Fotos, Videos & Streams

Wann kommt der neue Polizeifunk? Telekom macht Tempo

Eine Puppe in Polizei-Uniform zeigt, wie es gehen soll: An ihrer Uniform ist nicht nur ein Funkgerät, sondern auch ein Smartphone befestigt. Die Einsatzzentrale kann sich auf das Smartphone schalten und dank der Kamera sehen, was gerade los ist. | © Wolf von Dewitz/dpa

12.09.2025 | 12.09.2025, 05:18

Bei der Ablösung des veralteten Behördenfunks - auch Polizeifunk genannt - bringt sich die Deutsche Telekom mit einer Nachfolgetechnologie in Position. Das Unternehmen stellte auf der Digitalkonferenz Digital X in Köln ein neues Produkt vor, das Ende dieses Jahres mit verschiedenen Behörden getestet und in der ersten Jahreshälfte 2026 verkauft werden soll. Die Wettbewerber O2 und Vodafone feilen ebenfalls an Digitaldiensten, um mit Deutschlands Sicherheits- und Rettungsbehörden ins Geschäft zu kommen.

Bislang setzen die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) - also Polizei, Feuerwehr, Notfallsanitäter, Technisches Hilfswerk und andere Einsatzkräfte - auf einen Funkstandard namens Tetra. Der ist veraltet, denn er wurde in den 90ern entwickelt. Er übermittelt Sprache und nur geringfügig Daten. Das neue System - MCx (Mission Critical Services)genannt - bietet hingegen auch die Übertragung von Fotos, Videos und Livestreams.

Bei der Digitalkonferenz Digital X zeigte die Telekom in einer simulierten Einsatzzentrale, wie ihr neues System für den Polizeifunk funktioniert. - © Wolf von Dewitz/dpa
Bei der Digitalkonferenz Digital X zeigte die Telekom in einer simulierten Einsatzzentrale, wie ihr neues System für den Polizeifunk funktioniert. (© Wolf von Dewitz/dpa)

Der Behördenfunk läuft über das Telekom-Netz und wird dort prioritär behandelt: «Wie ein Einsatzfahrzeug kommen die Daten bevorzugt durch unser Funknetz», sagt der Telekom-Manager Gottfried Ludewig und spricht von einer «zukunftssicheren, flexiblen und hoch performanten Lösung für die Herausforderungen einsatzkritischer Kommunikation».

Wie das neue Funksystem helfen kann

Das Smartphone ist so angebracht, dass die Kamera der Einsatzzentrale gut zeigen kann, was der Beamte gerade vor sich hat. - © Wolf von Dewitz/dpa
Das Smartphone ist so angebracht, dass die Kamera der Einsatzzentrale gut zeigen kann, was der Beamte gerade vor sich hat. (© Wolf von Dewitz/dpa)

Wenn Polizisten einen Verdächtigen verfolgen, sagen sie einander bislang per Funkgerät, wo sie sind und wie die Lage ist. Das kann mühsam sein. Mit dem Breitbanddienst, auf dem das neue Telekom-Produkt beruht, wird die Arbeit vereinfacht. In der Einsatzzentrale wird automatisch angezeigt, wo die Polizisten sind und sie können auch untereinander sehen, wo die anderen sind. Die Beamten können Fotos des Verdächtigen oder Videos auf ihr Diensthandy bekommen, auf dem eine entsprechende App installiert ist. Die spezielle Hardware - neben dem Funkgerät auch das Smartphone - ist von Motorola, es können aber auch andere Handys genutzt werden.

Ein anderes Szenario, in dem die Vorteile der neuen Technologie deutlich werden, sind Feuerwehr-Einsätze bei Großbränden. In der Einsatzzentrale kann man sich auf die an der Uniform angebrachten Smartphones schalten und sehen, was der Feuerwehrmann gerade macht und ob er Hilfe braucht. Fliegt eine Drohne über den Brandort, so können die auf dem Boden befindlichen Feuerwehrleute auf ihren Smartphones erkennen, wo die Brandherde sind.

