen Operationen, mit 18 erhält Kather eine künstliche linke Hüfte. Er läuft auch danach unrund, spielt aber weiter Handball mit seinen Freunden. „Mit 100 Prozent Ehrgeiz bei null Prozent Talent", wie er augenzwinkernd anmerkt.

Mit sich im Reinen: Triathlon macht Kather glücklich. - © Foto: Philipp Kreutzer
Mit sich im Reinen: Triathlon macht Kather glücklich. (© Foto: Philipp Kreutzer)

2012 ist es damit vorbei. Eine Schulterverletzung zwingt den Abwehrspieler zum Laufbahnende. „Ich bin in ein tiefes Loch gefallen", erzählt er, „nicht mehr Teil meiner Mannschaft zu sein, war hart für mich." Sich die Spiele seiner Freunde und seiner Frau Katja, die ebenfalls für Versmold am Ball ist, von der Tribüne anzusehen, erträgt er nicht. Kather geht nicht mehr in die Halle.

Seine Rettung ist – wie könnte es bei einem begeisterten Sportler anders sein – der Sport. Beim Versmolder Sparkassen-Triathlon hat Kather schon vorher mal reingeschnuppert, als er einen kompletten Wechsel vollzieht: Aus einem Teamplayer wird ein Einzelkämpfer. „Ich bin halt ein extremer Typ", sagt er – auch mit Blick auf manche wenig verständnisvolle Reaktion aus seinem Umfeld: Warum muss es mit einer künstlichen Hüfte ausgerechnet Triathlon sein?

Kather übt seinen neuen Sport in enger Abstimmung aus mit dem Arzt der Uniklinik Gießen, der ihn betreut. „Medizinisch spricht nichts dagegen", betont er, „es ist sogar so, dass die Hüfte dadurch besser geworden ist. Man kann trotz eines Handicaps, wie ich es habe, solchen Sport machen." Es sei aber nicht gänzlich auszuschließen, schränkt er ein, dass ein erneuter Eingriff aufgrund der hohen körperlichen Belastung früher nötig werden könnte, als wenn er nur ein bis zwei Mal pro Woche aktiv wäre. „Aber ich bin lieber jetzt glücklich und sitze irgendwann im Rollstuhl als unglücklich zu sterben."

Inspiration vom Olympiasieger

Seit gut zwei Jahren betreibt Kather, der beruflich als kaufmännischer Angestellter bei Claas in Harsewinkel tätig ist, intensives Training. Häufig zusammen mit seinem Freund Tim Esselmann, der sich wie kürzlich berichtet für die WM im Oktober auf Hawaii qualifiziert hat. Inspiration verschafft ihm auch einer, den er wie Esselmann als Vorbild bezeichnet: Jan Frodeno absolviert 2014 in Frankfurt seinen ersten Langdistanz-Triathlon. Exakt zwei Jahre später meistert auch Kather in Frankfurt in 11:11:12 Stunden seinen ersten Ironman.

Vor jedem Training konzentriert er sich auf einen kurzen Videoclip des Olympiasiegers und Weltmeisters. Frodenos Aussage „Mein Sport hat mir geholfen, eine Identität zu finden", ist für Kather der Kernsatz, der auch auf ihn selbst zutrifft: „Als der Handball nicht mehr da war, habe ich durch Triathlon eine neue Herausforderung gefunden." Inzwischen geht er übrigens gern in die Handball-Halle. „Weil ich wieder mit mir im Reinen bin."

Nach dem Ironman Frankfurt heißt Kathers nächster großer Traum nun Hawaii. Rund 90 Minuten sei er zurzeit noch entfernt von den Zeiten derjenigen, denen in seiner Altersklasse die Qualifikation für die WM gelingt. „Ich muss in allen drei Disziplinen besser werden", weiß er. Ob es reichen wird, ist auch für ihn selbst schwer zu sagen. Klar ist nur: Frühzeitig aufgeben wird André Kather ganz sicher nicht.