Tipps vom Kinderarzt

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Siebenjähriger stirbt an Meningokokken-Infektion: So können Kinder geschützt werden

Die Bakterien können bei Kindern und Erwachsenen zu lebensbedrohlichen Erkrankungen führen. Der Bielefelder Kinderarzt Markus Heidemann ordnet den Todesfall aus Potsdam ein und erklärt, worauf geachtet werden sollte.

Es gibt mehrere Impfstoffe gegen Meningokokken, weil es verschiedene Serogruppen gibt. Kinder sollten mindestens gegen Meningokokken B und C geimpft sein. | © picture alliance / Sophia Kembowski/dpa

Carolin Nieder-Entgelmeier
20.09.2025 | 20.09.2025, 18:37

Bielefeld/Potsdam. Erkrankungen in Folge von Infektionen mit Meningokokken sind selten, können aber innerhalb weniger Stunden lebensbedrohlich verlaufen. Wie gefährlich eine Infektion mit den Bakterien sein kann, zeigt der Fall eines siebenjährigen Jungen aus Potsdam, der in dieser Woche in einem Krankenhaus gestorben ist. Der Fall sorgt bundesweit für Aufsehen, weil Kinder mit Impfungen vor schweren Verläufen geschützt werden können. Kinderarzt Markus Heidemann, Vorsitzender des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte in Westfalen-Lippe, kennt die Gefahren und erklärt, worauf Eltern achten sollten.

Was sind Meningokokken?

Meningokokken sind nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) Bakterien, die in seltenen Fällen schwere lebensbedrohliche Erkrankungen verursachen können. Meningokokken werden laut RKI in verschiedene Typen, sogenannte Serogruppen, eingeteilt, wobei in Deutschland die Serogruppen B, C, W und Y am häufigsten zu schweren Erkrankungen führen. „Meningokokken B und Y sind am weitesten verbreitet, wobei B vor allem Säuglinge und Kleinkinder betrifft und Y Jugendliche und Erwachsene“, erklärt Heidemann. „Die Erreger werden durch engen Kontakt von Mensch zu Mensch übertragen. Unklar ist jedoch, warum manche Menschen schwer erkranken und andere nicht. Viele Menschen haben die Erreger im Rachen, erkranken aber nicht.“

Woran lässt sich eine Erkrankung erkennen?

Meningokokken verursachen nach Angaben des RKI vor allem zwei Krankheitsbilder, die einzeln oder zusammen auftreten können. Meningitis und Sepsis, beide können zum Tod führen. „Anfangs unterscheiden sich die Symptome wie hohes Fieber, Kopfschmerzen, Schüttelfrost und Schwindel nicht von anderen Infekten, doch Intensität und Schnelligkeit des Krankheitsverlaufs sind deutlich stärker ausgeprägt. Betroffene fühlen sich so krank wie nie zuvor“, erklärt Heidemann. „Bei einer Meningitis können zudem Nackensteifigkeit und bei einer Sepsis Petechien auf der Haut auftreten, das sind Einblutungen, die sich nicht wegdrücken lassen.“

Zehn Prozent sterben an einer Infektion und 20 Prozent erleiden Langzeitfolgen

Besteht der Verdacht auf eine Meningokokken-Infektion sollten Betroffene umgehend zum Arzt. „Damit sollte nicht abgewartet werden, weil Betroffene lebensbedrohlich erkrankt sind“, rät Heidemann, denn etwa zehn Prozent sterben an der Infektion und bei bis zu 20 Prozent der Betroffenen treten Langzeitfolgen auf.

Nach einer Meningitis könne es zu Hirnnervenlähmungen, Krampfanfällen, Einschränkungen des Intellekts oder Lernschwierigkeiten sowie Taubheit kommen. Eine Sepsis könne zu Gewebeschädigungen bis hin zum Absterben einzelner Gliedmaßen führen. „Eine Infektion kann mit Antibiotika behandelt werden, aber wenn nicht alle Rädchen im Gesundheitssystem ineinander laufen oder Betroffene zu spät zum Arzt kommen, erhöht das das Risiko der Erkrankung deutlich, auch bei zuvor völlig gesunden Menschen.“

Marcus Heidemann ist Vorsitzender des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte in Westfalen-Lippe und empfiehlt Kindern dringend Impfungen gegen Meningokokken B und C. - © Peter Unger
Marcus Heidemann ist Vorsitzender des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte in Westfalen-Lippe und empfiehlt Kindern dringend Impfungen gegen Meningokokken B und C. (© Peter Unger)

Gibt es Schutz gegen Meningokokken?

In Deutschland stehen nach Angaben der ständigen Impfkommission verschiedene Impfstoffe zur Verfügung. Empfohlen werden folgende Impfungen:

  • Meningokokken B: Empfohlen für Risikogruppen mit einer Immunschwäche, für Reisende in Länder mit vielen Meningokokken-Erkrankungen und für alle Kinder mit je einer Impfstoffdose im Alter von 2, 4 und 12 Monaten. Fehlende Impfstoffdosen sollten so bald wie möglich und spätestens bis zum 5. Geburtstag nachgeholt werden.
  • Meningokokken C: Empfohlen für alle Kinder mit einer Impfstoffdose im Alter von 12 Monaten. Bei einer Versäumung sollte die baldmöglichst, aber spätestens bis zum 18. Geburtstag nachgeholt werden.
  • Meningokokken-ACWY: Empfohlen wird der Kombinationsimpfstoff für Risikogruppen mit einer Immunschwäche, gefährdetes Laborpersonal und für Reisende in Länder mit vielen Meningokokken-Erkrankungen jeden Alters.

Die Impfquote gegen Meningokokken B ist in Deutschland sehr niedrig

„Wir empfehlen allen Kindern mindestens die Impfungen gegen Meningokokken B und C und bei Reisen aber auch als individuelle Verbesserung des Schutzes gegen ACWY“, erklärt Heidemann. In der Impfberatung erlebt der Kinderarzt jedoch oft, dass viele Eltern Meningokokken nicht kennen und deshalb ablehnen oder einen erhöhten Beratungsbedarf haben. „Die Impfung gegen Meningokokken B wird noch nicht lange als Standardimpfung in Deutschland empfohlen und kann erst seit Mai unkompliziert über die Krankenkassenkarte abgerechnet werden.“ Zuvor mussten die Praxen Rechnungen ausstellen, die die Eltern dann bei ihren Krankenversicherern einreichen konnten, um das Geld wiederzubekommen.

In vielen europäischen Nachbarländern gibt es nach Angaben Heidemanns die Empfehlung für den Schutz gegen Meningokokken B als Standardimpfung schon deutlich länger und Kinder werden auch dann noch nachgeimpft, wenn sie älter als fünf Jahre alt sind. Heidemann kritisiert zudem, dass Kinderärzte nicht ausreichend für die Impfaufklärung entlohnt werden. „Daher ist es schwierig, im Praxisalltag die Zeit für umfassende Beratungen finden zu können.“ Wegen all dieser Gründe sei die Impfquote in Deutschland noch gering.

Die IKK Südwest warnt nach dem Todesfall in Potsdam davor, Meningokokken zu unterschätzen. Bei der Krankenkasse liegt die Impfquote gegen Meningokokken B bei Kindern lediglich bei 40 Prozent.

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