Die Datennutzung kann auch helfen, wenn Rettungskräfte nach einer verschwundenen Person suchen - etwa eine demente Seniorin, die durch einen Wald irrt. Künstliche Intelligenz hilft bei der Suche, indem der Livestream des Überflugs besser analysiert und die Frau auch dann erkannt wird, wenn nur ein Teil ihres Körpers unter den Bäumen zu sehen ist.

Außerdem können Aufnahmen von Drohnenflügen dazu führen, dass die Polizei genau weiß, wie viele Menschen auf einem Platz sind. Wird bei einer aus dem Ruder laufenden Krawall-Demonstration ein Polizist niedergeschlagen, wird ein automatischer Notruf abgesetzt und Kollegen können herbeieilen.

Mit Blick auf den bisherigen Tetra-Behördenfunk sagt der zuständige Programmleiter der Telekom, Dirk Niederau, dass man diesen nicht verdrängen wolle, vielmehr könne Tetra künftig parallel zu MCx weiterlaufen. «Unser Produkt ist kein Ersatz von Tetra, sondern eine Ergänzung - wir schaffen über einen zweiten Kommunikationsweg mehr Ausfallsicherheit.»

Telekom-Konkurrenz scharrt mit den Hufen

Die Telekom-Konkurrenten sind bei dem Thema ebenfalls tätig. Vodafone-Deutschlandchef Marcel de Groot berichtet davon, dass man das eigene Sicherheitsnetz auf die konkreten Anforderungen erster Nutzer vorbereitet habe. «Schon in Kürze werden erste Einsatzkräfte die virtuelle Rettungsgasse in unserem Netz nutzen, um anderen Menschen noch schneller zu helfen.»

Alfons Lösing, Vorstandsmitglied bei O2 Telefónica, merkt kritisch an, dass die Behörden nicht nur auf ein Handynetz eines einzelnen Netzbetreibers setzen sollten. Stattdessen wäre eine Branchenlösung sinnvoller, um mehrere Netze gut nutzen zu können. «Ein eigenständig betriebenes Funk-Kernnetz des Bundes mit Zugang zu allen Mobilfunknetzen in Deutschland würde die Verfügbarkeit, Resilienz und Sicherheit für Einsatzkräfte signifikant erhöhen», sagt der Manager. «Nur solch ein zentral gesteuertes Netz, statt länderspezifischer Insellösungen mit einzelnen Netzbetreibern, ermöglicht die nahtlose, sichere Kommunikation über Länder- und Bundesgrenzen hinweg.»

Behörde sieht Vorteile im alten System

Wann entscheidet sich denn der Staat, wie und wann der Behördenfunk ins Internetzeitalter gehievt wird? Ein Sprecher der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) betont die Bedeutung von Sprachkommunikation. Dafür sei der Digitalfunk im Tetra-Standard verfügbar und dank seiner speziellen Eigenschaften «bis heute noch nicht obsolet». «Das eigenständige Funksystem gewährleistet unabhängig von kommerziellen Mobilfunknetzen eine verlässliche Kommunikation.» Der Sprecher räumt aber ein, dass der Tetra-Standard in die Jahre gekommen sei.

Die Behörde arbeite daran, den Tetra-basierten Digitalfunk perspektivisch abzulösen, ohne auf die gewohnte Qualität, Verfügbarkeit und Sicherheit sowie aktuell vorhandene Funktionalitäten verzichten zu müssen. «Ziel ist es, die einsatzkritische breitbandige Sprach- und Datenkommunikation unterbrechungsfrei bundesweit zur Verfügung zu stellen.» Einen Zeitplan für diesen Schritt nennt er nicht.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) mahnt an, den Behördenfunk «mit Augenmaß» sowie in Zusammenarbeit des Bundes und der Länder weiterzuentwickeln. «Föderale Strukturen bringen uns an die Grenzen», sagt GdP-Vize Alexander Poitz. Ziel müsse eine einheitliche Digitalfunkstruktur sein.