Eine neue Gesellschaft soll den regionalen Schienennahverkehr in Nordrhein-Westfalen über die Grenzen der Verkehrsverbünde hinweg aus einem Guss bündeln. Ein entsprechendes Gesetz hat die schwarz-grüne Landesregierung per Kabinettsbeschluss auf den Weg gebracht. Die neue Gesellschaft in kommunaler Trägerschaft mit dem Arbeitstitel «Schiene.NRW» werde für das Angebot mit Regional- und S-Bahnen im ganzen Land verantwortlich sein, sagte NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) in Düsseldorf.
Die «vielen Ärgernisse» für Fahrgäste aufgrund der zersplitterten Schienen-Verkehrsstruktur in NRW sollen nach Worten Krischers künftig ein Ende haben. Dazu gehörten nicht aufeinander abgestimmte Taktungen, langwierige Entscheidungsprozesse, bis neue Züge angeschafft würden, oder auch unterschiedliche Bahnsteighöhen. Schiene.NRW soll im ganzen Land für ein verlässliches und pünktliches Angebot sorgen.
Jetzige Verkehrsverbünde werden kleiner

Bisher gibt es im bevölkerungsreichsten Bundesland für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) mit dem Verkehrsverbund Rhein-?Ruhr (VRR), Nahverkehr Westfalen-?Lippe (NWL) und Go.Rheinland drei Aufgabenträger. Dadurch kommt es an den Schnittstellen zwischen Westfalen, Rheinland und Ruhrgebiet immer wieder zu Reibungsverlusten. Die drei Gesellschaften sollen nun zusammengeführt werden, aber weiterhin in ihren Bereichen den Nahverkehr in den Städten und Gemeinden mit Straßenbahnen und Bussen koordinieren.
Die Dreiteilung beim Schienenverkehr sei heute nicht mehr zeitgemäß und effizient, zumal viele Linien über Verbundgrenzen hinweg verliefen, sagte Krischer. «Das Problem ist, dass es heute alles dreimal gibt. Alles gibt es dreimal, alles wird dreimal kontrolliert, alles wird dreimal verhandelt, alles muss dann dreimal abgestimmt werden.»
Die drei Einzelgesellschaften mit aktuell insgesamt rund 700 Mitarbeitern würden «in der Größe deutlich reduziert», so der Minister. Der größte Teil des Personals werde in Zukunft bei Schiene.NRW tätig sein. Vorgesehen ist ein Verwaltungsrat aus 21 Mitgliedern - je sieben aus den drei regionalen Zweckverbänden - sowie ein vierköpfiger Vorstand.
Wer wird Chef der Schienengesellschaft?
Krischer schloss eine Reduzierung der derzeitigen regionalen Vorstandsetagen oder auch Doppelfunktionen nicht aus. Personalentscheidungen würden aber erst getroffen, wenn der Landtag die Reform beschlossen habe und die neue Gesellschaft gegründet sei, sagte Krischer auch mit Blick auf Spekulationen, dass der aktuelle VRR-Chef und Ex-Verkehrsminister Oliver Wittke (CDU) Vorstandsvorsitzender von Schiene.NRW werden könnte.
Ob und wie die neue Gesellschaft künftig an einem zentralen Hauptsitz zusammengeführt wird, ist Krischer zufolge noch nicht entschieden. Die Anmietung großer neuer Gebäude sei bisher wohl aber nicht geplant. Zunächst sollten die drei Arbeitsorte der Aufgabenträger bestehen bleiben. Teams könnten digital auch standortübergreifend zusammenarbeiten.
Schiene.NRW soll 2027 mit Arbeit beginnen
Die neue Gesellschaft bekomme künftig aus den Regionalisierungsmitteln des Bundes für den SPNV einen festen Betrag zugesagt. Zugleich werde die ÖPNV-Pauschale von bisher 130 Millionen Euro auf 160 Millionen und ab 2028 dann auf 170 Millionen Euro erhöht, um die Kommunen beim Bus- und Straßenbahnverkehr zu unterstützen.
Der Landtag soll nach Angaben Krischers das Gesetz im ersten Quartal 2026 verabschieden. Die neue Gesellschaft Schiene.NRW solle 2027 die operative Arbeit aufnehmen. Der Kabinettsentwurf geht jetzt erst einmal in die Verbändeanhörung.
Angestrebt wird laut Krischer auch, dass kommunale Verkehrsverbünde wie VRS oder AVV in Zukunft nicht mehr erforderlich sind und auch Probleme bei Tarifgrenzen verschwinden. Der «ganze bunte Strauß» an kommunalen Tarifen werde künftig reduziert, weil es jetzt das Deutschlandticket sowie auch den landesweit gültigen elektronischen Tarif eezy.nrw gebe.
Skepsis bei der SPD
Nach Ansicht der SPD droht die Schienen-Strukturreform auf halber Strecke stehenzubleiben. «Es muss klare Zuständigkeiten und Verbesserungen für die Fahrgäste geben und nicht nur neue Verwaltungsstrukturen», sagte der stellvertretende Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion, Alexander Vogt. Entscheidend sei, dass es am Ende spürbare Fortschritte bei Verlässlichkeit und Angebot gebe.
Der Landkreistag NRW forderte, dass die neue Gesellschaft ausschließlich kommunal gelenkt werde. Dennoch behalte sich das Land vor, wesentliche Teile der Verkehrspolitik der neuen Organisation zu bestimmen. Zugleich warnte der Landkreistag vor finanziellen Unsicherheiten, die auf die ohnehin schon desolaten Haushalte der Kommunen zukommen könnten.