Vom Dickerchen zum Eisenmann

Triathlon: Versmolder nimmt an der WM auf Hawaii teil

Auf gehts zum nächsten Training: Wenn Tim Esselmann nicht gerade mit dem Fahrrad unterwegs ist, kann man ihn häufig laufend oder schwimmend antreffen. | © Philipp Kreutzer, HK

06.09.2016 | 06.09.2016, 10:38

Wenn Tim Esselmann über seine Vorbereitungen auf Hawaii spricht, dauert es nicht lange, bis er zum Handy greift. Darin befindet sich sein Trainingsplan. Jeder Tag ist mit Angaben zu Umfang und Intensität versehen, ebenso mit Symbolen: Laufschuhe, Fahrrad, Welle. Bis zum 8. Oktober finden sich täglich Einträge. Bis zu jenem Samstag, an dem der Versmolder frühmorgens in den Pazifischen Ozean steigen und die gewaltige Herausforderung beginnen wird.

3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42,2 Kilometer Laufen: Bei der Ironman-WM werden gut 2000 Teilnehmer auf der klassischen Langdistanz starten. Eine Chance, das Ziel zu erreichen und somit ein »Ironman«, also ein »Mensch aus Eisen« zu sein, hat nur, wer sich sehr gut vorbereitet.

Esselmann tut das. Nachdem er sich im November 2015 nach vielen vergeblichen Anläufen auf der malayischen Insel Langkawi endlich den Traum von der WM-Qualifikation erfüllt hatte, machte der Triathlet des LC Solbad Ravensberg erst mal eine Pause. Im Januar legte er dann wieder los – und wie: Tage ohne Training lassen sich in diesem Jahr an einer Hand abzählen, ein Wochenende mit knapp 200 Kilometern auf dem Rad, einem anschließenden 15-Kilometer-Lauf und tags darauf einer weiteren 30-Kilometer-Runde bezeichnet Esselmann schmunzelnd als „normal".

Info
Neben Tim Esselmann wird ein zweiter Altkreis-Triathlet am 8. Oktober bei der Ironman-WM starten: Der inzwischen in Köln lebende Steinhagener Heiko Lewanzik (34) löste das Ticket für Hawaii im Juli mit dem Sieg in der Altersklasse M 35 beim Ironman Switzerland in Zürich. In 9:08,56 Stunden belegte er Platz 14 der Gesamtwertung. Für den früheren Bundesliga-Triathleten des TSV Obergünzburg, der in Köln als Sport- und Chemielehrer tätig ist, war es der erste Langdistanz-Wettkampf.

Gerade sein läuferisches Vermögen hat er zuletzt verbessert. Esselmann arbeitet seit dem vergangenen Jahr mit Sven Imhoff aus Mönchengladbach zusammen. Der Sportwissenschaftler, selbst erfolgreicher Triathlet, schreibt die Trainingspläne, die Esselmann in seinem Smartphone bei sich trägt, und wertet die mit einer Pulsuhr erhobenen Daten aus. Imhoff hat seinem Schützling weniger Umfänge und dafür höheres Tempo verordnet. „Das ist effektiver, und ich liege gut im Plan", findet der Versmolder.

Mit seiner beruflichen Tätigkeit in der Verarbeitung bei Kolbe Coloco lässt sich das Training gut vereinbaren, erzählt Esselmann: „Auch, weil mein Arbeitgeber sehr flexibel und entgegenkommend ist." Mehr noch: Das Unternehmen unterstützt seinen Mitarbeiter, indem es ihn mit einem Betrag für Sportkleidung und Helm sponserte.

Dass Esselmann in wenigen Wochen mit dem Ziel, „im vorderen Viertel zu landen", bei der WM starten wird, können Menschen, die ihn schon seit vielen Jahren kennen, nur erstaunlich finden. Schließlich brachte eben dieser Tim Esselmann noch Weihnachten 2004 stattliche 126 Kilogramm bei 1,90 Metern Körpergröße auf die Waage. Als er zu laufen begann („Am Anfang nur in der Dunkelheit, weil es mir zu peinlich war") und ins Fitnessstudio ging, purzelten die Pfunde. 2006 bestritt er seinen ersten Triathlon, inzwischen wiegt der 38-Jährige 83 Kilo.

Die Bemerkung seiner Ehefrau Jela, wonach er mit seiner früheren Leibesfülle „gemütlicher" gewesen sei als heute, nimmt Esselmann dafür gern in Kauf. Zumal seine Gattin, selbst begeisterte und erfolgreiche Läuferin beim Lauftreff Versmold, viel Verständnis für den zeitintensiven Sport ihres Mannes aufbringt und ihn unterstützt. Nach Hawaii werden beide reisen.

So hart, häufig und kontinuierlich zu trainieren wie Tim Esselmann kann nur, wer Spaß dabei empfindet. Esselmann sagt: „Ich liebe Triathlon." Der Reiz liegt für ihn in der Vielfalt, in der Kombination der drei so unterschiedlichen Disziplinen. Gern würde er, dessen Bestzeit bei 9:41 Stunden liegt, seine Leidenschaft auf andere übertragen. Zumal seinem Verein Triathlon-Nachwuchs guttun würde.

Wer es ihm nachtun möchte, dem empfiehlt Esselmann, nicht nur ehrgeizig, sondern gelassen an die Sache heranzugehen. „Nach den Wettkämpfen, bei denen ich immer wieder die Quali verpasst habe, bin ich in ein Loch gefallen und habe den Spaß verloren", erzählt er rückblickend. Esselmann beschloss, seinen Sport anders anzugehen. Beim Ironman Austria erfreute er sich am Schwimmen im herrlichen Wörthersee, für den Wettkampf in Nizza meldete er sich an, „weil die Radstrecke so schön sein soll". Ist sie auch, weiß er nun. „Du musst nicht immer nur auf die Uhr, sondern auch mal links und rechts gucken und genießen", lautet sein Rezept: „Natürlich muss man fokussiert sein und es wollen. Aber nicht zu extrem."

Esselmann sagt, er achte darauf, das zu machen, „worauf ich Lust habe". Und das bedeutet auch, sich darauf zu freuen, dass nach einer langen und harten Trainingsphase für die Zeit ab dem 9. Oktober erst mal keine Sporttermine in seinem Handy notiert sind.