Humane Papillomviren (HPV) sind für die Hälfte aller virusbedingten Tumore verantwortlich und für fast 100 Prozent aller Fälle von Gebärmutterhalskrebs. Seit 2007 gibt es eine Impfung für Mädchen, seit 2018 auch für Jungen. Sie können zum einen selbst an durch HPV verursachte Krebsarten erkranken und übertragen die Viren zudem später durch sexuellen Kontakt. Doch die Impfraten sind in NRW stark rückläufig.
Was genau können Humane Papillomviren auslösen?
Eine Infektion mit Humanen Papillomviren verläuft in den meisten Fällen unbemerkt. Übertragen werden sie vor allem durch Geschlechtsverkehr. Studien belegen, dass jede vierte Frau bis zum 30. Lebensjahr mit dem HP-Virus infiziert ist. Jährlich erkranken in Deutschland etwa 6.250 Frauen und rund 1.600 Männer an Karzinomen, die durch eine HPV-Infektion bedingt sind.
Dies können Mundtumore, Scheiden-, Penis- oder Analtumore sein. Auch Geschlechtskrankheiten wie Genitalwarzen können von HPV ausgelöst werden. Bei Frauen wird der Gebärmutterhalskrebs zu fast 100 Prozent durch HPV verursacht. Bundesweit werden jährlich 4.600 Neuerkrankungen mit Gebärmutterhalskrebs verzeichnet und 1.500 Todesfälle.
Was bewirkt die Impfung?
In Deutschland sind derzeit zwei Arten von HPV-Impfstoffen auf dem Markt: Cervarix und Gardasil. Cervarix schützt direkt gegen etwa 70 Prozent der von Hochrisiko-Typen verursachten Gebärmutterhalskarzinome. Gardasil schützt direkt gegen etwa 90 Prozent dieser Karzinome. Außerdem besteht durch diesen Impfstoff auch ein wirkungsvoller Schutz gegen Genitalwarzen. Die Impfung selbst löst keine Infektion mit HPV aus, da sie keine Lebend-Viren enthält. Impfen können Kinderärzte, Gynäkologen und Hausärzte.
Entsprechende Untersuchungen belegen die Wirksamkeit der Impfung. In der Altersgruppe 20 bis 29 Jahre erkrankten im Schnitt in den Jahren 2011 bis 2017 2,51 Prozent an Gebärmutterhalskrebs. In den Jahren 2018 bis 2022 sank diese Zahl auf 1,18. Das entspricht einer Quote von 53 Prozent weniger Erkrankungen. Bei Frauen im Alter von 30 bis 39 Jahren hingegen, also einer Gruppe, die im jugendlichen Alter die Impfung noch nicht in Anspruch nehmen konnten, stieg die Inzidenz sogar leicht an, von 12,2 auf 12,7.
Warum die Impfung auch für Jungen sinnvoll ist
In den Augen von Marcus Heidemann, Vorsitzender des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte Westfalen-Lippe, sprechen drei Gründe dafür, Jungen ebenfalls zu impfen – auch wenn sie nicht an Gebärmutterhalskrebs erkranken können. „Zum einen gibt es diverse Krebsarten, die durch HPV ausgelöst werden können und an denen insbesondere auch Männer erkranken können.“
Zum anderen seien jugendliche und junge Männer nicht nur Empfänger für Ansteckungen, sondern auch potenzielle Überträger von HPV, sodass sie mit einer Impfung auch ihre Partnerinnen schützten. „Und drittens schützt die Impfung auch Männer ebenso wie Frauen vor Genitalwarzen.“
Das sind die Bedenken vieler Eltern
Trotz erwiesener Wirksamkeit ist die Impfrate bundesweit und auch in Nordrhein-Westfalen seit der Pandemie stark zurückgegangen. Bei den Mädchen war es im bevölkerungsreichsten Bundesland von 2021 auf 2022 ein Rückgang um 23,5 Prozent, bei den Jungen sogar um 31,8 Prozent. 62 Prozent der Mädchen aus der untersuchten Zielgruppe sind vollständig geimpft, knapp 40 Prozent unzureichend oder gar nicht. Bei den Jungen sind 26 Prozent vollständig geimpft, knapp 75 Prozent nicht oder unzureichend.
Zu den Hintergründen benennt Barmer-Landesgeschäftsführer Joao Rodrigues mehrere Faktoren. „Aus unserer Sicht besteht bei Eltern und Jugendlichen ein Informationsdefizit zum Thema HPV-Infektion. Wir brauchen mehr Öffentlichkeit für dieses Thema.“ Zum anderen zeigten Befragungen in sozialen Medien, dass Eltern und Jugendliche mit Blick auf die Ablehnung der Impfung häufig die „Angst vor Nebenwirkungen“ als Grund nennen. „Auch hier brauchen wir deshalb mehr Aufklärung über die sozialen Medien.“
Vorsorge für ältere Kinder findet kaum noch statt
Ein weiteres Problem: Bislang ist die HPV-Impfung nicht an routinemäßig stattfindende Arztbesuche oder Vorsorgetermine gebunden. Barmer-Vorsitzender Rodrigues plädiert deshalb auch für die Einführung einer weiteren gesetzlichen Vorsorgeuntersuchung für Kinder im Alter von neun bis zehn Jahren (U10) mit einem entsprechenden HPV-Impfangebot.
Genau diese Vorsorge finden aber seit einiger Zeit in vielen Praxen aufgrund von Personalmangel und schlechten Arbeitsbedingungen ohnehin deutlich weniger statt, weiß Kinderärztesprecher Heidemann. „In vielen Praxen müssen die Kollegen abwägen, welche Vorsorge sie überhaupt noch machen können. Und da entscheidet man sich natürlich vielerorts für die vorrangige Versorgung der Säuglinge zum Beispiel bei Hüftuntersuchungen oder Überprüfung des Hör- und Sehvermögens bei Babys im Rahmen der U3 oder U4. Dabei ist es natürlich auch wichtig, die Entwicklung älterer Kinder im Auge zu behalten – alles schaffen aber viele Praxen nicht mehr.“
In Heidemanns Augen ist in diesem Zusammenhang nicht nur die HPV-Impfung ein Problem. „Wir sehen das auch bei der RSV-Impfung oder der neuen Meningokokken-B-Impfung. Impfen, insbesondere aber die Beratung hierzu, wird nicht genug honoriert, insofern ist auch kaum Zeit da für wichtige und sinnvolle Aufklärung, die eine Impfung immer erfordert.“ In den Augen Heidemanns sind hier vor allem die Krankenkassen gefragt. „Es gibt Kassen, die Extra-Module zur Abrechnung von Vorsorgen und einzelnen Impfungen bereitstellen. Das sind aber längst nicht alle. Und solange Ärzte nur als Kostenfaktor und Prävention nur als schickes Marketing betrachtet wird, liegt eben einiges im Argen.“

